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Filmpremiere: Wem gehört das Spiel? Über FIFA, VIPs und Fußballfans

Filmpremiere: Wem gehört das Spiel? Über FIFA, VIPs und Fußballfans

Am nächsten Donnerstag, den 16.11.06, feiert die neue Dokumentation des KIRSCHE-Autoren Ben Redelings und seines Partners, Martin Brand, seine Premiere im Bochumer RIFF. Der Film wird vom 17.11.-22.11.06 auch täglich um 18 Uhr in der UCI KINOWELT in Bochum zu sehen sein.

Ben, ihr kündigt in eurer Werbung für den Film ?winkende Maskottchen, tanzende Cheerleader, bunte Videowürfel? an. Was hat das alles mit Fußball zu tun?

Wir befürchten leider eine ganze Menge. Der Fußball ist im Jahr 2006 ? nicht nur aber auch durch die WM im eigenen Land - endgültig zum festen Bestandteil der Unterhaltungsindustrie geworden. Das ist erst einmal eine nüchterne Feststellung. Ob man das dann als gut oder eher als schlecht bewertet, hängt viel mit individuellen Werten und Vorstellungen zusammen, die jemand hat. An der Kommerzialisierung und ihren wirklich nicht schönen Ausuferungen deutelt aber niemand mehr herum. Die ist Fakt und damit müssen nun alle Fans leben?

Wie und vielleicht wann hat das Ganze denn überhaupt angefangen?

Es gibt natürlich nicht den Stichtag oder das Ereignis X, aber es war erst einmal interessant sich überhaupt ins Gedächtnis zu rufen, dass der Fußball nicht immer so uneingeschränkt beliebt und in der Gesellschaft akzeptiert war, wie er es heute unbestritten ist. Wir und viele Experten sehen Heysel und die Katastrophen in England (Bradford, Hillsborough) in den 80er Jahren als Schlüsseldaten für den schleichenden Prozess der Umwandlung. Nach diesen Ereignissen begann man den Fußball zu ?säubern?. Leute wurden erstmals bewusst aus den Stadien verdrängt. Vor allem natürlich durch ein simples wie nachhaltiges Mittel: Man wandelte nach und nach die Stadien in Sitzplatzarenen um. Zwangsläufig blieb eine gewisse Klientel aufgrund der gestiegenen Eintrittspreise zu Hause. Und in Deutschland begann man erstmals gegen Ende der 80er Jahre den Fußball anders zu präsentieren. Durch Hefte wie Sport Bild oder Sendungen wie ?Anpfiff? wurde das Spiel, im wahrsten Sinne des Wortes, ?glänzend? in Szene gesetzt.

Ihr beklagt, dass der Fußball zum globalen Massenevent verkommt. War in dieser Hinsicht die WM mit ihren psychedelisch gefeierten Partys der Eventfans ein vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung?

Die WM war ein schönes großes Fest, das völlig zu Recht so vielen Spaß gemacht hat. Aber natürlich beinhaltete dieses Ereignis auch viel von dem, was typisch ist für den Fußball, wie man ihn heute sieht und erlebt: eben als ein durchkommerzialisiertes Event, wo das eigentliche Spiel in der Regel in den Hintergrund gedrängt ist. Es ging doch gerade bei dieser WM nicht mehr darum, Fußball von zwei mehr oder weniger attraktiven Mannschaften zu schauen, sondern wichtig war, dabei gewesen zu sein. Tickets mussten gebucht werden, bevor überhaupt feststand, wer da überhaupt spielen wird. Die Hülle war das, was interessierte und zählte. Vereinsfußball funktioniert noch anders. Da sind die ?echten?, engagierten, ?ehrlichen? Fans, die Anhänger noch in der Mehrzahl. Die Frage ist nur wie lange noch?!

Wie sah der typische Fußball-Fan Anfang der 80´iger aus?

Den typischen Fan gab es natürlich auch damals nicht, aber man kann feststellen, dass diejenigen ? übrigens deutlich weniger als man heute vielleicht noch in Erinnerung hat ? , die da waren, eine sehr starke Bindung zu ihrem Verein hatten. Schließlich mussten diese Fans, gerne mit einer Kutte versehen, auch häufig den Spott vieler Nicht-Anhänger ertragen. Fußball war der so genannte ?Proletensport?. Gewalt, viele kleine und große Schlägereien waren an der Tagesordnung. Rassismus, etwa von so berühmt-berüchtigten Gruppierungen wie der ?Borussenfront? ausgeübt, spielte eine nicht zu unterschätzende Rolle. Man kann sagen, der Fußball lag in den 80er Jahren am Boden.

Was unterscheidet ihn von heutigen Stadionbesuchern?

Die traditionellen Fans gibt es natürlich immer noch, aber die Mischung innerhalb einer Arena ist eine vollkommen andere geworden. Man muss sich ja nur einmal die Frage stellen, woher auf Schalke plötzlich im Schnitt rund fünfzehn Tausend mehr Zuschauer kommen als beispielsweise 2001. In dem Jahr hat Schalke übrigens die Meisterschaft nach einer sehr guten Saison erst in der Nachspielzeit an Bayern verloren. Aber wer sind diese Zuschauer? Die Antwort fällt ganz leicht, wenn man einmal die Arena Auf Schalke im Kreis herum anschaut: Logen sieht man da. Es sind die VIPs, Firmenkunden, Tagesgäste und natürlich die Event-Fans gekommen. Leute, die schon eine Stunde vor Anpfiff mit dem über Videowürfel ausgestrahlten Fan-TV, Cheerleadern, lächerlichen Maskottchen und eigenartigen Spielen berieselt werden wollen.

Früher ist man zunächst an der Hand seines Vaters ins Stadion gegangen, später hat man sich leicht emanzipiert und dank seines Taschengelds stolz alleine den Weg dort hin geschafft. Irgendwann war es dann selbstverständlich hin zu gehen, bis man selbst Vater ist und den Sohn mitnimmt. Ist dieser klassische Weg in Zukunft überhaupt noch denkbar?

Das, was du beschreibst, enthält genau zwei der wichtigsten Dinge, die den Fußball als das ?einfache Spiel? noch retten können: Nostalgie und Leidenschaft. An den Vätern wird es nicht liegen. Aber man muss schauen, ob diese ganz spezielle Mischung aus Reiz und Zwang noch von den Vereinsmannschaften in Zukunft ausgehen kann, um neue, leidenschaftliche Fans zu binden. Auch die New York Yankees haben Anhänger, aber der Sport drum herum ist ein anderer. Paul Breitner hat Anfang der 80er Jahre vehement eine Entwicklung hin zur amerikanischen ?Operettenliga? gefordert: jetzt sind wir wohl nicht mehr allzu weit davon entfernt.

In Eurem Film kommen viele Fans zu Wort. Ein Indiz dafür, dass sich Widerstand gegen die Kommerzialisierung formiert oder eher das Pfeifen im Walde?

Es wird, so sehen wir es im Moment wenigstens, keinen nennenswerten Widerstand gegen die Kommerzialisierung geben. Das hat vor allem etwas mit unserer Gesellschaft und in zweiter Hinsicht mit der Art des Wandels zu tun. Große Demonstrationen, gesammelte, starke Aktionen gehören ja scheinbar auch im politischen Kontext der Vergangenheit an. Und so lange die Sache so kompliziert bleibt ? wer will schon noch im Regen stehen, wenn es inzwischen beheizte Arenen gibt ? und der Wandel nur ein schleichender ist, so lange wird nichts Nennenswertes geschehen. Passiert es allerdings radikal wie bei Red Bull Salzburg oder bei Manchester United, dann werden spannende Gegenaktionen provoziert. Aber dafür sind die DFL und die Herren Funktionäre in Deutschland ganz einfach zu ausgebufft.

Wem gehört das Spiel? Über FIFA, VIPs und Fußballfans
Regie: Martin Brand und Ben Redelings, Deutschland 2006, 60 Min.


Mit Ch. Biermann, Eberhard Figgemeier, Yves Eigenrauch, Herbert Grönemeyer u.v.m.

Infos und Trailer unter www.scudetto.de.

Premiere: Donnerstag, 16.11.206
Eintritt: 5 ? (im VVK bei BO-Marketing 5.50 ?)
Beginn: 19.30 Uhr - Einlass: 19.00 Uhr
Ort: RIFF - Die Bermudahalle, Konrad-Adenauer-Platz, 44797 Bochum

, 11.11.2006

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