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Blauweißes Kasperltheater

Drei Wochen nach der Entlassung von Cheftrainer Ralf Rangnick präsentiert der ?beliebteste Provinzverein Deutschlands? (Die Welt) einen neuen Trainer: es handelt sich um Rangnicks ehemaligen Co-Trainer Mirko Slomka. Damit hat das größte Possenspiel der diesjährigen Winterpause ein (vorläufiges) Ende gefunden?

Was waren da Namen im Gespräch: Eric Gerets, Huub Stevens, Guus Hiddink, Trond Sollied, Klaus Toppmöller, Christoph Daum, Matthias Sammer oder Ottmar Hitzfeld wurden am Schlacker Markt gehandelt. Und jetzt Slomka (der Name ist Programm: Slomka - zu deutsch: "Kleiner Strohhalm")! Ein Mann, dem man nicht mal zutraute das letzte Spiel vor der Winterpause beim VfB Stuttgart zu leiten. Ein Mann, der als größten sportlichen Erfolg den 16.Platz in der Regionalliga-Nord mit TB Berlin in der Saison 2000/2001 zum Zeitpunkt seiner Entlassung am 16.Spieltag zu verzeichnen hat. Ein Mann, der mit dem entlassenen Trainer Rangnick bislang Seite an Seite schritt. Ein Mann, der entwaffnend ehrlich bekennt, dass die Entwicklung für ihn selbst ?total überraschend kam.? Und wenn Sportmanager Müller beteuert, dass ?Mirko Slomka  in unseren Gedanken stets eine dominierende Rolle spielte?, handelt es sich dabei allenfalls um eine Notlüge!

Schlacker Billiglösung: Mirko Slomka

Denn mit dieser Personalentscheidung hat das winterliche Sammelsurium an Peinlichkeiten in Gelsenkirchen-Buer einen weiteren Höhepunkt erreicht. Neben der Suche nach einem neuen Coach hatten die Verantwortlichen am Schlacker Markt auch noch genügend Zeit sich untereinander zu bekriegen, dass die Fetzen nur so flogen. Immerhin scheint man in Gelsenkirchen nun begriffen zu haben, dass die Wurzel allen Übels in der Person Rudi Assauer zu suchen ist. Der bisherige Alleinherrscher soll auf´s Altenteil geschoben und in den nächsten Monaten mehr und mehr aus dem operativen Geschäft hinausgedrängt werden. Lange genug hat es gedauert bis die die Herren Schnusenberg, Müller und Tönnies begriffen haben, dass Assauer in seinem Bestreben die erste deutsche Meisterschaft seit Zeiten von Turnvater Jahn nach Gelsenkirchen zu holen, die Karre gnadenlos vor die Wand fahren würde. Parallelen zur Finanznot beim Nachbarn aus Dortmund sind für den gewöhnlichen Fußballfan kaum noch zu übersehen. Investitionen in Millionenhöhe, Anleihen und Luftbuchungen, Betreibergesellschaften und Tochterfirmen ? das Alles kommt uns Schwarzgelben irgendwie bekannt vor.

Doch während man beim BVB dem Tod mit Mühe und Not von der Schippe gesprungen ist, scheinen die Blauen ihre schwierigste Zeit noch vor sich zu haben. Nicht zufällig warnte der frühere Schlacker Nationalspieler und Kaufmann Erwin Kremers bereits im März letzten Jahres: ?Wenn Herr Schnusenberg öffentlich zugibt, dass Schalke von den Banken keine Gelder mehr bekommt und deshalb eine Anleihe in Höhe von 85 Millionen Euro gezeichnet hat, dann weiß man nicht nur, wie es bei denen finanziell aussieht. Man ahnt auch, wie das Ganze enden wird, und ich fürchte, das wird eine traurige Geschichte. Als Geschäftsmann glaube ich, über die Kompetenz zu verfügen, mir dieses Urteil erlauben zu dürfen." Sein Bruder Helmut, früher Präsident und Manager beim S05, ergänzte zur gleichen Zeit: "Ich mache mir nicht nur Gedanken, ich mache mir Sorgen um Schalke 04. Ich sehe verblüffende Gemeinsamkeiten mit Borussia Dortmund. Es ist erstaunlich, wie sich der Gang der Dinge ähnelt. Zunächst herrschte absolute Ruhe, es gab keinen Anlass, über die Finanzen zu diskutieren. Plötzlich kamen Ahnungen und Ängste auf. Es folgten Dementis - bis die Wahrheit, die wirkliche Situation ans Licht kam. Das volle Ausmaß der Schuldenbilanz werden wir aber erst gewahr, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt.?  Allerdings haben die vielen blauweißen Anhänger die Situation wohl noch immer nicht realisiert.

Daher beherrscht die simple Frage nach dem WARUM jetzt die Diskussionen rund um die Turnhalle in Herne. WARUM sucht man mehr als drei Wochen nach einem Coach, wenn man letztlich den Co-Trainer ins Cheftrainer-Amt hievt? WARUM werden dutzende von Namen gehandelt, wenn nachher behauptet wird, dass man mit ?niemandem überhaupt gesprochen? habe (Sportmanager Müller). WARUM bietet der gesamte S05-Vorstand ein Bild des Jammers und der Zerstrittenheit? WARUM ist bis heute nicht klar, ob Stumpen-Rudi entmachtet wurde oder nicht?

Die Suche nach Antworten ist leicht und doch schwer. Denn wenn bei einem Fußballverein Feuer unterm Dach ist, dann kann es dafür nur zwei Gründe geben: es stimmt sportlich nicht oder es stimmt finanziell nicht. In Gelsenkirchen gewinnt man den Eindruck, dass gleich beide Gründe zutreffen. Sportlich steht man in der Liga auf Platz vier mit fünf Punkten Rückstand auf den Tabellendritten und dreizehn Punkten Rückstand auf den Spitzenreiter. In der Championsleague kam das Aus am letzten Spieltag der Zwischenrunde. Man ist jedoch im Uefa-Cup weiter dabei. In Anbetracht des wahrlich nicht überragenden Spielerkaders ein durchaus ordentliches Ergebnis, wenngleich man vor der Saison insgeheim von höhere Zielen (Meisterschaft) phantasiert hatte. Das Ergebnis zur Winterpause aber war dem Schlacker Vorstand nicht genug. Rangnick musste gehen. Eine solche Entwicklung wäre vielleicht beim Branchenprimus FC Bayern nachvollziehbar, aber sicherlich nicht in Gelsenkirchen-Buer.

Was also steckt dahinter? Die finanziellen Schwierigkeiten der Blauen scheinen tatsächlich ernster zu sein, als man bereit ist zuzugeben. Zuletzt zerschlugen sich die Hoffnungen, dass Ralf Rangnick bei einem anderen Verein unterkäme und man damit die Fortzahlung seines Gehaltes bis zum Sommer 2006 einsparen könne. Nun legt man also bei Slomka, der ohnehin schon Angestellter des Vereins war, ein paar Scheinchen drauf und kommt zumindest vorläufig kostengünstig davon. Ob diese Rechnung am Ende wirklich aufgeht muss sich erst zeigen, denn sollte die Mannschaft sich sportlich weiter nicht entwickeln, dürfte sogar die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb auf dem Spiel stehen und damit die überaus wichtigen Einnahmen aus den internationalen Spielen.

Dass man Slomka nur mit einem Vertrag bis zur Sommerpause ausstattet, lässt darauf schließen, dass die Suche nach einem ?echten? Cheftrainer entgegen der Müllerschen Beteuerungen (?Wenn es klappt, können wir uns gut vorstellen, mit Mirko Slomka auch über den 30. Juni 2006 hinaus zusammenzuarbeiten.?) auch in diesem Frühjahr weitergeht. Es sein denn, man hat sich bereits mit einem Trainer geeinigt, der entweder noch nicht verfügbar ist oder aber nicht bereit ist, den S05 in der derzeitigen konfusen Lage zu übernehmen. Und so scheint der Kreis der Kandidaten auf drei namhafte Trainer zusammen zu schmelzen:

a.)    Ottmar Hitzfeld

Er wird zunächst die Entwicklung der Nationalelf abwarten um möglicherweise nach der WM das Amt des Bundestrainers zu übernehmen. Außerdem ist Hitzfeld nicht der Mann, der eine Truppe, die nicht von ihm zusammengestellt ist, während der laufenden Saison übernimmt. Eine Verpflichtung von Hitzfeld käme den Gelsenkirchenern verdammt teuer zu stehen, denn nicht nur Hitzfelds Dienste selbst sind nicht gerade billig ? auch seine Anforderungen an einen konkurrenzfähigen Spielerkader würden weitere Millioneninvestitionen notwendig machen.

b.)    Matthias Sammer

Auch der frühere Dortmunder und Stuttgarter scheut das Risiko und würde kaum eine zerstrittene Mannschaft während der laufenden Saison übernehmen. Mit der Ausrede, er wolle zunächst noch weiter bei anderen Vereinstrainern hospitieren, drückt sich Sammer davor, schon jetzt Verantwortung zu übernehmen. Im Übrigen wäre eine Kombination aus Assauer und Sammer schwer vorstellbar, was die Bestrebungen Assauer aus dem Tagesgeschäft zu drängen zusätzlich erklären würde.

c.)     Guus Hiddink

Der Niederländer steht derzeit noch in den Diensten des PSV Eindhoven und wäre in diesem Winter noch nicht finanzierbar gewesen, zumal er auch noch die australische Nationalelf bei der WM in Deutschland betreut und dementsprechend wenig Zeit zur Einarbeitung bei den Blauweißen hätte. Doch sein Vertrag läuft aber dem Vernehmen nach zum Saisonende aus und ein Wechsel in die Bundesliga wäre für Hiddink sicherlich eine interessante Perspektive. Er scheint in jedem Fall der momentan aussichtsreichste Kandidat für den Schlacker-Feuerstuhl zu sein.

Egal wer in den nächsten Jahren die Geschicke der Blauen leitet ? es bleibt amüsant zu verfolgen, was sich rund um das Berger Feld künftig tut. Nach dem Motto ?Heute sind wir am Abgrund ? morgen sind wir einen Schritt weiter? wurschtelt man dort weiter planlos vor sich hin. Insgesamt wirkt die Außendarstellung des S05 inzwischen ähnlich dürftig, wie beim BVB zum Höhepunkt der Finanzkrise. Konzeptlosigkeit ist Trumpf! Aber wer weiß - vielleicht präsentiert man uns ja schon bald auch einen neuen Co-Trainer auf Schlacke ? Ralf Rangnick wäre zu haben. Es würde ins Bild passen.

Möglich, dass es auch in Gelsenkirchen, ähnlich wie bei uns in Dortmund, irgendwann das große Erwachen gibt. Auf die Deutsche Meisterschaft wird man jedenfalls weiter warten müssen. Und so passen sich die Träume der blauweißen Anhänger unterdessen auch ganz langsam den veränderten Realitäten an. Ein User im Internet betet bereits: ?Himmel, schick uns einen Freddy Röckenhaus - damit es ein Ende mit Schrecken wird!?

, 04.01.2006

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