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"Der mit der Bratwurst spricht" - Der Spieltag mit Nobby Dickel (I)

Foto: Guido Kirchner

Foto: Guido Kirchner

In der neuen Serie ?Der Spieltag mit...? begleitet die Kirsche Menschen, für die ein Heimspiel der Borussia ein ?ganz normaler? Arbeitstag ist. - Menschen die auf verschiedenste Weise dazu beitragen, dass am Spieltag alles reibungslos funktioniert. In Folge 1 wichen wir unserem Stadionsprecher, Netradio-Kommentator, Eventmanager und Helden von Berlin in Personalunion nicht von der Seite. Wir haben Norbert ?Nobby? Dickel beim Heimspiel gegen Werder Bremen den ganzen Tag lang begleitet.

Samstag, 3. April 2010, am Morgen in Schwelm

Nobby Dickel hüpft früh aus den Federn. Die erste Vorbereitung auf das kommende Spiel besteht aus der Bildzeitung und anderen Medien zum Frühstück. ?Hier lese ich immer noch letzte Infos zum Gegner und zum Spiel?, erklärt er, bevor es gegen Mittag auf den Weg nach Dortmund geht.

12:42 Uhr: Stadioneinfahrt unter der Westtribüne

Norbert fährt gut gelaunt am Stadion vor. ?Wir sehen uns im Presseraum.?, dann fährt er auf seinen Parkplatz.

12:49 Uhr: Presseraum unter der Osttribüne

Foto: Guido Kirchner

Foto: Guido Kirchner

Die Vorbesprechung für das Rahmenprogramm des Nachmittags beginnt. Norbert Labbuda, verantwortlich für das Stadion TV und trotz Firmensitz in Gelsenkirchen für den BVB am Ball, hat das Wort. Nobby Dickel, eingerahmt von Labuda und Markus Rejek von Sportfive, hat wie alle anderen Teilnehmer den Ablaufplan des Nachmittages vor sich liegen. Zusammen mit den rund 15 Sportfive-Mitarbeitern und dem Team von ?Fanomenal?, das Nobbys Idee war, wird alles durchgegangen. Minutiös ist das Vorprogramm geplant: 15:18:40 Uhr Begrüßung der BVB-Fans, 15:19:50 Uhr You'll never walk alone, 15:24:10 Uhr die Aufstellung des BVB. Nichts soll dem Zufall überlassen werden und doch spielen Dinge die man kaum beeinflussen kann, dem Team manchmal gegen den Strich. So wie beim letzten Heimspiel gegen Leverkusen, als sich Spieler und Schiedsrichter etwas zu lang Zeit ließen und so ?I came for you? von den Discoboys wie eine Endlosschleife lief.

?Das ging selbt uns auf die Nerven?, erklärt Rejek. Man hat gehandelt und das neue Stück ?Herzschlag? vor die Partymusik geschaltet und diese so auf eine Minute begrenzt. Perfektionismus ist wichtig bei einem Rahmenprogramm, das Sponsoren zufrieden stellen und gleichzeitig die Fans unterhalten und in Stimmung bringen soll.

Foto: Guido Kirchner

Foto: Guido Kirchner

Nobby fragt bei mehreren Programmpunkten nach, schlägt kleine Korrekturen vor und vermisst einen Beitrag über das Promikochen mit Sebastian Kehl und Roman Weidenfeller. In solchen Momenten ist dem Mann, der im Netradio frei nach Schnautze redet, Kontrolle eminent wichtig. Und doch lebt die Fanseele weiter:?Ich will jedes Tor für die Bayern auf Schalke auf meinem Ohrstöpsel mitgeteilt kriegen und sofort auf der Anzeigetafel angezeigt.? Nobby weiß, was die Fans im Stadion und Netradio-Hörer wollen, weil er genauso denkt.

Alles was eigentlich wie Routine wirkt, wird gelegentlich auf den Prüfstand gestellt. So wird die Begrüßung der Fans vor den Gassenhauer You'll never walk alone gestellt, um die Stimmung des Liedes und die Begeisterung der stehenden Sitzplatzzuschauer mit zur Mannschaftsaufstellung zu tragen. ?Das Lied ist ein Moment, in dem das ganze Stadion steht und auch die Sitzplatzzuschauer mitmachen? erklärt Nobby die neue Reihenfolge. Man merkt ihm die Vorfreude auf einen noch lauteren Wiederhall bei der Aufstellung an. ?Leider machen besonders die Fans in Block 12 und 13 bei You'll never walk alone nicht mehr so mit?, ergänzt er doch etwas missmutig. Er weiß selbst, dass er es nie allen Recht machen kann und doch versucht er, möglichst viele zufrieden zu stellen. ?Manche Fans sind aber dann doch nie glücklich zu machen. Sie lehnen die Kommerzialisierung ab, wollen keine Werbung auf Banden und der Anzeigetafel, aber trotzdem einen Spieler à la Maradonna auf dem Platz stehen sehen.? Der Stadionsprecher und Fan hat die Regeln des Marktes verstanden und auch wenn er selbst nicht immer glücklich mit ihnen ist, beugt er sich den finanziellen Zwängen.

?Natürlich liegt es mir oft auf den Lippen, die Fans im Westfalenstadion zu begrüßen und nicht im Signal Iduna Park, aber letztendlich hat auch dieses Geld den Verein am Leben gehalten.?

13:20 Uhr: Auf dem Weg zum Strobels

Foto: Joel Kunz

Foto: Joel Kunz

Eine Tradition hat seit elf Jahren Bestand: Vor dem Spiel isst Nobby mit Freunden und Kollegen eine ?Siegerwurst?. Früher wurde nach jeder Niederlage die Wurstbude gewechselt, nun fühlt man sich fest vor dem Strobels heimisch. ?Hier schmeckt es einfach am Besten?, bestätigt Nobby.

Der kurze Weg vom Stadionausgang zum Wurststand dauert für den Helden von Berlin weitaus länger als für den normalen Fan. ?Nobby, was gibt?s heute?? ruft ein älterer Fan ihm zu. ?Ich hoffe einen Sieg? lautet die optimistische und doch diplomatische Antwort. Fans jeden Alters bitten um ein Autogramm oder ein Foto. Nervt das manchmal? ?Nein? entgegnet Nobby bestimmt, was man dem Stadionsprecher, den jeder Borusse von Natur aus zu duzen scheint, sofort abnimmt. Es wirkt nicht wie eine auswendig gelernte Alibiantwort, sondern so wie Nobby auch ist: Ehrlich. Er reißt sich sicher nicht darum, Fotos zu machen, aber er weiß auch, dass die Fans ihn erst zum ?Held von Berlin? gekrönt haben und er ihnen viel zu verdanken hat.

?Immerhin fragen diese Fans lieb? ergänzt Markus Rejek lächelnd ?oft kommen sie auch einfach an , reißen Nobby ungefragt an der Schulter und rufen nur ?Los Foto!??. Auch so etwas muss man wohl ertragen. Sehr am Herzen liegt Nobby sein Freund Tom aus Castrop-Rauxel. Seit Jahren kommt er nur für die Bratwurst zum Stadion und fährt danach, ohne das Spiel gesehen zu haben, wieder nach Hause.

Foto: Joel Kunz

Foto: Joel Kunz

Heute ist er nicht da. Das Spiel gegen Bremen verpasst er wegen eines Urlaubs. Für Nobby direkt ein schlechtes Vorzeichen, wenngleich ansonsten alles seine geregelten Bahnen hat: ?Nicht zu viel Senf? lautet die SMS von Tom. Und tatsächlich bestellt Nobby für seinen nicht anwesenden Freund eine Wurst mit, die auf dem Tresen liegen bleibt. Und auch seine eigene Wurst isst er nicht, eine Stoffwechseldiät untersagt den Fleischgenuss. Harte Momente für den Wurstliebhaber, der die beiden bestellten Würste auf der Theke nicht ganz unbelassen lässt, denn er spricht mit ihnen:

?Das letzte Mal, dass du hier alleine liegst. Du hast uns beim letzten Spiel auch nicht im Stich gelassen, also liebe Wurst: Gib alles heute. Tom, du bist heute auch nicht hier. Wir zwei liegen hier einfach rum auf der Theke, aber ich denke gemeinsam sind wir stark und wir werden das schon irgendwie hinkriegen. Das nächste Mal musst du natürlich wieder da sein.? Manch anderen würde man für sowas sicherlich für verrückt erklären, Nobby ist dagegen diese positive Art von verrückt, die die Fans in Dortmund lieben. Selbst wenn es noch so unwahrscheinlich ist, dass ein Gespräch mit zwei Bratwürsten die Siegchancen der Borussia erhöht, der Versuch die Gunst höherer Mächte zu erringen soll es wert sein.

13:30 Uhr: Auf dem Weg zum Golfareal

Foto: Joel Kunz

Foto: Joel Kunz

Die kurze Frage, wie Nobby mit Kritik umgeht, reicht aus, dass es energisch aus ihm heraussprudelt: ?Ich bin kein Patriarch, ich will das alles gar nicht bestimmen. Aber da sage ich: Kommt doch zu mir und sagt mir, was ihr wollt. Jeder der mich kennt, auch Jens Volke, der anfangs Kritik geäußert hat und sich hinterher entschuldigt hat, weiß, dass ich fast alles mache, was unsere Fans wollen. Aber es gibt gewisse Dinge, die kann man nicht machen.? Während er spricht wandelt sich seine Stimme von leichter Wut zur Suche nach Verständnis für die Schwierigkeiten seines Jobs: ?Du kannst keine Werbung ausschalten, es gibt Dinge die musst du durchziehen, ob es jemandem passt oder nicht.? Gerade im Auftritt von ?Germany's next Topmodels? entzündete sich die Wut vieler Fans, die sich fast komplett auf ihm entlud: ?Es dauerte, bis ich irgendwann mal sagen konnte, dass das alles verkauft war und ich das erst am Spieltag mitbekommen habe. Da habe ich gesagt: Wie Heidi Klum ist bei uns? Klar freut man sich wenn Heidi Klum neben einem steht, aber das war einfach verkauft. Auch Blue Men Group haben viel Geld gezahlt und einen hohen Betrag für unsere Jugendabteilung gespendet. Da darf ich nicht ?Nein? sagen. Und vielen hat es auch gefallen.?

Foto: Joel Kunz

Foto: Joel Kunz

Man merkt, dass man in vielen Situationen nicht in Nobbys Haut stecken möchte, in denen er zwischen den Stühlen der Fan- und der Sponsoreninteressen steht. Und doch hat er für Kritik ein offenes Ohr, solange man sie ihm gegenüber persönlich äußert. Wütend machte ihn der Beitrag eines Nutzers in einem großen Fanforum, der ihn auf übelste Weise heruntermachte. Nobby reagierte und antwortete mit einer persönlichen Mail und lud den Kritiker zu einer Vorbesprechung in den Presseraum ein. Danach erkannte dieser die Schwierigkeiten von Nobbys Job und entschuldigte sich reumütig: ?Leider sind das Einzelfälle, viele nutzen die Anonymität der Foren schamlos aus. Ich würde mich gerne mal mit den schlimmsten Kritikern an einen Tisch sitzen.?


, 12. April 2010

Im zweiten Teil unserer Serie werden wir euch über Nobbys Golfleidenschaft berichten, seine Vorbereitung kurz vor dem Spiel und warum er heute noch über Jürgen Drews lachen kann. Weitere Bilder findet Ihr in der

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