gib mich die Kirsche - BVB und Fußball-Fanzine

Magazin für Freunde des Fußballs und seiner Kultur

Wir über uns

 | 

Impressum
Home
Gelbfieber
Konferenz
Smalltalk
Abgegrätscht
Freier Raum
Kirsche-Shop
< April 2010 >
Mo Di Mi Do Fr Sa So
  1 2 3 4
5 6 7 8 9 10 11
12 13 14 15 16 17 18
19 20 21 22 23 24 25
26 27 28 29 30  

Nationalelf:

REVIER-Kolumne:

Redaktionssitz:

Aufstiegsaspirant Aue siegt ohne Mühe

Aus dem Stadion Rote Erde berichtet Rutger Koch

Gegen Erzgebirge Aue setzte es für Borussias Reserve eine bittere, aber letztlich verdiente Niederlage. Die Schneider-Elf gerät immer weiter in den Abstiegsstrudel, denn die dritte Pleite in Serie war zugleich die sechste in sieben Spielen.

Nachdem man sein Gastspiel bei Dynamo "Wir stechen euch ab, ihr Wessi-Schweine" Dresden verloren und sich kurz darauf im Weißwurstland ein Klatsche vom "Mir san mir-Nachwuchs" eingefangen hatte, stand heute das dritte Spiel innerhalb von sieben Tagen an. Der Druck auf Dortmunds Reserve war groß und zu allem Überfluss gab ausgerechnet Aufstiegsaspirant Aue ein Gastspiel an der Strobelallee. Drei Zähler trennten Borussia II vor dem Anpfiff vom rettenden Ufer. BVB-Trainer Theo Schneider deklarierte die Begegnung daher im Vorfeld als Abstiegs-Endspiel.

Da der Ball nun nach zwei Auswärtsspielen endlich wieder im heimischen Stadion Rote Erde rollen würde, der DFB es ausnahmsweise nicht geschafft hatte, die Begegnung parallel zu einem Spiel der ersten Mannschaft anzusetzen, die "Zweite" im Hinspiel ein respektables Remis erkämpft hatte und die lila Truppe aus dem Erzgebirge nur von Platz 17 der Auswärtstabelle grüßte, waren die gut 1250 Borussen vor dem Spiel ähnlich optimistisch wie die knapp 150 mitgereisten Schlachtenbummler aus den nicht mehr ganz so neuen Bundesländern. Deren Mannschaft verlor von den letzten acht Spielen nur ein Einziges.



Die schwarz-gelbe Mehrheit unter den Zuschauern war außerdem guter Dinge, weil Aue-Torwart Männel - Nomen est Omen - ungefähr genauso groß ist wie Aue-Spielmacher Skerdilaid Curri. In Tribünengesprächen wurde spekuliert, ob er ohne Räuberleiter an die Latte kommt. Die Zeit sollte zeigen, ob der Schlussmann über sich hinauswachsen würde.

Ein Blick auf die Mannschaftsaufstellungen offenbarte gleich fünf personelle Änderungen beim BVB im Vergleich zum letzten Spiel: Im Tor musste Focher für Höttecke Platz machen, außerdem blieben Koch (trainiert wegen "angeschlagenem Owo" mit den Profis), Hünemeier (Bänderriss im Sprunggelenk), Kandziora und Marcel Großkreutz draußen. Dafür schickte Schneider Neumeister, Evers, Nottbeck und Kullmann ins Rennen.



Halb Sieben. Der BVB-Anhang sang sich warm. Kapitän Hille führte den in Auswärtstrikots ausstraffierten Borussennachwuchs auf den Rasen. Die Schwarz-Gelben bildeten vor der Partie einen verschworenen Kreis. Die Auer standen nur so rum. Wie lila Kühe auf der Weide. Schiri Eduard Beitinger blähte die Backen. Anpfiff. Anstoß. Die erste Aktion gehörte dem BVB. Sebastian Tyrala schoss Schlussmann Männel mit einem harmlosen Freistoß warm.

Direkt danach wurde schnell sichtbar, welches der beiden Teams aufsteigen und welches nicht absteigen will. Es saßen noch nicht alle mit Bratwurst auf den Bänken, da stand es schon 0:1. Nach dem ersten Eckball für die Gäste konnte Höttecke einen strammen Schuss von Curri noch parieren. Die daraus resultierende zweite Ecke wurde von Hensel zu Eric Agyemang verlängert und der schob nach nur sieben Minuten aus fünf Metern freistehend ein. Nach langer Zeit jubelte Bashiru Gambo mal wieder in der altehrwürdigen Roten Erde. Leider nicht in schwarz-gelb, sondern im lila Leibchen.

Und das Wiedersehen mit dem in Dortmund um die Jahrtausendwende hoch gehandelten Ghanaer sollte noch ärgerlicher für die BVB-Fans und noch abträglicher für die Nichtabstiegshoffnungen werden. Nach etwas Kampf und Krampf eröffnete sich Christopher Kullmann die erste Mini-Chance für den BVB. Sein Lupfer war allerdings selbst für Aues Keeper Männel zu niedrig geraten. Im Gegenzug stand Torschütze Agyemang plötzlich völlig frei vorm Kasten. Seinen Schuss konnte Höttecke nicht festhalten und der Ball sprang Jan Hochscheidt vor die Füße. Der Stürmer verwandelte eiskalt ins rechte Eck. 0:2 nach 20 Minuten - das saß. Nur drei Zeigerumdrehungen später verhinderte BVB-Verteidiger Neumeister in letzter Sekunde einen schnellen Doppelpack von Aues Hochscheidt.

Dortmund wirkte geschockt. Trainer Theo Schneider reagierte und brachte Daniel Ginczek für Cihan Kaptan. Die Borussia kämpfte sich ins Spiel und suchte mit einem Stürmer mehr ihr Heil in der Offensive. Tyrala versuchte es aus der Distanz, scheiterte aber an Männel. Bis zur Pause erlebten die 1406 Zuschauer die beste Phase des BVB. Nach exakt einer halben Stunde markierte Ginczek in "seiner" sechsten Spielminute den umjubelten Anschlusstreffer. Dortmunds Nummer Neun hatte sich an der Strafraumkante ein Herz gefasst und unhaltbar eingeschossen. Dortmund spielte jetzt munter mit. Gruselig wurde es nur noch einmal, als Erdnuckel Curri 18 Meter vor dem Tor ein Kopfballduell gewann. Zwei ältere Tribünengäste sagten gleichzeitig "Da geht noch was". Mit diesem Gefühl ging es in die Pause.

Halbzeit - Kurz-Interview mit BVB-Jugendkoordinator Lars Ricken:

Lars, wie beurteilst du das Spiel in der ersten Halbzeit?

Man hat die Tabellenkonstellation im Spiel sehen können. Die Auer spielen um den Aufstieg mit und haben eine gute Mannschaft. Wir waren am Anfang nervös und fahrig, sind nicht gut ins Spiel gekommen und hatten wieder das Problem das wir schnelle Gegentore bekommen und dann schon früh hinterherlaufen. Später haben wir das Spiel einigermaßen offen gestalten können, weil die Auer nach dem 2:0 wahrscheinlich auch einen Gang zurückgeschaltet haben. Theo Schneider hat mit Daniel Ginczek die richtige Einwechslung getätigt. Wir waren danach offensiver ausgerichtet und Daniel hat dann ja auch schnell das 1:2 erzielt. Jetzt hoffen wir, dass wie aus dem Spiel noch was rausholen können.



Was muss in der zweiten Halbzeit passieren, damit der BVB einen Punkt hier behält oder sogar die Chance bekommt, das Spiel noch zu drehen?

Wir müssen in Situationen kommen, in denen wir die Abwehr der Auer unter Druck setzen. In der Innenverteidigung haben sie heute Probleme und ihr Torwart ist sehr klein. Wir haben viele kopfballstarke Spieler in unserer Mannschaft und müssen einfach hoffen, dass wir aussichtsreiche Standardsituationen bekommen oder uns auf den Außenbahnen durchsetzen um dann zu flanken. So können wir uns Möglichkeiten erarbeiten. Allerdings ist Erzgebirge nach vorne brandgefährlich, sie verfügen über Offensivspieler, die sehr gut kicken können und hätten bis jetzt auch gut ein Tor mehr machen können. Wir müssen also die richtige Mischung zwischen defensivem Denken und offensivem Spiel finden.

So sahen es viele: Die Dortmunder Angreifer sind groß. Der gegnerische Torwart ist klein. Also mehr über die Außen spielen und das Ding noch drehen.

Aber erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt. Die zweite Halbzeit zeigte, was schon in den ersten 45 Minuten oftmals zu sehen war. Borussia II versuchte es zu oft durch die Mitte und machte sich dabei mit ungenauen Anspielen das Leben schwer. Die favorisierten Erzgebirgler verfügten über die reifere Spielanlage und stellten die heimische Abwehr um Jörn Neumeister und Lasse Sobiech immer wieder mit Steilpässen vor große Probleme. Nach nur fünf Spielminuten in Durchgang Zwei hat der BVB großes Glück, dass Ex-Borusse Gambo nach Pass von Curri knapp im Abseits stand.

Die Männer in Lila spielten ihre Überlegenheit aus und erarbeiteten sich eine Chance nach der anderen. Borussia betrachtete das gegnerische Tor über weite Strecken aus der Ferne. Einen Pressemann aus dem Erzgebirge störten die Dortmunder Fangesänge: "Wir wollen euch siegen sehn - das ist doch ein Witz!" Abwarten, werter Kollege. Wer zuletzt lacht, lacht am besten.

Und wer lacht am besten? Er lacht am besten. Nachdem Aue nach einer knappen Stunde erst noch eine Doppelchance versiebt hatte, traf der stark aufspielende und nach einem Lattenabpraller sträflich allein gelassene Skerdilaid Curri in der 60. Spielminute zum 1:3 für Aue. Das war die Entscheidung. Schneider brachte noch den dribbelstarken, aber zu oft ballverliebten Yasin Öztekin für Sebastian Hille und Marco Stiepermann für Marcus Piossek, doch der BVB-Reserve fehlte weiterhin die Ordnung im Spiel nach vorn.

Sieben Minuten vor Schluss vergab Kullmann die einzige nennenswerte Chance für Borussia in der zweiten Halbzeit, als er eine schöne Öztekin-Hereingabe kurz vor dem Fünfmeterraum nicht im Tor unterbringen konnte. In dieser Szene glänzten seine Schuhe leider mehr als er.

In den Schlussminuten versuchte sich Dortmunds Lukas Nottbeck noch einmal aus der zweiten Reihe und man erspielte sich noch einen Eckball. Insgesamt musste Aue-Keeper Männel aber in den zweiten 45 Minuten nur 4 Bälle halten und so ging ein Spiel zu Ende, in dem die (lila) Trauben für die Borussen zu hoch hingen.

Auf Seiten des BVB ragte kein Spieler heraus. Gefährlichster Spieler war nicht nur wegen seines zwischenzeitlichen Anschlusstreffers Daniel Ginczek. Erzgebirge Aue hatte in Jan Hochscheidt, Eric Agyemang und Skerdilaid Curri seine besten Akteure. Auch der augenscheinlich kleine Männel wurde ganz groß, wenn er gefordert war.

Die Sachsen bleiben ein Top-Favorit im Kampf um den Aufstieg und der Zweitvertretung von Borussia Dortmund bleiben nur noch fünf weitere Partien, um den Abstieg abzuwenden. Dabei werden die Spieler die gleiche Ausdauer an den Tag legen müssen wie ihre Anhänger, die ihr Team auch heute neunzig Minuten lang mit Gesängen und Fahnen-Choreo unterstützten. 

Stimmen zum Spiel

Rico Schmitt:  Wir wollten heute versuchen, den Gegner mit unserem robusten Spiel zu beeindrucken und schon in der ersten Halbzeit für klare Verhältnisse zu sorgen. Nach der Zweitoreführung haben wir dann nachgelassen und sind etwas eingebrochen. Da hatte ich den Eindruck, dass sich der eine oder andere Spieler schon zu sicher war. Dann bekommen wir das Tor. Da mussten wir nochmal alles mobilisieren. Und das habe ich auch in der Kabine gesagt. Wir durften nicht denken, das Ding sei im Kasten. Ich wusste, dass die Dortmunder nochmal alles versuchen werden. Wir konnten dann wieder unsere Zweikampfstärke und unsere spielerische Klasse ausspielen, haben uns weitere Chancen erarbeitet, getroffen und den Dortmundern heute so den Zahn gezogen. Meinem Kollegen Theo Schneider wünsche ich für die anstehenden Spiele alles Gute.

Theo Schneider: Wir mussten heute in der Viererkette auf zwei Positionen umstellen. Insbesondere in der Anfangsphase, in den ersten fünfzehn Minuten, hatten wir enorme Probleme. Wir sind relativ früh in Rückstand geraten und das hat dann auch nicht zur Sicherung beigetragen. Von daher war es fast schon zwangsläufig, dass wir in dieser Phase, in der es hinten überhaupt nicht passte, weiter in Rückstand geraten sind. Danach hat die Mannschaft eine Reaktion gezeigt. Wir sind zurück ins Spiel gekommen. Wir haben viel riskiert, haben Daniel Ginczek schon nach 20 Minuten vorne rein gestellt und dann auch relativ schnell das 1:2 erzielt. Dann hatten wir eine richtig gute Phase bis zur Halbzeit, in der wir hinten wesentlich besser standen, Druck ausgeübt haben und drauf und dran waren, noch vor der Halbzeit den Ausgleich zu erzielen. Enttäuscht bin ich über den Verlauf der zweiten Halbzeit, weil wir uns sehr viel vorgenommen hatten. Ich habe der Mannschaft in der Pause gesagt, dass wir versuchen müssen, unsere beiden Spitzen ins Spiel zu bringen, versuchen müssen, Risiken einzugehen und das Mittelfeld zu überspielen, auf die zweiten Bälle zu gehen. Aber wir haben das nicht umgesetzt. Wir haben weiter quer gespielt. Wir haben dadurch, dass Aue die Räume im Mittelfeld sehr eng gemacht hat, nicht den richtigen Weg gesucht und haben damit die Gelegenheit verspielt, nochmal Druck zu entfachen. Man muss wirklich sagen, dass hier mit Aue heute eine Mannschaft angetreten ist, die von allen Gegnern mit am stärksten agiert hat. Sie waren sehr ballsicher und uns in vielen Bereichen überlegen. Dieser Unterschied war dann vor allem in der zweiten Halbzeit erkennbar. Ich hatte gehofft, dass wir heute punkten. Jetzt sind wir in der Situation, dass wir von den letzten fünf Spielen mindestens drei gewinnen müssen. Die Aufgabe wird immer schwieriger, aber wir werden Kräfte sammeln und versuchen, das Unmögliche möglich zu machen, es irgendwie noch zu schaffen.

Marcel Höttecke: Es sind noch viele Punkte zu verteilen. Wir haben nur drei Punkte Rückstand auf Werder Bremen. Da ist noch alles drin. Aber wir müssen endlich damit aufhören, uns Woche für Woche von unseren Gegnern vorführen zu lassen. Ich verstehe nicht, warum wir uns immer wieder selber Tore ins Netz legen. Heute haben wir nur zwei gelbe Karten kassiert. Das ist im Abstiegskampf zu wenig. Uns fehlt die nötige Gier.

Kurzinterview mit Daniel Ginczek:

Daniel, dein Fazit zum Spiel - warum hat's heute nicht geklappt? War der Gegner zu stark?

Wir wussten vorher, dass die Auer eine starke Mannschaft haben und auch nicht umsonst oben stehen. Aber im Hinspiel haben wir einen Punkt geholt und hatten uns heute viel vorgenommen. Ich denke, das frühe Gegentor hat den Ausschlag gegeben. Danach sind wir etwas eingebrochen und kriegen direkt das Zweite. Dann wird es grade gegen so ein Gegner schwer. Dann kommen wir durch das 1:2 nochmal ran, sind dann, wie so oft in dieser Saison, die bessere Mannschaft. Aber vorne fehlt uns ein bisschen die Durchschlagskraft und der endgültige Wille, das Tor zu machen. Kann man jetzt nicht mehr ändern. Jetzt haben wir noch fünf Spiele. Fünf Endspiele. Wir müssen im nächsten Spiel die Serie starten, was wir uns eigentlich schon heute vorgenommen hatten.

Woran hat es Deiner Meinung nach gelegen, dass ihr in der zweiten Halbzeit zu wenig vors Tor gekommen seid?

Das ist direkt nach dem Spiel schwer zu sagen. Wir werden das analysieren. Wir haben viele hohe Bälle gespielt, es kamen auch viele durch und ein paar Chancen hatten wir dann ja noch. Es war ja nicht so, das wir jetzt gar nicht mehr durchkamen. Wir müssen in den nächsten Spielen die ein, zwei drei guten Chancen, die sich uns bieten, besser nutzen. Oder besser einfach noch mehr Chancen herausspielen.

Aufstellungen:

BVB II: Höttecke, Evers, Sobiech, Neumeister, Vrzogic, Nottbeck, Piossek (71. Stiepermann), Tyrala, Kaptan (24. Ginczek), Hille (63. Öztekin), Kullmann

Erzgebirge Aue: Männel, Kos, Paulus (14. Hiemer), Klingbeil , Birk, Hensel, Sven Müller, Gambo (69. Stark), Hochscheidt, Curri, Agyemang (55. Glasner)

Statistik:

0:1 Agyemang (7.)
0:2 Hochscheidt (20.)
1:2 Ginczek (31.)
1:3 Curri (58.)

Zuschauer: 1406
Schiedsrichter: Eduard Beitinger (Regensburg)
Gelbe Karten: BVB II: Höttecke (3. Gelbe Karte), Sobiech (2.)

(Fotos) 14.04.2010

Kirsche-Forum
BVB-Forum

Aktuelle Infos:

Medienkolumne:

Fan-Kolumne:

Fotos: