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BVB träumt weiter - Köln albträumt

Aus Köln berichten Holger W. Sitter und Thorsten Heinrich  

Nuri Sahin zog das Fazit des Tages: "Sechs lange Jahre habe ich darauf warten müssen", dass der BVB nach dem siebten Sieg nacheinander erstmals nach 2624 Tagen und zum insgesamt 90. Mal insgesamt die Bundesliga-Spitze erklimmt ? wenn auch nur für eine Nacht. Trotzdem fühlt es sich verdammt gut an...

Mit breiter Brust war das Team von Cheftrainer Jürgen Klopp in die Domstadt gekommen. Gern erinnerte man sich an die letzten Gastspiele beim FC, holten die Borussen in den vergangenen beiden Spielzeiten doch in schöner Regelmäßigkeit die Punkte bei den Rheinländern ab.

Und so präsentierte sich der BVB beinahe völlig konträr zu den Schlagzeilen beim Gastgeber und ohne echtes Problem. Beste Offensive, beste Defensive, bester Saisonstart aller Zeiten! Einziger Wehrmutstropfen war eine kaputte Seitenscheibe am neuen Mannschaftsbus, auf den Kölner ?Hirnis? zuvor Steine geworfen hatten.

...nur "ein ganz normaler Vorgang"

...nur "ein ganz normaler Vorgang"

Beim Kölner Traditionsclub loderten bereits seit Tagen unübersehbare Stichflammen aus dem Geißbock- heim. Erst verkündete Prinz Poldi mit einem Rundumschlag bereits einen Monat vor Beginn der Narrenzeit: Schluss mit lustig (?Wir treten auf der Stelle. Ich denke, uns fehlt einfach die klare Strategie?).

Einen weiteren Eklat, wonach Keeper Faryd Mondragon das Teamhotel des Bundesligisten gestern Abend um 22 Uhr eigenmächtig verlassen hatte, konnte FC-Manager Michael Meier gerade noch unter der Decke halten. Dennoch fokussiert sich die Kritik gegen die Stagnation beim 1. FC Köln auch auf den gebürtigen Lünener.

Der Hauptvorwurf: Die Mannschaft trete nicht als Team auf und Trainernovize Zvonimir Soldo treffe oft fragwürdige Entscheidungen (auch heute ließ er Novakovic fast 80 Minuten auf der Bank schmoren, zum Unmut der Fans).

Wieder 70 gute Minuten: Kagawa

Wieder 70 gute Minuten: Kagawa

Lukas Podolski beklagte zudem, dass Clubs wie Borussia Dortmund, die sich in einer ähnlichen Lage wie die Kölner befanden, wesentlich mehr daraus gemacht hätten. Der Nationalspieler nannte u.a. Namen wie Kevin Großkreutz oder Shinji Kagawa, der als 350.000-Euro-Schnäppchen beim BVB auch heute wieder sein Können gezeigt hat.

Einen möglichen Kauf Kagawas habe Meier angeblich abgelehnt, heißt es jetzt - wohl mehr als Alibi. "Ich stehe in der Verantwortung und stelle mich auch der Verantwortung, so wie ich es in 30 Jahren in dem Beruf getan habe", sagte er und fügte mit einem Schmunzeln hinzu: "Mit Fleiß, Beharrlichkeit und ein wenig Kompetenz" - zu wenig Kompetenz, wie sie in Köln finden.

Ungeachtet aller Umfeld-Sorgen hatte FC-Trainer Zvonimir Soldo, wie angekündigt, zwischen den Pfosten den 20-jährigen kroatischen Torhüter und Debütanten Miro Varvodic aufgeboten. Und der ließ gleich in der 6. Minute erste Unsicherheiten erkennen. Nuri Sahin hatte sehenswert in den Lauf von Kuba gepasst, der von rechts scharf in den Fünfer flankte. Varvodic griff daneben, doch Barrios kam nicht richtig hinter den Ball und köpfte aus bester Position knapp drüber.



Doch der FC hält dagegen. Lukas Podolski nahm kurz drauf den Ball am Sechzehner stark mit links an und zog sofort mit rechts aus 18 Metern ab. Der Ball knallte an den Giebel der Latte. Clemens setzte nach, schoss aus spitzem Winkel drauf, scheiterte dann aber mit seinem Nachschuss am aufmerksamen Weidenfeller (10.).

Dann haben die Dortmunder Fans den Torschrei auf den Lippen, als Sahin Barrios per Freistoß im Sechzehner auflegt, doch der Paraguayer steigt hoch und scheiterte per Kopf aus acht Metern am Querbalken. Mats Hummels setzte zwar sofort nach, kam aber nicht mehr entscheidend zum Abschluss (17.). Ganz starker Beginn! Beide Mannschaften liefern sich einen offenen Schlagabtausch.



Und der nächste Angriff bringt dann auch gleich die Führung. Kagawa tanzt auf der Außenbahn Miso Brecko aus und flankt dann präzise auf den 2. Pfosten, wo Lucas Barrios in aller Gemütsruhe einnicken will und den Pfosten trifft, aber von Kuba?s Bein geht das abprallende Leder dann ins Tor zur Gästeführung (20.). Die ohnehin schon extrem lautstarken BVB-Fans rasten nun vollends aus und intonieren den alten Kasche-Kartner Klassiker: ?Wer wird Deutscher Meister, BVB, Borussia?

?Schmelle? hätte kurz drauf einfach mehr aus der Riesenchance machen müssen, dem ein schneller Gegenzug von Kagawa voraus ging. In der Tat hatten die schwarzgelben das Spiel zu dieser Zeit recht gut im Griff und beschränken sich zunächst einmal drauf, schnelle Konterangriffe zu inszenieren. Leider vielfach ? wie so oft ? ohne Präzision!



In der 38. Minute hatte dann Jajalo nach Ehrets scharfen Steilpass in den Sechzehner die Möglichkeit zum Ausgleich, nahm am linken Fünfereck direkt ab, verzog aber über den Kasten. Die Kölner waren weiterhin gut im Spiel und versuchten ihrerseits immer wieder ihre einzige Spitze Podolski oder Antreiber Lanig in Szene zu setzen.



Barrios (Kopfball) und Großkreutz (Fuß) hätten dann noch vor dem Pausentee den Sack zumindest ein Stück weit enger schnüren können, doch beide vergaben leichtfertig. Schiri Günther Perl pfiff sogar 20 Sekunden vor der Empfehlung von einer Minute ab. Halbzeitfazit: eine wirklich kurzweilige Partie in Müngersdorf!

Der bislang etwas zurückhaltend auftretende Sahin eröffnet dann die 2. Hälfte mit einem 18-Meter Distanzschuss nach vorangegangenem, schönen Kombinationsspiel (47.). Doch zu Beginn des zweiten Durchgangs plätschert das Geschehen so ein wenig vor sich hin und verliert sich in Mittelfeldgeplänkel.



Das Geschehen auf dem Rasen war auch nach gut 70 Minuten unverändert für die Betrachter: der FC will wohl, setzt sich stellenweise sogar fest in der Dortmunder Hälfte, wird aber nicht zwingend torgefährlich. Borussia verwaltet für meinen Geschmack in dieser Phase des Spiels einen Tick zu sehr, statt ihrerseits konsequenter nach vorn zu spielen. Jürgen Klopp sah das wohl auch so und brachte Mario Götze in der 70. Minute ins Spiel um mehr nach vorn zu machen.

Der am heuten Tag etwas unglücklich agierende aber gewohnt rackernde Lucas Barrios machte nach 75 Minuten für Robert Lewandowski Platz, was sich auszahlen sollte. Nach 35 weitestgehend langweiligen Minuten kam dann in den letzten 10 Zeigerumdrehungen noch einmal so richtig Feuer rein. Und das kam so: Hummels Kopfballabwehr nach einem langen Abschlag von Varvodic landet unglücklicherweise genau vor den Füßen von Podolski und der Nationalspieler hält aus 16 Metern voll drauf und knallt den Ball per Strahl in den Knick (82.).

Schütze Nuri und Vorbereiter Lewi jubeln

Schütze Nuri und Vorbereiter Lewi jubeln

Der BVB warf jetzt alles nach vorn und versuchte das Unmögliche - wie im Februar an gleicher Stelle - doch noch zu erzwingen. Kurz bevor Perl dann die Pfeife in den Mund nehmen wollte, behauptete Lewandowski den Ball gegen Youssef Mohamad, passte dann nach rechts zu Götze in den Raum und der leitete umgehend quer in die Mitte, wo Nuri Sahin stand und den Ball aus fünf Metern in Minute 90. + 1 ins Tor beförderte.

Nach einem harten Foul von Podolski gerieten der Übeltäter und Sahin zuvor aneinander und sahen beide Gelb. Doch es ging weiter. Poldi und Nuri trugen eine "Sonderzulage" des Länderspiels Deutschland gegen Türkei aus. Der heute in guter Form aufspielende Poldi flachste Nuri daraufhin mit Handzeichen, die das 3:0 Ergebnis aus Berlin symbolisieren sollten, Nuri seinerseits rutschte nach seinem Tor auf den Knien an Podolski vorbei und reckte ob seines Siegtores den Finger in die Höhe. Unnötige Seitenhiebe, die aber mit einem Handschlag anschließend aus der Welt geschafft wurden.



Fazit: Ex-BVB Trainer Reinhard Saftig prägte einst 1987 den Satz: ?Und ehe nicht abgepfiffen ist, kann man sich gegen uns nicht sicher sein.? Wie wahr, wie wahr! Doch die mal wieder zahlreich vorhandenen Konterchancen wurden erneut zu sträflich liegen gelassen. Der BVB hätte sich ein Unentschieden selbst zuzuschreiben gehabt, wenn diese schöne Serie aus der Hand gegeben worden wäre. In Hälfte zwei wurde viel zu wenig investiert, dass sahen aber auch die Spieler anschließend so. Gegen Paris am Donnerstag muss schon wieder alles gegeben werden.

(Fotos) - 15.10.2010

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