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Deutschland entdecken-Auf Heimattour mit dem VfL Bochum (5)

Zwischen Ahlen und Rostock?ein Schuss Nostalgie!

 

"Tenhagen ist der erste Mensch, der die Ecken schießen und auch noch selbst reinköpfen muss" Heinz Höher (über die damalige Sturmmisere beim VfL).

Früher war eh alles besser, vor allem aber die Trikots

Eigentlich kann ich diesen Spruch überhaupt nicht leiden: ?Früher war alles besser?. Das ist natürlich Quatsch und stimmt auch nicht. Allerdings nur theoretisch, denn je älter ich werde, desto eher merke ich, wie die Sympathien für dieses Stereotyp wachsen. Da kann ich gar nichts gegen machen. Und als neulich der zukünftige  Schwiegervater so in einem VfL-Buch, das ich mir gerade entliehen hatte, aus den frühen 80er Jahren vor sich hinblätterte und ständig lustvoll aufschrie, ob all der schönen Erinnerungen, da überkam es mich. Naja, eigentlich erst am nächsten Morgen, als ich in der Zeitung von der x-ten Neuverpflichtung des VfL Bochum, David Pallas vom FC Thun (Schweiz), in den letzten zwei, drei Jahren las. Ganz ehrlich: Keine Ahnung was ich von ihm halten soll! Ich kenne den Mann nicht und meine ganz große Befürchtung ist ? ich werde ihn vielleicht auch nie richtig kennen lernen. Und das finde ich schade. Sogar mehr als schade.

Früher ? und da sind wir wieder bei dieser unsäglichen Nostalgiebeweihräucherung ? war das anders. Da hatte jede Mannschaft ihren Stamm an Spielern, den jeder Fan so runterbeten konnte. Und wenn dann mal ein Laszlo Farkashazy kam, dann konnte man sich selbst solche Namen einprägen, obwohl der gute Mann nach nur 8 Spielen und einer Saison den VfL wieder zurück in die Heimat verließ. Die restlichen Spieler z.B. dieser Mannschaft von 1989/90 kann ich heute noch im Schlaf herunterrasseln. Und mal unter uns: 1989/90 war auch schon nicht mehr alles Gold, was glänzte. Aber immerhin blieben die Spieler so lange bei einem Verein, dass man sich ein bisschen an sie gewöhnen konnte.

Letztes Jahr traf ich zu Saisonbeginn den damals neu zum VfL gekommenen Christoph Preuß. Ein netter, sehr verschüchterter junger Mann. Ich habe versucht, ihn ein bisschen aus der Reserve zu locken. Zu schauen, aus welchen Motiven er zum VfL Bochum gekommen war. Ob sein Herz vielleicht an Frankfurt hinge, wollte ich wissen. Er vielleicht sogar Fan dieses Vereins sei. Leider kam bei diesem Gespräch nicht allzu viel herum.

Tage später las ich auf seiner persönlichen Homepage? nach unserem Auswärtssieg in Bielefeld am zweiten Spieltag ? folgenden Satz: ?Es war nicht gerade ein sehenswertes Spiel, das die Bochumer gegen Bielefeld zeigten.? Mein Gott, ja, auf der Homepage wird er nicht selbst die Texte schreiben, aber ist es zuviel verlangt, dass da der Ghostwriter ein ?WIR? einsetzt. Ein bisschen Identifikation mit dem aktuellen Verein ist doch nicht zuviel verlangt, oder?

Christoph Preuß ist längst wieder weg. Zeit ihn kennen zu lernen, hatten wir nicht. Er vermeldet übrigens aktuell auf seiner Homepage eine beruhigende Feststellung: ?Hier bin ich zuhause...das ist meine Meinung nach meinem ersten Training bei der Eintracht?. Und das ist auch gut so. Ich hoffe, er bleibt dort auch, wenn es im nächsten Jahr mit der Eintracht wieder durch die Zweitliga-Provinz geht. Schaden, so ist mein Eindruck, kann es ihm und seiner persönlichen Entwicklung eigentlich nicht. Vielleicht redet er mal mit Charly Körbel oder Manfred Binz.

Früher war nicht alles besser, um es mal abzukürzen und um auf die triste heutige Wirklichkeit zu sprechen zu kommen.  Aber ich habe den starken Verdacht, dass der Fußball als Abbild einer gesellschaftlichen Entwicklung für uns schon länger am Ball seiende immer mehr zu einem Produkt wird, das viele austauschbare Elemente ins sich trägt. Die Identifikation funktioniert fast einzig und allein über das große Ganze ? den Verein und seine Historie -, aber immer weniger über die elf Spieler auf dem Platz.
SK-Kölsch-Star Uwe Fellensiek (rechts) mit Kumpels am Ruhrstadion

SK-Kölsch-Star Uwe Fellensiek (rechts) mit Kumpels am Ruhrstadion

Ich habe noch im Ohr wie Uwe Fellensiek vor knapp einem Jahr über Peter Madsen schwärmte, ihn in den Himmel lobte und dann sehe ich eben diesen Peter Madsen am ersten Spieltag dieser Saison in einem Kölner Trikot. Den Trubel um seinen Weggang kehren wir mal unter den Tisch. Aber man könnte es kurz und knapp und sehr zynisch sagen: Wenn ihr euch nicht mit uns identifiziert, dann identifizieren wir uns auch nicht mehr mit euch! Das klingt vielleicht krass und allzu kritisch, aber ich erinnere mich in solchen Augenblicken nur für einen Moment an Gespräche mit den ?alten Recken?. Mit Lameck, Woelk oder Benatelli. Deren Herz schlägt noch immer für den VfL. Das waren und sind Fans dieses Vereins. Der einzige Unterschied zu den vielen anderen Fans auf der Ostkurve ist nur: Sie haben mal da unten für uns im blau-weißen Trikot gekämpft!

Nostalgischer Quatsch? Vielleicht. Aber ich halte es da eher mit Michel Platini, der die heutige Situation so schön und treffend auf den Punkt gebracht hat: ?Die wichtigste Aufgabe ist es, den Fußball zu verteidigen. Er hat die Tendenz, ein Produkt zu werden,  dabei müsste er ein Spiel  bleiben.? Und wenn man glaubt, man liege falsch mit seiner Meinung, man wäre nur ein Spielverderber oder Ewig-Gestriger, dann hilft manchmal der Blick in alte Fußballbücher. Und wenn man dann ganz genau hinschaut, sieht man den jungen Frank Benatelli, wie er andächtig bei einem Treffen seines VfL-Fanklubs ?Bochum-Süd? den Worten des damaligen Vorsitzenden des VfL Bochum Ottokar Wüst lauscht. Und bei diesen Bildern denke ich fast zwangläufig: Mein Gott, was würde ich drum geben, wenn ich selbst nur einmal für meinen Verein die Stiefel geschnürt hätte (und sei es in Ahlen)!

Hilft alles nichts. Also: Herzlich willkommen, David Pallas! Ich wünsche dir von Herzen viel Glück, Erfolg und eine lange Zeit bei unserem VfL Bochum. Und vielleicht können wir schon im nächsten Frühjahr zusammen singen: Wir steigen auf, wir steigen ab ? und zwischendurch UEFA-Cup! Das wäre schön und auch ein bisschen versöhnlich. Denn den Glauben an den Fußball und den Aufstieg des VfL habe ich noch lange nicht aufgegeben!

Ben Redelings, 31.08 2005

www.aufschwung03.de



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