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Herr Lehmann sagt „auf Wiedersehen“

Sollten keine Verletzungen oder Sperren dazwischen kommen, bestreitet Jens Lehmann am Samstag im Westfalenstadion sein erstes von 32 Abschiedspielen aus der Fußball-Bundesliga. Vor wenigen Tagen gab der 61-malige Nationalkeeper bekannt, dass nach dieser Saison Feierabend ist. ?Dann ist Schluss", sagt der 39-Jährige im ?Sat 1?-Interview. ?Es wird Zeit, etwas anderes zu machen. Vielleicht auch mal ein bisschen raus aus der Öffentlichkeit. Das ist gerade in Deutschland auch nicht immer so angenehm. Darauf freue ich mich.?

Sicher freut er sich auch darüber, ein letztes Mal in Dortmund durch die Gegend zu fliegen, die Borussen mit Glanzparaden verzweifeln zu lassen oder einen seiner kapitalen Böcke zu schießen. Bei ihm weiß man nie, er ist stets zu einem Ausreißer in jede Richtung gut.

129 Mal stand er zwischen den Pfosten von Borussia Dortmund, es war nicht die schlechteste Station in der langen Karriere des eigenwilligen Mannes, der lange für Schalke spielte (für das er mal ausgerechnet in Dortmund per Kopf einen Derby-Punkt rettete - das erste Feldtor eines Bundesliga-Keepers). Einem kurzen, wenig erwähnenswerten Abstecher zum AC Mailand folgten fünf Dortmunder Jahre, von hier aus ging er zu Arsenal. Er hütete den Kasten der ?Gunners? in deren ungeschlagener Meistersaison, mit der Kanone auf dem Trikot flog er nach wenigen Minuten eines Champions-League-Finales vom Platz. Ohnehin eine Schwäche von ihm: Die Liste der Platzverweissünder beim BVB führt er gemeinsam mit Dede (beide vier) bis heute an. Jens Lehmann hat großen Anteil am ?Sommermärchen 2006? der Nationalmannschaft, in der er es erst im Herbst seiner Laufbahn zur Nummer eins brachte. Seit 2008 ist er beim VfB Stuttgart.

Während Lehmann also Grund zur Freude über die Rückkehr nach Dortmund haben darf, könnte sich die Freude beim Gastgeber in Grenzen halten. Nicht wegen Lehmann, Gott behüte! Sondern weil mit dem VfB Stuttgart eine veritable Spitzenmannschaft erwartet wird. Auch ohne den nach München gezogenen Starstürmer Mario Gomez. Spieler wie Delpierre, Tasci, Hitzlsperger, Khedira und Caucau zählen zu den Besten der Liga. Und ohne ?Super-Mario? sind die Schwaben noch schwerer auszurechnen. Zumal Manager Horst Held nicht wie von vielen erwartet den Sack voll Gomez-Millionen für einen Sensationsstürmer ausgeschüttet, sondern die Mannschaft mit Augenmaß verstärkt hat. Und dies nicht über Gebühr teurer, so dass auf dem Transfermarkt jederzeit nachgebessert werden kann.

Die prominentesten Neuzugänge sind Angreifer Pavel Pogrebnyak von Zenit Sankt Petersburg und Aliaksandr Hleb, der vom FC Barcelona zurück nach Stuttgart kam. Beides außergewöhnliche Fußballer. Im Arbeitszeugnis des Russen stehen nach gerade mal 180 Minuten Bundesliga ein Tor und ein Assist, das ist nicht schlecht. Und Hleb zeigte beim 2:0 der Schwaben beim FC Timisoara sein ganzes Können, als er ein Tor erzielte, dass man jederzeit nehmen könnte, um mit ihm auf eine einsame Insel auszuwandern. Einsame Klasse, wie er erst vier Gegenspieler frisch und anschließend den Torwart zum Statisten machte. ?Eigentlich sind wir Schweizer ja die besseren Skifahrer. Aber auch der Weißrusse kann gefährlich werden, wenn er Skier anzieht?, lobte anschließend Teamkollege Ludovic Magnin den genialen Slalomlauf.

Mit diesem Sieg bei der rumänischen Version der Nachspeise Tiramisu haben die Stuttgarter die Gruppenphase der Champions League so gut wie im Sack, in der Bundesliga sind sie nach der Auftaktniederlage bei Meister Wolfsburg zurück in der Spur. Im ?Derbyle? besiegten die Württemberger den badischen SC Freiburg mit 4:2. Nicht in stärkster Aufstellung, nicht besonders glanzvoll, sondern mit der Effektivität einer Spitzenmannschaft.

An der Strobelallee ist die Gemütslage eine andere. Zwar ist die Bilanz identisch, doch ist die Borussia nach dem mühsamen Auftaktsieg gegen Köln (bei dem ein Eigentor benötigt und ein Schützenfest verschenkt wurde) beim HSV mit 1:4 baden gegangen. Mit einer desolaten Vorstellung gegen einen zugegebenermaßen exzellenten Gegner. Jürgen Klopp wurde von seinen Mannen dazu gezwungen, Fehler mit anzusehen, die er längst überwunden glaubte. Auch deswegen ist gegen den VfB eine ?Reaktion? fällig, das abgedroschene Modewort sei mir verziehen. Diese Partie könnte ein Knackspiel werden, gibt sie doch Aufschluss darüber, ob die Mannschaft gefestigt genug ist, einen Rückschlag wie vom vergangenen Wochenende wegzustecken.

Beeinträchtigt wurde die Aufarbeitung der Tracht Prügel durch eine Ablenkung unter der Woche, die man genau als das betrachten sollte: eine Ablenkung. Zwar gab es mit dem 0:5 beim Jubiläumsspiel gegen Real Madrid ebenfalls eine Tracht Prügel, aber nur im Resultat. Die hochgetunte Mannschaft der Königlichen ist schließlich nicht irgendwer und war halt ein Gast, der die Geschenke vergessen hatte. Weder Ergebnis noch die bösen Schlagzeilen (?Blamage? ?Demontage?) spiegeln wider, was auf dem Rasen los war. Real spielte annähernd in Bestbesetzung, während Klopp munter durchwechselte. Und der BVB hielt lange gut mit und vergab einige feine Chancn, wurde dann von einem Sonntagsschuss ausgeknockt Und anschließend von einem weit besser bestückten Gegner ausgekontert. Das ist keinerlei Maßstab. Im Gegensatz zu den Fans, die sich einmal mehr als Weltmeister in ?Feiern, obwohl es nix zu feiern gibt? präsentierten und nach Spielende unserem verdienten Ex-Manndecker Christoph Metzelder vor der Südtribüne ein paar Gänsehaut-Minuten schenkten.


Diese Unterstützung - ohne die zwischenzeitigen ebenso überflüssigen wie dümmlichen Pfiffe vom Mittwoch - könnte helfen, damit gegen den VfB die erhoffte Trotzreaktion und ein Befreiungsschlag gelingen. In der Vorsaison glückte dies übrigens nach einer bösen 1:4-Klatsche in Hoffenheim gegen denselben Gegner mit 3:0 ganz manierlich.

Personell kann Jürgen Klopp gegen die Mannschaft aus seiner Geburtstadt leider weiterhin nicht aus dem Vollen schöpfen. Neben dem weiterhin verletzten und schmerzlich vermissten Kapitän Sebastian Kehl fällt vermutlich auch Markus Feulner aus. Für ihn kehrt wohl der fast schon nach Köln verkaufte Florian Kringe auf die Bank zurück. Eventuell steht Dede wieder in der Startelf, er würde der zuletzt doch bedenklich wackelnden Hintermannschaft bestimmt gut tun. Nach den jüngsten Leistungen wäre es sicher eine Überlegung wert, Neven Subotic eine schöpferische Pause zu gönnen und Mats Hummels neben Felipe Santana verteidigen zu lassen.

Doch das ist reine Spekulation - im Gegensatz zur Erkenntnis, dass der VfB Stuttgart nicht Real Madrid ist. Und der Hoffnung, dass der ?Badeunfall an der Elbe? ein einmaliger Ausrutscher war. Somit steht dem zweiten Heimsieg der Saison, es wäre zugleich der siebte in Folge, nichts im Wege. Und anschließend verabschieden wir uns freundlich und fair wie es sich für anständige Sportsleute gehört von Jens Lehmann. Es muss ja nicht gleich mit Gänsehaut vor der Südtribüne sein

 Uli Vonstein, 20. August 2009

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