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Die Lilien bleiben DA!

Der südhessische Traditionsverein kämpft ums Überleben 

Gestern Krefeld-Uerdingen, heute Darmstadt 98 und morgen? Wieder einmal steht ein Traditionsverein vor dem Aus! Die Gründe sind immer die Selben: Missmanagement und Unfähigkeit handelnder Personen. Und gerade weil wir Dortmunder da unsere "besonderen Erfahrungen" haben, ist Solidarität aller erste Pflicht gegenüber alten Freunden!

Wer erinnert sich noch an die Feierabendprofis? Ende der Siebziger schafften Spieler wie Walter Bechthold, Manfred Drexler und Peter Cestonaro das Kunststück Beruf und Bundesliga zu vereinen und rangen manchem Favoriten am altehrwürdigen Böllenfalltor wertvolle Punkte ab.

Später, Mitte der Achtziger, spielten die Mannen rund um Bruno Labbadia zumindest in der zweiten Liga eine gute Rolle. Das waren die Hochzeiten des Fanclubs ?Super-Lilie?, der auch zu vielen Borussen freundschaftliche Beziehungen hegte und immer zahlreich im Waldstadion gegen die Eintracht an der Seite der Westfalen zu finden war. Die Älteren unter uns ? das muss man ja schon fast so sagen ? werden sich noch an Freundschaftsaufnäher auf den Kutten (siehe Bild) und vor allem die vielen gegenseitigen Besuche erinnern. Unvergessen u.a. auch die Auftritte der ?Treuen Dortmunder ?88? bei den Fanturnieren in Darmstadt Anfang bis Mitte der 90er Jahre, auch wenn man dabei eher an die Leistungen an der Theke, denn auf dem Platz zurückdenkt...

Aber was ist aus dem kleinen gallischen Dorf in Südhessen geworden? Der alte Weggefährte aus früheren Zeiten geht finanziell am Krückstock. 1,1 Millionen Euro an Lohnsteuer und Sozialabgaben werden nachgefordert. Eine Summe, die für Bundesligaverhältnisse vielleicht kein allzu großes Aufsehen nach sich zieht ? für den heutigen Oberligisten ist dies so etwas wie ein Todesurteil.

Doch wie kam es dazu? Diese Nachforderung haben die Vorgänger des aktuellen Vorstands zu verantworten. Lange Jahre engagierte sich die Fanszene der Lilien für die Abwahl des Präsidiums der Marke ?Wiesinger?. Nach langen Protesten, mit vereinten Kräften und der Hilfe der Stadt Darmstadt erfüllte sich dieser lang gehegte Wunsch im Herbst letzten Jahres.

Ein neues Präsidium um den wie einen Messias empfangenen Hans Kessler bildete sich, räumte schnell mit alten Strukturen auf und gewann ? gerade für die eher skeptisch veranlagten Darmstädter ? überraschend schnell Vertrauen und Herz der Lilienfans. Sportlich konnte es nicht besser laufen, die junge, ambitionierte Mannschaft mit Kickern aus der Umgebung festigte schnell den ersten Platz in der Oberliga. Eine florierende Jugendarbeit zeichnet den ?neuen SV Darmstadt 98? aus.

Doch im Dezember ereilte die Lilien ein neuerlicher Schock: Eine anonyme Anzeige beim Finanzamt. Der Ausgang ist allen bekannt, die Lilienfans sahen sich nicht umsonst in ihrer Meinung über die alten ?Machenschaften? bestätigt. 1,1 Millionen ? Wut, Trauer und Bestürzung herrschte rund um das Böllenfalltor vor. Aber nur für 24 Stunden. Schon am Abend des Unglückstages trafen sich Präsident Kessler und Krisen-(Sport)manager Eilers mit dem Vorstand des Fanvereins, dem Dachverband der Lilienfans.

Spontan beschloss man eine öffentliche Runde daraus zu machen und innerhalb von nur einer Stunde war die Lilienschänke (die auch den älteren Dortmundern noch ein Begriff sein dürfte) mit fast 120 Leuten zum Bersten gefüllt. Lilienfans aller Couleur und Altersklassen liefen mit Tränen in den Augen ein und verließen nach zwei Stunden der Brandreden den Schauplatz mit entschlossenem, nach vorne gerichtetem Blick. Darmstadt hatte schon viele Miseren gemeistert ? eigentlich ist das so ziemlich das einzige, worin wir Erfahrung haben ? also werden wir auch das größte Tief des Vereins überstehen, so der Tenor.


?Auf geht?s Darmstadt ? rettet die Lilien!? hallt es aus 700 Kehlen über den Luisenplatz in Darmstadt - Bilder die wir hier nur allzu gut kennen

Den Worten sollten Taten folgen, nur zwei Tage später versammelte sich eine fünfstellige Zahl von blau-weißen Supportern um die Oberligawiese der TSG Wörsdorf, eine Woche später finden wir uns am Punkt der Einleitung wieder: 700 Lilienfans machten per Sternmarsch durch die Innenstadt die Bevölkerung auf die Lage aufmerksam und demonstrierten eindrucksvoll, dass dieser Verein noch am Leben ist, vielleicht lebendiger ist denn je.

5.200 lautete die Zuschauerzahl zum Heimspiel am Nachmittag. Rekordkulisse der Liga. Wohlgemerkt gegen Germania Ober-Roden, Gästefans: 0. So etwas wie Zweitligafeeling kam auf. Selbst der Abpfiff konnte die Emotionen nicht aufhalten: Eine halbe Stunde nach dem Spiel war der ausverkaufte Fanblock immer noch voll und am Singen, dabei die Treue zu seinem Verein zu beweisen. Selbst zwei Stunden nach dem Spiel waren die Stimmbänder von rund 250 Fans weiterhin im Einsatz, der Hessische Rundfunk verlegte sein live-Studio spontan auf die Laufbahn vor den Fanblock, um von dieser Leidenschaft zu berichten.

All? das bringt den Lilien vielleicht nicht die nötigen 1,1 Millionen. Auch die 45.000 Euro, die Privatleute innerhalb der ersten zwei Wochen gespendet haben, sind zwar eindrucksvoll, aber allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Doch zeigt es Sponsoren, Investoren und der Politik, dass der SV Darmstadt 98 gewollt wird, dass die Leute zu ihm stehen, und dass es nicht sein darf, dass die Verfehlungen einzelner Personen die Leidenschaft und den Lebensinhalt vieler Tausende zerstören.

Viele weitere Aktionen und Veranstaltungen (z.B. eine Kneipennacht mit Livemusik in 25 Darmstädter Lokalen) stehen demnächst an. Unter http://www.fanverein.de und kann sich jeder informieren. Der Fanverein Darmstadt 98 e.V. koordiniert die Aktionen und freut sich über jede Spende und Anteilnahme für die Lilien.

Fanverein Darmstadt
Volksbank Darmstadt
BLZ:
Kontonr.:

Auf dass der gebeutelte Weggefährte dem Tod noch mal von der Schippe springt und irgendwann mal wieder Borussen neue Thekengeschichten in der Lilienschänke erzählen können!

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(Der Autor ist Chefredakteur von ,
dem Magazin für Fußballkultur in Südhessen)

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