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Mainz wie es siegt und lacht

?Wolle mer se reilasse??, das war einst die geflügelte Frage in der Mainzer TV-Fassnacht, als das Fernsehen noch schwarz-weiß, das Internet noch Gegenstand von Science-Fiction-Romanen und die Bundesliga noch Besitztum von Bayern München und Borussia Mönchengladbach war. Inzwischen sind sie längst drin, diese famosen Mainzer und nicht nur das: Nach vier Spieltagen der Saison 2010/11 sind sie als einziges Team der Eliteklasse ungeschlagen und grüßen den Rest der Liga als Spitzenreiter.

Und diese Tabellenführung haben sie sich verdient, nachdem sie auch die vermeintlich hohe Hürde Werder Bremen genommen und im Weserstadion mit 2:0 gewonnen haben. Bremen, keine Laufkundschaft, wie man neuerdings so gern sagt.

Deswegen gebührt dem Ex-Verein des Derbysieger-Trainers dieses Wochenendes mediales Lob und ein beifälliges Rauschen des bundessdeutschen Blätterwaldes. In der Heimat klingt das so: ?Der FSV Mainz 05 hat erstmals in seiner jungen Bundesliga-Geschichte die Tabellenführung im Fußball-Oberhaus übernommen?, freut sich die ?Allgemeine Zeitung? über den ?letztendlich souverän herausgespielten 2:0 (0:0)-Erfolg beim Champions-League-Teilnehmer SV Werder Bremen.?

Autor Roland Hessel, man mag ihm nicht widersprechen, sieht das Ende des Mainzer Laufs noch nicht gekommen. ?Die langsam unheimlich anmutende Erfolgsserie der Mainzer, die nun - saisonübergreifend - seit neun Spieltagen ungeschlagen sind, geht munter weiter. Und so wie die 05er mittlerweile auftreten, ist ein Ende auch nicht in Sicht. Fakt ist: Aufgrund der Spielweise, aber vor allem auch aufgrund der spieltaktischen Möglichkeiten steht der letztjährige Aufsteiger nicht von ungefähr an der Tabellenspitze?, so der Chronist des Blattes, das zur ?Rhein-Zeitung? gehört.

Mainz und seine Protagonisten sind auf dem besten Weg, für Furore zu sorgen. Über den Erfolg der Hessen an der Küste lesen wir: ?Die Bremer Berichterstatter machten fleißig Notizen, um dann verschämt festzustellen, dass sie bisweilen gar nicht wussten, wer ihnen da gerade Auskunft gegeben hatte. Viele der rheinhessischen Himmelsstürmer sind bundesweit noch unbeschriebene Blätter. Am Samstag machten sie sich bekannt.? Das schreibt die ?Frankfurter Rundschau?.

Auch das Magazin ?Focus? kommt nicht am Tabellenführer vorbei: ?Mainz im Himmel, Schalke in der Hölle - Der schlechteste Bayern-Saisonstart seit 34 Jahren wird überschattet von Schalke 0 Chance und dem Himmelssturm der grandiosen Mainzer.?


Haben Sie die Feinheiten bemerkt? Ohne gegen den Branchenprimus gespielt zu haben, wird der ungeschlagene Spitzenreiter in einem Atemzug, hier: einer Zeile, mit dem ruhmreichen FC Bayern genannt. Ein derartiger medialer Ritterschlag widerfährt einem nicht alle Tage - genießt es, liebe Mainzer!

Aber was ist denn mit den Bayern? 0:0 haben sie gespielt, zuhause. Gegen Köln. Das ist, bei allem Respekt vor dem Double-Gewinner von 1978, überaus mager, zumal für eine Mannschaft, die in der Vorsaison um ein Haar das Triple gewonnen hätte. Auch ins Jahr eins nach Jürgen Klinsmann waren sie dürftig gestartet, diesmal hatten ihnen die Experten mehr zugetraut. Umso größer die Enttäuschung, die nun auf die Münchner niederprasselt. Das F-Wort ist tabu - Zwei Tore nach vier Spielen: Das gab es noch nie beim FC Bayern. "Nach dem 0:0 gegen Köln versuchen Trainer und Spieler, dem schlechten Bundesliga-Start etwas Positives abzugewinnen. Doch zahlreiche Forderungen zeigen, dass etwas nicht stimmt", so die ?Süddeutsche Zeitung?. Und die sollte es wissen, erscheint sie doch in München.

Auch bei der ?tz? aus der bajuwarischen Metropole kommen Schweinsteiger & Co. nicht besser weg, natürlich kriegt hier auch schon mal aus Prinzip der Trainer seine Breitseite ab: ?Der FC Bayern ist historisch schlecht in die neue Bundesliga-Saison gestartet. Wann bekommt Nullpen-General van Gaal diesmal die Kurve??, fragt das eher boulevardesk angehauchte Blatt.

Und der Online-Dienst ?Spox? scheint sich regelrecht Sorgen zu machen: ?Der Dosenöffner fehlt. Erstmals seit zwölf Jahren trifft Bayern drei Spiele lang das Tor nicht. Der Robben-Ausfall hinterlässt ein größeres Loch als angenommen. Viel Zeit zur Korrektur bleibt nicht mehr?, heißt es dort. Diese aufgeregten Menschen möchte ich beruhigen: Doch, ziemlich genau 30 Spieltage bleiben den Bayern schon noch?



Tja, die Bayern sind durchwachsen gestartet, doch ihr Fünf-Punkte-Auftakt ist das reinste Rasul-Bad im Vergleich zu der Jauche-Dusche, die ein anderer Klub aus dem Bundesliga-Geldadel über sich ergehen lassen musste. ?Schalke 0.4 - Null Punkte, vier Niederlagen: Felix Magath wollte mit Schalke 04 vor Saisonbeginn zumindest in den Europacup. Aber jetzt sind die Königsblauen Letzter in der Bundesliga. Das Team scheint die Radikalkur seines Trainers nicht zu verkraften?, schreibt das Nachrichtenmagazin ?Der Spiegel? in seiner Online-Ausgabe über diejenigen, bei den Anspruch und Wirklichkeit bislang am weitesten auseinanderklaffen.

Was die Beobachter stutzen und die Sympathisanten der ?Knappen? unruhig werden lässt, ist der Umstand, dass Schalke diesmal nicht unglücklich verlor, sondern reines Schwein hatte. Schwein, dass es nicht mit einer Packung das Fell über die Ohren gezogen bekam.

In der Tageszeitung ?Die Welt? heißt es: ?Dortmund demütigt Schalke. Es war seltsam leise im vielleicht stimmungsvollsten Stadion der Republik. 80 Minuten waren gespielt, aber das Gros der Zuschauer hatte bereits die Lust am Gezeigten verloren und verhielt sich geradewegs so, als gastiere dort unten auf dem Spielfeld - wie sonst im Winter - die Biathlon-Staffel auf Schalke." Und der eigentlich stets zurückhaltende ?Kicker?, urteilt: ?Wie entfesselte Dortmunder erteilen den völlig überforderten Schalkern eine Lehrstunde?.

Dem allgewaltigen Trainer und Manager des unterlegenen Revierklubs fehlten nach der Lektion fast die Worte. Um Fassung ringend, sagte er in die Fernsehkameras von ?Sky? & Co.: ?Das war sicherlich eine Katastrophe. Mein schlimmster Tag auf Schalke.?. Deutschlands größtes Boulevard-Blatt zückt schon den Abakus: ?Felix Magath hat vor der Saison für 36,9 Mio Euro eingekauft. Ergebnis nach vier Bundesliga-Spielen: Null Punkte für Schalke 04. Tabellen-Letzter. Noch schlimmer: Ausgerechnet gegen den Revier-Rivalen Dortmund gibt es im 136. Derby eine historische Klatsche."

So geht es weiter, wohin man auch blättert. Am Trainer-Manager kommt keiner vorbei, an den an diesem Abend grandiosen Borussen auch nicht. ?BVB bringt Magath in große Not. Der Anschlusstreffer von Klaas-Jan Huntelaar zum 1:3 kurz vor Schluss war nicht einmal mehr Ergebniskosmetik. Schalke 04 ist im 136. Revierderby von seinem Erzrivalen Borussia Dortmund demontiert worden, ausgespielt nach allen Regeln der Kunst?, so die renommoierte ?Rheinische Post?.

Und nochmals die Fußball-?Bibel? unter den Printerzeugnissen der Republik: ?Unterirdisch ans Tabellenende. Die Statements nach der vierten Niederlage im vierten Spiel waren eindeutig. Während man von Dortmunder Seite "überragend" und "geil" vernahm, fielen die ersten Reaktionen aus Gelsenkirchen nach der bitteren Derby-Pleite naturgemäß etwas düsterer aus. "Schlimm", "unterirdisch" und "mutlos" gaben Spieler und Trainer zu Protokoll. Ausgerechnet die Niederlage gegen den ungeliebten Nachbarn aus Dortmund beschert den "Königsblauen" einen Eintrag in die Vereinschroniken?, attestiert der ?Kicker.



Fest steht, dass dem Tabellenletzten ganz ungemütliche Wochen ins Haus stehen. Aber ob die ?Sport1?-Schlagzeile zutrifft, mag ich doch bezweifeln: ?Auf Schalke gehen die Lichter aus?, heißt es dort. Bei allem, was ich von Fußball und Elektrizität verstehe (es mag zugegebenermaßen in letzterem Fall nicht besonders viel sein): nach vier Spieltagen sind noch nirgendwo die Lichter ausgegangen.

, 21.09.2010

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