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Menschen, Tore, Sensationen

Was war eigentlich normal am zweiten Spieltag der neuen Saison? Außer dem Bremer Heinsieg gegen den 1.FC Köln? Vielleicht noch der Erfolg des Hamburger SV bei Eintracht Frankfurt sowie der Hoffenheimer Auswärtssieg beim FC Sankt Pauli. Aber sonst? Sicher nicht die bittere Pille, die Borussia Mönchengladbach dem Werksklub Bayer Leverkusen verpasste. Auch nicht das glatte 2:0 der ?Roten Teufel?, mit dem die Lauterer den großen FC Bayern vom Betzenberg zurück ins Tal schickten. Auch das Bild an der Tabellenspitze mit Kaiserslautern als Spitzenreiter, gefolgt von Hoffenheim und Mainz dürfen wir getrost als ungewöhnlich bezeichnen.

Kein Wunder, dass nach diesem Spieltag ein Rauschen durch den bundesdeutschen Blätterwald fegt, gegen das die Pfiffe des Schalker Publikums gegen Christoph Metzelder wie schulmädchenhaftes Geträller anmuten. ?Bundesliga verrückt am 2. Spieltag?, titelt die ?Bild?-Zeitung. ?Torrausch, Sieg-Rekord und neue Helden?, überschlägt sich das größte Boulevardblatt der Republik. ?Vor allem die ?Kleinen? mischen die Liga auf. Kaiserslautern, Mainz und Hannover galten vor der Saison bei vielen Fans als heiße Kandidaten für einen Abstiegsplatz ? und jetzt stehen diese drei Teams gaaanz weit oben in der Liga!?

So sieht es auch der ?Weserkurier?, der es etwas nüchterner, hanseatischer, verpackt: ?Verkehrte Welt in der Bundesliga: In Kaiserslautern, Mainz und Hannover gelang drei Teams ein überraschender Traumstart in die Saison. Dagegen gingen Spitzenteams wie Schalke und Wolfsburg bisher leer aus.?

Selbst die eher für übertriebe Sachlichkeit bekannte ?Deutsche Presseagentur? (dpa) gerät ins Schwärmen. ?Was für ein Fußball-Wochenende! Tolle Tor-Festivals in Leverkusen und Wolfsburg begeisterten die Fans. Zudem triumphierten erstmals sieben Gastmannschaften an einem Spieltag. Selten ist die Liga derart furios in eine Saison gestartet?, kommentiert Heinz Büse. Da mag der ?Sportinformationsdienst? (sid) nicht zurückstehen. ?Die Fußball-Bundesliga schlägt weiter Kapriolen. Niederlage der Bayern auf dem Betzenberg, Wolfsburg nach 3:0 noch 3:4 gegen Mainz und Schalke nach zwei Spielen noch punktlos. Das deutsche Fußball-Oberhaus präsentierte sich auch am zweiten Spieltag herrlich verrückt?, konstatiert Ralph Durry.

Ganz nebenbei erbrachte dieser denkwürdige Spieltag auch einen neuen Rekord: Sieben Auswärtssiege, das gab es noch nie! Und, erinnert das Fachmagazin ?Kicker?: ?Die 23 Tore der Gästeteams wurden an 1.595 Spieltagen zuvor nur einmal übertroffen: am 32. Spieltag 1983/84 netzten die Gastvereine 24-mal ein?. Damals gewann Werder Bremen am Bieberer Berg in Offenbach mit 7:3, der HSV gewann 6:1 beim ?Club?. Außer Uerdingen und Leverkusen erzielten seinerzeit alle Gästeteams mehr als ein Tor.

Tja, Uerdingen ist längst nicht mehr Bayer und als KFC in den vorerst ewigen Jagdgründen der Niederrheinliga verschwunden. Aber Leverkusen ist noch da und schrieb mit die dicksten Schlagzeilen des Spieltages. ?Herzlich willkommen beim Tag des 'offenen Adler-Tores!' Leverkusen kassierte in über 31 Jahren Bundesliga noch nie sechs Heimgegentore. Borussia ist auswärts plötzlich wieder eine Torfabrik - wie zuletzt (ausgerechnet) unter Heynckes 1987. Ein wahrhaft denkwürdiger Auftritt?, schreibt das Rheinland-Boulevardblatt ?Express?.

Natürlich, damit war zu rechnen, bleibt nach dieser Packung auch der neue Star der Leverkusener nicht ungeschoren. ?Er steht für Leverkusen auf dem Platz, doch das Spiel läuft an ihm vorbei. Michael Ballack ist weit von seiner Top-Form entfernt; das machte die 3:6-Heimpleite gegen Gladbach deutlich. Nur eine schnelle Leistungssteigerung des 33-Jährigen hilft dem Team - und wahrt seine Chancen in der Nationalelf?, so das Nachrichtenmagazin ?Spiegel?. So kann man es sehen, wenn man Ballack derart in den Fokus rückt. Man kann es aber auch kurz und knapp zusammenfassen, wie es die ?Frankfurter Rundschau? recht hübsch tut: ?Bayer braucht 'ne Aspirin?. Fertig!

Fertig waren nach dem Abpfiff des zweiten Spieltages auch die Fans des Vizemeisters aus Gelsenkirchen. Der hatte nach dem Auftakt beim HSV jetzt auch zuhause gegen den HSV verloren, den kleinen Sportverein aus Hannover. Das hatten sich die Knappen und ihr allmächtiger Macher sicher anders vorgestellt. Und den nehmen einige jetzt besonders genau unter die Lupe. ?Null Punkte nach 180 Minuten Bundesliga-Fußball sind nicht mehr als ein klassischer Fehlstart. Es kann schnell nach oben gehen. Doch die Stimmung ist 'auf' Schalke überhaupt nicht danach. Das 'System Magath' steht auf dem Prüfstand?, schreibt die ?Frankfurter Allgemeine Zeitung?.

Auch die ?Süddeutsche Zeitung? landet bei der Ursachenforschung für die Bauchlandung des Revierklubs beim Trainer: ?Zwei Spiele, null Punkte: Schalke startet mit Problemen in die Saison. Felix Magath hat mit seinem sommerlichen Radikalumbau einen großen Anteil daran. Doch während nun prominente Offensivkräfte kommen sollen, tut sich in der wackligen Abwehr wohl nichts mehr.?

Im ?Kicker? ist der Schalker Fehlstart das Top-Thema, S04-Kenner Oliver Bitter stellt in seinem Artikel ?Magaths heikle Mission? viele Fragen: ?Hat Schalke zu viel Qualität abgegeben? Ist der Umbau mit bisher 10 Neuen und 15 Abgängen zu radikal?? Das wird man sehen, bisher jedenfalls ist Magaths Rechnung besonders in der Defensive nicht aufgegangen. Drei Schlüsselfiguren der im Vorjahr besten Abwehr der Liga sind weg (Westermann, Bordon, Rafinha), die Neuen stechen nicht und Christoph Metzelder kassierte im ?Kicker? nach der Note 5 im ersten Spiel diesmal ein glatte 6 - und wurde zudem von den Rängen der Gelsenkirchener Turnhalle ausgiebig ausgepfiffen.

Woran mag es liegen, dass der Champions-League-Teilnehmer mit den großen Ambitionen bisher nicht in die Gänge kommt? ?Die Suche nach weiteren Verstärkungen und Dissonanzen mit den Fans haben ganz offensichtlich der heilen Welt auf Schalke Schaden zugefügt. Es passt ins Bild, dass Stürmerstar Raul nur der Schatten seiner selbst ist und auch Neuzugang Christoph Metzelder als Ex-Dortmunder von den Anhängern der Knappen nicht gerade geliebt wird?, meint Ralph Durry vom ?sid? - der Parallelen zur Vergangenheit zieht: ?Vor 23 Jahren startete S04 schon einmal mit zwei Niederlagen - gegen den HSV und 96. Damals musste Schalke zum Auftakt in Hamburg antreten (2:5), es folgte ein Heimspiel gegen Hannover (0:2) - und nach 34 Spieltagen folgte der Abstieg in die 2. Liga.?

Christoph Metzelder ist nicht der einzige prominente Bundesliga-Rückkehrer, der an diesem Spieltag unzufrieden nach Hause ging. Auch der Italien-Heimkehrer blieb sieglos. Zwar traf der ehemalige Bremer Mittelfeldstar bei seinem ersten Spiel für den neuen Verein, in die Hose ging es dennoch. ?Diego heult mit den Wölfen?, hält die ?B.Z.? hierzu fest.

Und der ?sid? merkt an: ?Bei Ex-Meister Wolfsburg gibt 15-Millionen-Euro-Einkauf Diego sein Bundesliga-Comeback, schießt ein Tor zum 3:0 und leitet damit quasi die Wende im Spiel ein. Die "Wölfe" spielen im Gefühl des scheinbar sicheren Sieges nur noch Larifari, der Karnevalsklub Mainz kommt zurück und zwingt die Niedersachsen in die Knie, was Dieter Hoeness sichtlich konsternierte. Letztmals vor knapp 20 Jahren hatte es ein 4:3 nach einem 0:3-Rückstand gegeben.?

Die genauen Daten hält der ?Kicker? bereit: ?Damit wurde erstmals seit dem 31.5.1991 ein derartiger Rückstand gedreht. Damals gewann der VfL Bochum in Düsseldorf ebenfalls mit 4:3.?

Zu diesem denkwürdigen Spieltag passte auch, dass beim Bremer Sieg gegen den 1.FC Köln ein junger Mann glänzte, der in der Vorbereitung eher durch schlechtes Benehmen und eine große Klappe aufgefallen war: Neuzugang Marco Arnautovic. Der hübsche Schlagzeilen einstreichen durfte: ?2 Tore! Erste Sternstunde von Astronautovic?, so die ?Bild?. Und der der ?Express? setzt noch einen drauf: ? Astronautovic schießt FC zum Mond.?

So torreich und stimmungsvoll hätte es meinetwegen direkt weitergehen können. Doch leider verordnet uns der Rahmenterminkalender erstmal zwei Wochen Bundesligapause und doofe Länderspiele gegen Belgien und Aserbaidschan. Schade!

, 31. August 2010

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