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Deutschland entdecken-Auf Heimattour mit dem VfL Bochum (2)

Startschuss knallt unüberhörbar: Und täglich grüßt das Murmeltier?aus Saarbrücken!

Fußballer sind der beste Indikator, den es gibt. Wenn keiner über Aktien redet, wie momentan bei uns, weil jeder auf dicken Verlusten sitzt, ist das der beste Kaufzeitpunkt. Ich nenne das scherzhaft Mannschaftsindikator (Oliver Kahn).

Ein Stück Frankreich im deutschen Südwesten: Saarbrücken

Die Welt kann so einfach sein. Vier Tore, ein Auswärtssieg und alles ist wieder in Ordnung. Eine schöne Gleichung, die aufgehen könnte. Und sie geht auch auf ? und dann irgendwie wieder doch nicht. Aber vielleicht ist es am Besten, man beginnt die Sache systematisch, sprich chronologisch zu betrachten. Also starten wir am Samstag letzter Woche um 10 Uhr morgens. Nein, das war nicht die Anstoßzeit vom Auftaktspiel zur Zweitliga-Saison des VfL Bochum in Saarbrücken, auch wenn wir gerne unseren asiatischen Freunden zuliebe schon zu einem gänzlich unchristlichen Zeitpunkt am frühen Morgen gespielt hätten. Losgehen sollte es mit dem Match ?erst? um 13 Uhr, da aber das Leben nicht nur aus freier Zeit und Spaß besteht, riss ich zu dieser morgendlichen Stunde am Wochenende gemeinsam mit anderen fleißigen Mitstreitern das marode Gartenhäuschen meines Bruders ab.

Als ein Freund von Symbolik, Schicksal, Zufall und sonstigem esoterisch angehauchtem Zeugs sollte nämlich hier an diesem staubigen Orte etwas passieren, was ich getrost einmal - völlig ohne Übertreibung - Erleuchtung nennen möchte. Und um den tieferen Sinn und Charakter dieser Erleuchtung gleich vorweg zu nehmen, möchte ich in einem doppelten Gleichnisspruch feststellen: ?Wir können nicht aus unserer Haut? und ?Alles ist schon einmal da gewesen.?  Gut, diese beiden Bodensätze einer Kaffeesatzleserei mögen einen zuerst nicht umhauen ? vor allem in Bezug auf den Ausgang eines Fußballspiels -, aber jetzt kommt?s: Wenn wir erst einmal begriffen haben, dass eine Situation schon tausend Mal in identischer oder leicht abgewandelter Form da gewesen ist und nur wir es sind, die unterschiedlich (oder auch genau gleich) darauf reagieren, dann scheint das Leben plötzlich ganz leicht. Oder anders ausgedrückt: Die Welt kann so einfach sein!

Im Hintergrund: Bochumer Kurve

Was war geschehen? Erst einmal fiel uns eine Zeitung vom 14. März 1975 in die Hand. Über 30 Jahre ist das her und mit Verlaub gesagt, zu diesem Zeitpunkt war ich gerade wenige Wochen im Entstehungsprozess oder für den, der es genauer ausgedrückt haben möchte, noch nicht auf der Welt. Und was war die Titelschlagzeile dieser Zeitung? ?Koalition und Opposition einig im Kampf gegen den Terror?. Ein paar Seiten weiter: ?Nuklear-Missbrauch. Angst vor Ländern wie dem Iran?. Einmal umgeblättert: ?Kein Jubel hinterm Gipfel der Arbeitslosigkeit?. Es war gespenstisch. Man glaubte, in der Tat eine aktuelle Ausgabe in den Händen zu halten. Und was sich dann ereignete, war nicht weniger eigenartig. Plötzlich wurde uns schlagartig bewusst ? nach ein paar Scherzen über die Bauweise der Menschen vor über dreißig Jahren -, dass genau diese Männer (und Frauen), die wir niemals kennen gelernt haben, damals glaubten, sie würden dieses Häuschen für die Ewigkeit errichten. Und schwups war sie wieder da, die ?Parallelwelt? in meinem Kopf. Ich konnte gar nicht anders, als an meinen guten alten Kollegen ?Peddar? zu denken. Der hat mir zwar vor knapp einem Jahr einmal nicht die Hand geben wollen (eine andere Geschichte, die ich an dieser Stelle gerne in einem passenden Moment erzählen werde), aber sich ansonsten durch vielerlei andere, auch positive  Dinge in mein Gedächtnis eingegraben. Denn der ?Peddar? oder auch ?Peter der Große? genannt, hat nämlich vor nicht allzu langer Zeit den schönen wie unvergesslichen Satz gesagt: ?Sollten wir aus dieser Nummer noch rauskommen, sind wir gestärkt bis in alle Ewigkeit?. Ewigkeit. Hat er wirklich gesagt! Gut, die Ewigkeit sollte nicht eintreten, womit wir aber wieder bei diesem esoterischen Zeugs angekommen sind, von dem ich eingangs sprach.

Der Name Edu kriegt wieder "Klang"

Also. Als am Samstag gegen 14.45 Uhr das Spiel in Saarbrücken locker durch jeweils zwei Tore der Nachwuchshoffnungen Edu und Misimovic gewonnen worden war, hörte ich plötzlich hinter mir jemanden sagen: ?War doch klar. Die sind viel zu gut für die Liga. Die gehören da gar nicht hin?. Kurz vorher hatte mir ein anderer Kneipengast erzählt: ?Der Bemben hat gestern drei Hütten beim Spiel Düsseldorf gegen Essen gemacht. Zwei davon haben im Giebel gesessen?. Aha. Ein weiteres Déjà-vu-Erlebnis, auch wenn der Name in der Vergangenheit natürlich ein jeweils anderer war (nur mal so als Beispiel: Buckley?!).

Und was hätte ich ergänzen können? 1. Zweite Liga ist auch mal wieder schön. Gewinnen wir ordentlich Spiele und haben was zu jubeln. Und: 2. Kann man locker beim Heimspiel ein Fiege trinken. Pinkeln ist kein Problem und neues Bier holen auch nicht. Ach Gott! Soll ich jetzt noch von dem ?Gespenst aus der Kiste? Oskar Lafontaine schreiben (was sich ja eigentlich anbieten würde, weil der VfL in Saarbrücken gespielt hat)? Oder irgendeine Zeile darüber verlieren, dass das nächste Heimspiel gegen Energie Cottbus an einem Montag stattfindet und vom DSF übertragen wird? Möchte jemand etwas hören über die Euphorie, als in München ein Olympiastadion, in Gelsenkirchen ein Parkstadion oder in Bochum ein Ruhrstadion errichtet wurde? Will jemand, dass ich zu erklären beginne, was dieser ganze Text überhaupt soll, wie man ihn verstehen oder als schon einmal da gewesen identifizieren kann? Nein, sicher nicht!

Und so schließen wir mit der Erkenntnis, dass Fußball manchmal ganz schön verwirrend sein kann. Aber auch furchtbar einfach. Genau wie unsere Welt überhaupt. Alles ist schon einmal da gewesen. Nur wir selbst können nicht aus unserer Haut und tun immer so, als ob etwas völlig Neues passieren würde. Dem ist natürlich nicht so, denn täglich grüßt das Murmeltier und deshalb ist auch ganz klar: Wir steigen auf, wir steigen ab ? und zwischendurch UEFA-Cup!

Ben Redelings
2004 erschien bei Baukau-Media seine DVD über Fans des VfL Bochum
?Wer braucht schon ein Sektfrühstück bei Real Madrid? -  

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