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Geschichte wird gemacht – es geht bergab!

Gastautor

Letzter Mäzen oder einfach nur Bedrohung?

Letzter Mäzen oder einfach nur Bedrohung?

Die Saison 2007/2008 ist längst vorbei, wir haben einen (gewohnten) Meister, einen schwarzgelben Pokalsieger der Herzen, weitere drei Teams im Cup der Verlierer (hoffentlich bald (null-) vier?), drei mehr oder weniger überraschende Absteiger und genau so viele Aufsteiger. Also alles wie gewohnt, Mund abputzen, EM gucken und in 2008/2009 wird schon alles besser? Mitnichten!

Hier in Dortmund reden alle von der x-ten Übergangssaison. Wir haben in der Meisterschaft eine perfekte Definition von Stagnation geliefert, was zu guter Letzt in der, meiner Meinung nach, vollkommen berechtigten Trennung von Thomas Doll gipfelte. Mit einem neuen Trainer, guten Innenverteidigern und noch ein, zwei Überraschungen aus der Hand des neuen Trainers, können wir also wieder den Angriff auf den UEFA Cup starten. Wenn nicht in dieser Saison, dann halt in der nächsten. Wie singen wir immer so schön? ?In 2010, Ihr werdet es schon sehn,?? Der Tenor ist: über kurz oder lang wird es schon wieder in Dortmund und wir kommen dahin, wo der zweitbeliebteste Verein mit den treuesten Fans im Land hingehört, nämlich regelmässig nach Europa. Ein reines Geduldspiel also? Mitnichten!

Fußballdeutschland ändert sich. Vor unseren Augen. Diese Veränderungen vollziehen sich wahnsinnig schnell und sie könnten nicht nur den BVB schon sehr bald mit voller Wucht aus seinen Träumen reißen. Diese Gefahr verbinde ich vordergründig vor allen Dingen mit zwei Vereinsnamen: 1899 Hoffenheim und V(W)FL Wolfsburg.

Wenn ich einen Blick auf die Abschlusstabelle dieser Saison werfe, so denke ich, dass sie ein sehr gutes Bild der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Vereine widerspiegelt. Wir haben die ?grossen Drei?, die dem BVB mindestens vier - fünf Jahre voraus sind. Im Fall der Bayern wohl auch gefühlte 50 Jahre. Dann kommen mit Hamburg, Wolfsburg, Leverkusen und Stuttgart vier Vereine mit denen wir uns nur bei einem absolut optimalen Saisonverlauf werden messen können. Die Mannschaften von Platz 8 bis 13 sehe ich auf unserem Leistungsstand, wobei Bochum und Karlsruhe auch nach unten rausfallen könnten. Der Rest, inklusive der Aufsteiger, spielt um den Abstieg. Inklusive der Aufsteiger habe ich gesagt? Nicht richtig, 1899 Hoffenheim wird nie wieder absteigen. Darauf verwette ich meinen Allerwertesten. Herr Hopp wirds schon richten.

Leider sieht es in der Bundesliga im Moment so aus, dass Mannschaften, die mehr als 20 Millionen Euro investieren können, automatisch in Europa mitspielen. Geld schießt halt doch Tore, siehe Bayern, siehe Wolfsburg. Wenn ich also davon ausgehe, dass Bayern, Werder und die Blauen für Europa gesetzt sind, dann bleiben nur noch zwei Plätze für Mannschaften wie den BVB übrig. Einer dieser Plätze ist ab der nächsten Saison fest an Wolfsburg vergeben. Da braucht sich der entsetzte deutsche Fußballfan nichts vorzumachen. Was die investieren ist blanker Wahnsinn. Während wir eine Abwehrwundertüte aus Brasilien holen und monatelang mit Basa verhandeln, um den Preis um 2 Millionen zu drücken, holt VW mal eben einen, wahrscheinlich zwei, italienische Nationalspieler für insgesamt 20 Millionen Euro. Und dann noch einen Zvjezdan Misimovic usw. oben drauf. Tut mir Leid BVB, aber da kommen wir nicht dran.

Gleiches wie Wolfsburg wird auch Hoffenheim veranstalten. In drei Jahren, da bin ich mir 100 prozentig sicher, sind auch die Dörfler im UEFA Cup gesetzt. Wenn ich meinen fünf Fingern trauen darf, dann bleibt für Mannschaften wie Hamburg, Stuttgart, Frankfurt, vielleicht auch mal wieder Köln und eben Dortmund nur die Hoffnung, dass einer der ersten Fünf vollkommen versagt, oder dass man sich für den UI-Cup oder das Pokalfinale qualifiziert. Tolle Aussichten auf Planungssicherheit?

Ein immer wieder gern gehörtes Argument an dieser Stelle ist, dass bei Mannschaften wie Wolfsburg und Hoffenheim einfach die Fans fehlen und somit die Spieler nicht zu Top-Leistungen motiviert werden. Vollkommen richtig, ich stimme damit überein. Wenn Wolfsburg, Dortmund, Bremen und Frankfurt absolut gleichstarke Mannschaften haben, dann wird Wolfsburg immer letzter unter den genannten vier. Leider werden Wolfsburg und Hoffenheim mit den VW und SAP Millionen aber so aufrüsten, dass sie auch mit 80% Leistung leicht vor (fast) allen anderen Mannschaften landen werden. Sehr bald auch vor Bremen und den Blauen. Auch immer wieder gerne argumentieren die Hoffenheimer und Wolfsburger ?Fans?: was ist denn so schlecht daran, dass wir uns gute Mannschaften zusammenkaufen? Ist doch super für Fußballdeutschland, wenn wir Stars holen und somit die Liga attraktiver machen? Tut mir Leid, aber das ist der größte Schwachsinn, den ich jemals gehört habe!



Für wen wird denn die Liga attraktiver gemacht? Für die 5000 Hoffenheimer und 20000 Wolfsburger ?Fans?? Der Rest der Liga mit all seinen Traditionsvereinen wird sich - trotz aller Rauball/DFL-Initiativen - auf Jahre hinweg aus Europa verabschieden können, dort wird das Geld für Stars fehlen und die Anhänger werden sich uninteressiert abwenden. Das und nichts anderes wird geschehen. Und Hoffenheim und Wolfsburg? Werden sie Tradition aufbauen und sich eine Anhängerschar aneignen? NEIN! Siehe Leverkusen, die seit 30 Jahren in der Liga sind und immer noch froh über ihre 25000 Zuschauer sind. Und dort von Fans oder Stimmung zu sprechen, ist auch ein absoluter Witz. Wenn Hoffenheim und Wolfsburg regelmäßig Titel holen, werden sie auch mehr Zuschauer haben. Richtig. Aber es werden Erfolgsfans sein und die haben wir ja schon in Bayern. Tolle Stimmung. Tolles Tennis.

Diese Entwicklung geschieht vor unseren Augen. Jeder, der halbwegs realistisch ist, wird es erkennen können. Ich sehe zwei Wege, diese Entwicklung aufzuhalten. Der erste Weg ist vollkommen unrealistisch: man setzt mindest-Zuschauerzahlen und mindest-Eintrittspreise fest. Alle Mannschaften mit einem Schnitt von weniger als 25000 Zuschauern steigen automatisch ab. Wäre schön - wird aber nie passieren.

Zweiter Ansatz: man gibt den Traditionsvereinen die Möglichkeit, diese Tradition und ihre Anhanger in Geld umzuwandeln. Mit anderen Worten: das englische Modell. Will heißen, dass Geld mit allem, was nicht Niet- und Nagelfest ist, gemacht wird. Selbstvermarktung der TV-Rechte, Verdreifachung der Eintrittspreise, Öffnung aller Vereine fuer Grossinvestoren. Mit anderen Worten: wir machen den Fußball zum Luxusgut. Das würde dem BVB Unmengen and Geld einbringen und es ist unbestreitbar, dass Traditionsvereine mit einer großen Anhängerschar wesentlich attraktiver fuer Investoren und Marketing sind, als graue Mäuse und Retortenvereine. Wir wären damit wieder wettbewerbsfaehig. Leider hieße das aber auch: mehr Kommerzialisierung, mehr Abstand zwischen Verein und Fans?usw. Man kennt das ja!

Fazit: Fußballdeutschland ändert sich still aber merklich. Vereine wie Hoffenheim, Wolfsburg und auch (immer noch) Leverkusen, in Zukunft wohl auch noch Greuther Fürth, richten viel mehr Schaden an im deutschen Fußball, als man es sich träumen läßt. Wir driften ab in amerikanische Verhältnisse, wo der Sport nur noch eine riesen Show ist und Leidenschaft und Tradition absolute Fremdwörter sind. Ich weiß wovon ich rede, ich lebe in Atlanta und habe viele Baseball-, Eishockey- und Footballspiele in den USA besucht. Und ganz ehrlich, es gibt nichts, was wir dagegen tun könnten. Ich werde auf ewig BVB Fan bleiben und der BVB wird auch auf ewig im deutschen Fußball eine große Rolle spielen. Wir werden auch oft in Europa mitspielen, auch in der Champions League. Dominieren aber werden Bayern und Retortenvereine wie Wolfsburg, Leverkusen und Hoffenheim den deutschen Fußball. Damit sollten wir uns besser jetzt schon abfinden. Eine schlimme Vorstellung.

, 19.05.2008

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