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Stadionsprecher, Eventmanager, Kommentator, Golfspieler, Held von Berlin – Der Spieltag mit Nobby Dickel (II)

Als Stadionsprecher wird man nicht geboren. Nachdem wir über Nobbys Rituale vor dem Spiel und seinen Umgang mit Kritik berichtet haben, fokussieren wir im zweiten Teil unseres Serienauftaktes ?Der Spieltag mit..? den Werdegang des Stadionsprechers und die letzte Vorbereitung auf den Anpfiff vor dem Spiel gegen Werder Bremen.

13:35 Uhr: Golfareal in der Süd-Ost Ecke.

Der Golfsport ist Nobbys zweite große Leidenschaft neben dem Fußball. Der Golfclub ?GOFUS- Golf und Fußballer? ist sein Steckenpferd, das 2001 von ihm mit dem Betreiber der Anlage in Felderbach/Sprockhövel gegründet wurde. Auf dem dortigen Green spielen ehemalige und aktive Profis wie Sebastian Kehl, Stefan Beinlich, Thomas Helmer und Oliver Reck, aber auch Prominente wie Joachim Król, Jan-Josef Liefers oder Piet Klocke. Sie alle haben Spass bei der Sache, aber es kommt auch Geld für sozial benachteiligte Jugendliche zusammen. ?In den letzten eineinhalb/zwei Jahren haben wir über zwei Millionen Euro in Bolzplätze gesteckt.? erklärt Nobby etwas stolz.

Er unterbricht sich selbst, weil die Zugangstür zum Fahrstuhl der zum Golfareal führt, abgeschlossen ist. ?Das darf nicht sein, wir haben heute viele Gäste? bekommt der Fahrstuhlwärter es zu hören. In einer Sekunde schaltet sich im Kopf der Schalter vom Golfer Dickel wieder zum Eventmanager Dickel um.

Das Golfareal, in dem man virtuell Abschläge üben kann und auf einem künstlichen Green putten, wird von seiner Frau Annette geleitet. Der geborene Berghausener, der im kommenden Jahr 50 wird, weiß es zu schätzen, dass seine Frau in seiner Nähe arbeitet. ?Auch wen wir uns trotz naher Arbeitsplätze unter der Woche tagsüber selten sehen, könnte ich ohne den Rückhalt meiner Frau diesen Job sicher nicht so machen. Auch wenn sie körperlich klein ist, ist sie mir ein großer Rückhalt.?


Ein Kuss für die Frau, die Begrüßung der privaten Gesellschaft, die eine Kunststofffirma geladen hat, dann muss er aber doch noch ein paar Abschläge üben. Das Knie, das ihn nach 90 Bundesligaspielen mit 40 Toren für den BVB und zehn Pokalspielen mit sieben Toren, von denen zwei 1989 in die Geschichte eingingen, zum Karriereende zwang, behindert ihn dabei noch immer. Nervt es eigentlich, wenn man immer wieder auf das Pokalfinale angesprochen wird? ?Ich weiß, was dieses Spiel für meine Karriere bedeutet hat und für den Verein. Mittlerweile habe ich gefühlt auch schon mit jedem, der damals in Berlin im Stadion war, über das Spiel gesprochen? schmunzelt er. 168 Meter schlägt er in seinem besten Versuch an diesem Tag ?Nicht schlecht, aber da ist durchaus besseres möglich? lautet das selbstkritische Fazit.

Ohne etwas gegessen zu haben will Nobby dann doch nicht an das Mikrofon treten. Etwas Salat mit Fisch muss reichen, der Stoffwechseldiät sei Dank. Am Tisch fängt Nobby das erste Mal an diesem Tag an, ernsthaft über das Spiel gegen Werder Bremen zu sprechen. Die Stadionzeitung vor Augen zitiert er Statistiken, die er später im Netradio verwenden könnte: ?Viele Tore fallen über die linke Bremer Abwehrseite, die Boenisch-Seite. Marin,Özil,Hunt, das ist für mich ein überragendes Offensivtrio. Bei den Kopfballduellen haben die ersten vier bei Werder einen Wert über 70 Prozent, das hat bei uns keiner.? Obwohl es nur noch rund zwanzig Minuten sind, bis Nobby laut Ablaufplan das erste Mal über die Stadionlautsprecher zu hören sein wird, isst er ruhig seinen Salat auf und spricht geduldig über seinen Werdegang nach dem Karriereende. Nach einem Jahr im Vertrieb einer Maschinenbaufirma arbeitete er ein weiteres Jahr bei Nike und machte sich dann drei Jahre selbstständig im Küchengeschäft. Gerhard Niebaum kam bereits 1991 einfach auf Nobby zu und sagte: ?Du machst jetzt den Stadionsprecher.? Völlig entgeistert antwortete dieser damals ?Das habe ich doch noch nie gemacht.? Doch Niebaum schenkte ihm das Vertrauen und sagte: ?Ich bin sicher, du kannst das.? Nach einem halben Jahr Eingewöhnung mit Bruno ?Günna? Knust war er dann plötzlich ab 1992 alleiniger Stadionsprecher im Nebenberuf. Ende 1995 ging es dann Vollzeit zurück zum Verein. Aus heutiger Sicht glücklicherweise zerstritt er sich damals mit den Teilhabern des Küchenstudios und wurde von Dr. Niebaum gefragt, ob er nicht Lust habe, wieder komplett für den BVB zu arbeiten. Ein Angebot, dass er nicht ablehnen konnte.

Unter der Woche besteht sein Alltag vor allem aus der Sponsorenfindung und -bindung in enger Zusammenarbeit mit Sportfive. Dabei hat er zu manchen Unternehmen bessere Kontakte als die Marketing-Profis selbst. Trotzdem sind die Aufgabengebiete so vielfältig, dass er selbst keine genaue Zahl nennen kann, wie viele es dann nun wirklich sind. Auf jeden Fall bekommt er viele Mails und viele davon sind auch mehr als kurios. Von Heiratsanträgen bis hin zur Bitte um Geschenke für Bekannte und Spielerbesuche zu Geburtstagen ist alles dabei.

Schlecht gelaunt ist er dabei, gerade an Spieltagen, nie. ?Ich muss mich nicht aufheitern, ich bin einfach ein positiver Mensch und immer gut gelaunt? bestreitet Nobby, dass es sicher auch mal Tage gibt, an denen er sich aufraffen muss. Einmal war er nach eigenen Aussagen in seinen 18 Jahren als Stadionsprecher erst krank, da aber richtig.


Herzlich lachen kann er über Jürgen Drews, der, viele werden sich erinnern, vor einigen Jahren vor der Südtribüne auftrat und gnadenlos ausgepiffen wurde. ?Er meinte zu mir er brauche weder Bildschirm noch Kopfhörer, er wäre Profi. Da habe ich gesagt: Okay, dann mach das, ich habe es dir angeboten.? Er lacht und immitiert die wütende Stimme eines Fans: ?Nobby, bist du bekloppt? Schick den gelifteten Arsch aus meinem Stadion.? Plötzlich hüpft er auf: ?Wir müssen los.? Auch wenn er noch so in Gespräche vertieft ist, die Uhr ist immer im Blick, denn als Stadionsprecher mit genau geplantem Zeitplan dürfen Verspätungen nicht vorkommen.

14:20 Uhr: Eventbühne an der Süd-West Ecke

Die sogenannte ?Eventbühne? wurde anlässlich der WM 2006 gebaut. Bis dahin hatte Nobby seinen Platz zwischen den Trainerbänken, wäre aber durch die Umbauten näher an die Gästebank herangerückt, was der oft impulsiven Wortwahl im Netradio wegen nach hinten hätte losgehen können. Also ist die sponsorenfinanzierte Bühne neben dem Rasen sein zu Hause.

Schnell verkabelt geht es bereits wenige Minuten später das erste Mal auf Sendung. Auf seinen Tisch sind Aufstellungen und Statistiken zum Spiel geklebt, die für das Netradio nützlich sein können.

Zwischendurch kommt ein kleiner Junge auf die Bühne und zeigt ein Foto eines ehemaligen Nachbarn Dickels aus dem Geburtsort Berghausen im Siegerland. Nobby blickt erfreut zu dem Jungen hinab, er hat auch seine Wurzeln nicht vergessen und erinnert sich sofort. Begegnungen wie diese gibt es zu Hauf an einem ganz normalen Tag und ohne ein gemeinsames Foto und ein Autogramm enden sie meist nicht. Eigens dafür hat Nobby immer einige seiner alten Autogrammkarten mit dabei.

Die ersten Programmpunkte werden routiniert abgearbeitet und auch Aki Schmidt bekommt noch ein Kompliment über den internen Funk ins Ohr: ?Deine Stimme höre ich doch immer gerne.?


Nobby hat Respekt vor der fast 75jährigen BVB-Ikone. Ob er selbst in dem Alter noch im Stadion arbeiten möchte oder längst in Rente sein? ?Ich mache solange, bis die Leute mein Gesicht nicht mehr sehen wollen.? Das wirkt nicht als Drohung, sondern als Offenbarung, dass er ein Gespür dafür hat, wann es Zeit sein könnte, aufzuhören. In jedem Fall wird er noch viele Jahre Zeit haben.

15:10 Uhr: Rasen des Westfalenstadions

Der Anpfiff naht, die Spannung auf den Tribünen steigt ob des wichtigen Spieles um die Qualifikation zum Europapokal. Nach einer kurzen Ehrung der Sieger des Brinkhoff's Cups steht Nobby nun vor der Südtribüne, die Aufstellung steht an.

Trotz 1,86 Metern Körpergröße wirkt er winzig vor der größten Stehplatztribüne Europas. Trotz jahrelangem Alltag blickt man immer noch einem ehrfürchtigen Stadionsprecher in die Augen. Er hat Respekt vor dem, was er vor sich hat und beschreibt die Geburtstagschoreografie vom 19. Dezember vergangenen Jahres als großen Gänsehautmoment.

Das Hubschraubergeräusch, die ausgebreiteten Arme vor der Laola-Welle, die Aufstellung beginnend ?Mit der Nummer 1 ? Roman ? WEIDENFELLER?. Routine bei jedem Heimspiel und doch jedes Mal neu für den Stadionsprecher. Und doch fehlt etwas in den letzten Spielen: Die Welle mit den Fans, die diese für gewöhnlich mit lauten ?Wir singen Norbert, Norbert, Norbert Dickel, jeder kennt ihn, den Held von Berlin?-Sprechchören einforderten. Man kann hoffen, dass dies nicht vergessen wurde und in den nächsten Spielen wieder seinen berechtigen Platz findet. Der Held von Berlin würde das zwar nie selbst einfordern, aber man merkte ihm immer an, dass er sich über die Bekundungen freut.


, 12. April 2010

Im dritten und letzten Teil erfahrt ihr, wie die 90 Minuten an unserem Stadionsprecher vorübergehen, warum der sonst bedeutungslose Nürnberger Profi Adebowale Ogunbure nicht vergessen werden wird und wie Arnd Zeigler dem ansonsten strahlenden Sieger Nobby doch noch eine Niederlage zufügt. Weitere Bilder findet Ihr in der


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