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Wasser in der Wüste

Jenaer Vorfreude auf Pokalknaller im Westfalenstadion

Euphorie in und um Jena vor dem Pokalkracher

Euphorie in und um Jena vor dem Pokalkracher

Mensch, waren das stressige aber geile Tage. Als Groundhopper hatte ich am Donnerstagabend das UEFA-Cup-Spiel von Bayern München gegen Aberdeen gesehen. Am Dienstag drauf war ich in Stuttgart und konnte den Sieg kaum fassen. Zwei Tage später stand meine Reise mit meinem Tischtennisverein nach Italien an. Die Auslosung für das Halbfinale erlebte ich in Gedanken an die ?Sportreportage? und das ZDF im Zug von Venedig nach Verona.

Als es Zeit für die Auslosung wurde, hörte ich mir noch einmal die Schlusssequenz des Elfmeterschießens von Stuttgart an und mich überkam die Gänsehaut, als Torsten Ziegner zum mittlerweile zwanzigsten Mal ?trifft, trifft und trifft?. Einfach nur Wahnsinn! Es dauert eine Ewigkeit, bis mich mein Bruder Dirk via Handy über die Auslosung informierte. Wir hatten schon spekuliert und überlegt, welches Los das Beste wäre. Wolfsburg wollte niemand, Bayern na ja. Aber Dortmund wäre es. Aus Vereinssicht würde das Gastspiel in Dortmund finanziell am attraktivsten sein. Schon gegen Hoffenheim waren über 50.000 da. Wenn dann erst Jena kommt, würden es an die 70.000 sein, mindestens.

Und da, das Handy klingelte und Dirk übermittelte mir das tolle Los, das Jena in Dortmund zu spielen hätte. Super! Nach Stuttgart folgt mit Dortmund ein weiterer Kracher, und warum sollte nicht ein neuerlicher Sieg auf einem fremden Platz möglich sein?! In Deutschland wieder angekommen, war die Euphorie unter Bekannten, Verwandten und Fans wahnsinnig. Alle wollten Karten für das ?Spiel des Jahres?. Bekanntlich spielte Jena bisher eine sehr bescheidene Saison und wie die Sehnsucht nach Wasser in der Wüste war das Dortmunder Los bei allen angekommen. Wasser in der Wüste!

Die Jenaer Dauerkartenbesitzer hatten die erste Möglichkeit, an Karten zu kommen. Vor dem freien Verkauf zum Wehen-Spiel waren 5.000 der 8.000 Karten schon verkauft. Irre! Eine Nachricht brachte meine blau-gelb-weiße Brust zum schwellen, da in dieser Serie gerade einmal Bayern und Schalke das gesamte Kartenkontingent für Dortmund abgerufen hatten. Hertha brachte es beim Freitagsspiel gerade mal auf 800 Tickets. Ha!

Mutig, mutig...

Mutig, mutig...

Innerhalb von zwei Stunden waren die letzten Karten in Jena vergriffen. Das ist natürlich genial, da sich eine ähnliche Stimmung anbahnt wie im Oktober 2007. Da spielte Jena bei 1860 München erstmals in der Allianz-Arena und an die 15.000 Leute waren aus Jena dabei. Die stimmliche Oberhand war auf Zeiss-Seite. Gut, in Dortmund bei dem sich abzuzeichnenden vollem Haus wäre es etwas vermessen, dass die Jenaer Anhänger bei den Duellen der Sangeseinlagen lauter ist, aber abwarten. In Stuttgart waren wir am Ende ja auch oben auf! Dortmund, wir kommen! 

Was ich noch sagen wollte?  Vorurteile gegenüber Ossis und dummes Gequatsche

Wenn man als Zeiss-Fan oder um es zu verallgemeinern, als Anhänger einer Ossi-Truppe unterwegs ist, wird das Leben manchmal schwer. Die grün gekleidete Fraktion der Staatsmacht scheint bislang nur von durch Treibjagden zu zähmenden Wilden auszugehen, wenn sie aus ihrem ?Wald? raus gelassen werden. Die Sicherheitsvorkehrungen sind immens und, wie ich finde, oftmals übertrieben. Damit kein Missverständnis aufkommt, sei gesagt, dass es auch beim FCC einige extreme Brüder in der Fanszene gibt, die über das normale Maß der Anfeuerung hinausgehen und sich auch gern mal prügeln. Der Durchschnittsfan ist aber zu den ruhigeren seiner Spezies zu zählen. Gerade in Dortmund werden viele jüngere aber auch ältere Leute dabei sein, die als vernünftig gelten.

Für Shows mit dem Feuer ist in erster Linie die ?Horda? verantwortlich. Obwohl ich den Hut vor der Truppe, deren Initiativen und der Liebe zum FCC ziehe, so grenzwertig sind manchmal deren Aktionen. Ich hoffe, dass in Dortmund alles im normalen Rahmen bleibt. Leider hat es bei der Horda ? begründet oder nicht ? auch schon Stadionverbote gegeben. Von einem mir bekannten Fall will ich mal erzählen: In München war bei 1860 die Stimmung auf den Rängen geil und so wollten einige etwas näher am Spielfeld sein und kletterte auf den Zaun. Als einer von denen Ordnungshüter als ?Hartz-IV-Sau? und mit weiteren deftigen und eindeutigen Sprüchen malträtiert wurde, griff er zum Faustrecht. Das brachte ihm einen Aufenthalt in den Katakomben der Arena, ein dreijähriges generelles Stadionverbot und über 2.000 Euro Strafe ein! Da frage ich mich bei aller Ablehnung gegen Gewalt, wo hier die Verhältnismäßigkeit ist? Die Ordnungsmacht scheint eine starke Differenzierung in der Behandlung zu machen, wenn mal eine Anhängerschaft aus anderen ?Gefilden? vorbei schaut.



Vielmehr sollte deeskalierend eingegriffen werden. Wenn ich an die Weltmeisterschaft 2006 denke, da war es scheißegal, für welche Truppe man in der Meisterschaft schreit. Jeder hat sich vertragen, Bier getrunken und gefeiert. Das sollte bei aller Rivalität auch im normalen Bundesliga- und Pokalgeschäft der Fall sein. Die Zeiten, in denen Jena in der Nordost-Oberliga über die Dörfer zog und teilweise Gewalt und Vandalismus ausgesetzt war, wünscht sich keiner zurück. Ich selbst hatte das Vergnügen, in der Saalestadt Halle einen 30.minütigen Dauerlauf hinzulegen, als Horden Durchgeknallter zur Jagd bliesen. Das brauche ich nicht ? und Fußball-Jena und seine Fanszene erst recht nicht.

Gut ist, dass das Fanprojekt hier gute Arbeit leistet und die Anhänger in die richtige Richtung leitet.  Wie gesagt, der Durchschnittsfan aus Jena ist als umgänglich und freundlich zu bezeichnen. Die immer wieder hochgespielte Ost-West-Kacke nervt! Freuen wir uns auf ein geiles Spiel und ein faires Miteinander auf den Rängen. Für Jena lebt durch die Partie die Erinnerung an große Europapokalzeiten wieder auf! Anpfiff?


Kleiner Knopf als Prophet:
Mit Frederic?s Sachverstand in die Runde der letzten Vier


Frederic und sein Papa Manfred sind sicher: „Nach 90 Minuten und einem 3:2 für Jena ist Schluss!“

Frederic und sein Papa Manfred sind sicher: „Nach 90 Minuten und einem 3:2 für Jena ist Schluss!“

Ja, ja, der Frederic. Manchmal haben doch die kleinsten Fußballfans das größte Fachwissen. Der 10 Jahre alte Keeper aus Nottleben (bei Erfurt) kam im Programmheft des Zweitrundenspiels im DFB-Pokal gegen den 1.FC Nürnberg zu Wort und sagte den Sieg im Elfmeterschießen voraus. ?Wenn wir das Elfmeterschießen erreichen, dann gewinnen wir!? Recht hatte der Dauerkarteninhaber. Mit Papa Manfred fährt er zu jedem Heimspiel und war beim Viertelfinale auch in Stuttgart. Vorher sagte er nur: ?Wenn wir das Elfmeterschießen erreichen?? So kam es dann auch. Um Zwei in der Nacht sank Frederic todmüde aber überglücklich in sein Bett.

?Papa hatte die Karten über den VfB Stuttgart gekauft?, erzählt Frederic. Die Plätze waren genau neben dem Fanblock der Jenaer. Bei dem Spielverlauf und dem anschließenden Jubel versagte Papa Manfred die Stimme. ?Ich konnte eigentlich nicht mehr reden, so heißer war ich?, trauerte Manfred seiner für zwei Tage verlorenen Stimme nicht wirklich nach. Der Sieg überragte alles.  Aber konnte Frederic eigentlich am nächsten Tag in die Schule oder hat er verschlafen? ?Naja, wir haben etwas nachgeholfen?, erzählt der Vater schmunzelnd. ?Nein, krank war ich nicht?, wirft Frederic ein. Auch wenn Nottleben eng bei Erfurt (der Stadt des fußballerischen Feindbildes schlechthin) liegt, so hatte die Lehrerin doch Verständnis, als Manfred die Fahrt nach Stuttgart ankündigte und gab dem kleinen Knopf frei.

Dass es zum Halbfinale in Dortmund wieder einen schulfreien Tag gibt, ist abgeklärt. Frederic, der mittlerweile als eine Art Glücksbringer bei den Pokalspielen gilt, geht wieder mit auf die Reise. Diesmal in das große Stadion nach Dortmund. ?Das wird toll und wir gewinnen 3:2?, kichert Frederic. ?Wie?, staunt der verdutzte Reporter nicht schlecht und fragt, ob er das Ergebnis nach Elfmeterschießen meint. ?Nein, nach 90 Minuten ist Schluss?, sprudelt es aus ihm heraus. ?Ich muss doch wieder heim und Papa schnell Karten fürs Endspiel buchen?, sagt er zum Abschluss schelmisch.

Dortmund war das Traumlos:
Benny gönnt sich einen entspannten Pokaltag im Pott


Benny: Ein letztes "Prosit" in der Südkurve des FC, bevor es dann zum "Traumlos Dortmund" geht

Benny: Ein letztes "Prosit" in der Südkurve des FC, bevor es dann zum "Traumlos Dortmund" geht

Der bekennende Zugfahrer und Südkurvensteher Benny Heinrich freute sich maßlos über das Los im DFB-Pokal-Halbfinale. ?Ja, Dortmund ist eine schöne Stadt im Ruhrpott?, versucht er allen Ernstes was Sinnreiches rüberzubringen. Aber mal wirklich! ?Dortmund ist das Traumlos, keine Frage! Die haben ein geiles Stadion und geile Fans!?

Wolfsburg wäre so attraktiv gewesen wie Hoffenheim in der 1.Bundesliga. ?Zu Hause wäre das Stadion zwar auch voll gewesen, aber Wolfsburg musste es nicht sein!? Ein Auswärtsspiel in Niedersachsen wäre nicht nur für ihn die absolute Höchststrafe gewesen. ?Die haben doch nur das Stadion gegen Bayern voll, diese Fußballprovinzler?, gibt sich Benny ehrlich. Ein Geisterspiel mit Null-Stimmung wäre es wohl geworden.

Bayern München sollte es auf gar keinen Fall sein. Drei Gründe nennt der aus dem von Jena 25 Kilometer entfernte Weißenborn stammende Fan. Erstens braucht man München im Finale, um sicher für den UEFA-Pokal qualifiziert zu sein. Zweites hätte es im Heimspielfall einen dermaßen großen Run auf Karten fürs Ernst-Abbe-Sportfeld gegeben. ?Da wären die Bayern-Sympathisanten aus ihren Löchern vor gekrochen gekommen. Und Drittens muss man sich kein Bayern-Spiel in der Allianz-Arena gönnen. Benny: ?Ist die Sicht auf allen Plätzen dort noch so gut, so ist das Stadion der absolute Stimmungstod! Ich weiß aber nicht, ob das an der Architektur oder den Bayern-Fans liegt!? (Grins!)

Das Viertelfinale in Stuttgart hat er auf dem Sofa erlebt. ?Ich musste arbeiten und konnte nicht mitfahren.? Da entdeckte er das gute alte Radio und verfolgte die Reportage Minute für Minute bis zu jenem organismischen Moment als Torsten Ziegner den Ball zum entscheidenden Treffer ins Netz jagte und Jena im Halbfinale war.

?Ich war vielleicht was aufgeregt?, erinnert er sich und erzählt weiter, dass seine Freundin da war. ?Die musste aber in die Ecke, ich konnte mich nur auf Fußball konzentrieren.? Er will damit wohl auch andeuten, dass er zu Hause die Hosen anhat. Wer glaubt?! ?In Dortmund gibt es diesmal keine Verlängerung?, ist sich Benny sicher. ?2:1 heißt es nach der normalen Spielzeit für uns.? Noch mal so spannend wie gegen Nürnberg oder Bielefeld oder Stuttgart will er es nicht. ?Ich habe extra einen Tag frei gemacht und will den Tag entspannt genießen ? und richtig feiern natürlich!?

?Ich war 1993 dabei?
Die Uhr hatte Uwe Kaiser immer im Visier

Uwe Kaiser lebt für den FC und erlebte 1993 das legendäre 1:0 im Pokalspiel in Dortmund live mit

Uwe Kaiser lebt für den FC und erlebte 1993 das legendäre 1:0 im Pokalspiel in Dortmund live mit

Uwe Kaiser, 44jähriger Lehrer aus dem sächsischen Hainichen, erlebte das bisher einzige Aufeinandertreffen zwischen dem FC Carl Zeiss Jena und Borussia Dortmund live im Westfalenstadion mit. Er erinnert sich: ?Es waren gerade Ferien und ich konnte die beiden DFB-Pokaltage voll auskosten. Unsere 2.Mannschaft hatte sich ja als Thüringer Pokalsieger auch qualifiziert und sollte am Mittwoch auf den FC Bayern München treffen. Ich fuhr aber erstmal mit vier Kumpels zum Gastspiel der ?Ersten? nach Dortmund. Unsere Crew gab sich keinen Illusionen hin. Hauptsache mal im Westfalenstadion gespielt zu haben und dabei gewesen zu sein, war unsere Einstellung. Dortmund war auf dem aufstrebenden Ast, hatte tolle Spieler und eine Topmannschaft.

Im Stadion waren dann 17.000 Leute. 50.000 passten damals wohl rein. Aus Jena waren ein paar Hundert dabei. Trotz der vielen leeren Rängen, war die Stimmung geil und ab dem Zeitpunkt, als Olaf Schreiber traf, hatte ich sowieso nur noch meine Uhr im Blick. Wann pfeift der endlich ab, fragte ich mich die ganze Zeit? Mit Weltklasseparaden hielt uns Perry Bräutigam im Spiel und brachte den knappen 1:0-Sieg über die Zeit. Eine Sensation!!! Vornweg hatte ich immer mal wieder den Eindruck, dass uns Dortmund beim Ausgleich über den Haufen rennen wird und wir eine Klatsche kriegen. Aber mit etwas Glück langte es!

Überglücklich und unter dem Eindruck der großen Überraschung sah ich unsere Amateure keine 24 Stunden später gegen Bayern (0:2). Am Donnerstag war dann der erste Schultag in Sachsen ? und ich bekam kein Wort heraus. Zwei Tage Fußball, 180 Minuten Spannung und meine Stimme war weg! Beim erneuten Duell in Dortmund hätte nichts dagegen, am Mittwoch wieder heißer zu sein!?

, im März 2008 

Anm. der Redaktion: Jens Buechner schreibt für die Redaktion der Stadionzeitung des FC Carl Zeiss Jena und ist dort seit mehr als zehn Jahren für die Vorstellung der Gästeteams zuständig Er arbeitete früher für das einstmals erhältliche Fanzine des FCC und brachte 1995 das erste Programm für die Reserve-Mannschaft heraus. Stadionbesuche stehen bei ihm seit Anfang der 80er Jahre auf dem Programm , sodass er für gewöhnlich bei jedem Heimspiel und vielen Auswärtsspielen seines FCC anzutreffen ist.

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