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Vor dem Ligastart: Bundesliga ist Europas solideste Liga

Droht den europäischen Top-Ligen der Bankrott?

Vor dem Start in die Saison 2010/11 untersuchte ?A.T. Kearney - Sustainability- Benchmarking" europäische Vereine der Top-Fußballligen in den Dimensionen sportlicher Erfolg, Wirtschaftlichkeit sowie soziale und ökologische Verantwortung.

Als "normale" Unternehmen würde den europäischen Top-Ligen in England, Spanien und Italien aufgrund enormer Rentabilitätslücken in den nächsten zwei Jahren der Bankrott drohen. Der Grund dafür ist die in Summe jeweils negative Anlagenrendite (Return on Assets) von minus fünf Prozent in der englischen "Premier League", minus sieben Prozent in der spanischen "Primera Division" und minus zwölf Prozent in der italienischen "Serie A".

Anders als die Studie ?Annual Review of Football Finance? der renommierten Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte, die kürzlich zum 18. Mal die Finanzdaten im europäischen Spitzenfußball aus der Saison 2007/2008 untersucht hat und die "Premier League" vor der Bundesliga einstuft, sieht die neue Studie der Top-Managementberatung die deutschen Bundesliga-Vereine und die Clubs der französischen "Ligue 1" vorn. Sie weisen im Gegensatz in Summe eine positive Anlagenrendite auf, wären jedoch im Falle einer Pleite zahlreicher europäischer Spitzenclubs sicherlich auch in Mitleidenschaft gezogen.

Gerade die italienische Liga hat in den vergangenen Jahren einen starken Einbruch erleben müssen. Marode Stadien, die oft nicht einmal zur Hälfte mit Fans gefüllt sind, führten zu einer konsequenten Abwertung der ?Serie A.? Dass der Champions League Titel von Inter Mailand, der den Italienern auch gerade noch den vierten Champions League-Platz sicherte, die Probleme nur aufschiebt, ist offenkundig. Rassismus, Fan-Proteste und Sicherheitslücken in den Stadien lassen die Liga in einem schlechten Licht erscheinen. Besonders die Fankarte, ohne die der Erwerb von Auswärtstickets für Fans nicht mehr möglich ist, stieß den Tifosi sauer auf. Es erscheint auch fragwürdig, dass durch diese kontrolliertere Ticketabgabe das Gewaltproblem grundsätzlich gelöst werden kann.

"EU-Top 5 Football League - Sustainability-Benchmarking". Die finanzielle Misere der europäischen Top-Ligen ist vor allem auf die hohen Spielergehälter und die enormen Transfersummen zurückzuführen. Um den finanziellen Kollaps des europäischen Fußballs abzuwenden, empfehlen die A.T. Kearney-Experten sowohl auf Vereins- als auch auf Ligaebene umgehend weitreichende Reformen einzuleiten.

Bloomberg: ?Germany?s Bundesliga tops the overall ranking?

"Um die Nachhaltigkeit der europäischen Top-Ligen auf den Prüfstand zu stellen, haben wir die Performance der Ligen als Summe der Vereine in sportlicher, wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer untersucht und haben dabei sehr schnell festgestellt, dass vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht einiges im Argen liegt", sagt Dr. Jürgen Rothenbücher, Autor der Studie und Leiter der A.T. Kearney-Strategy-Practice: "Aufgrund der geringen Eigenkapitalquote und der gleichzeitig auch in Zukunft zu erwartenden negativen Anlagenrendite geht vielen Top-Vereinen in spätestens zwei Jahren das Geld aus. Geld schießt zwar Tore, aber nicht zwingend auch profitabel".

Gute Noten und hervorragende Perspektiven trotz weltweiter Rezession erhielt die deutsche Spitzenliga. ?Aufgrund ihres stringenten Lizenzierungsverfahrens gehört die Bundesliga zu den wirtschaftlich gesündesten Ligen der Welt und bleibt somit im Fokus potenzieller Investoren?, resümierte Stefan Ludwig, Senior-Manager der Sport-Business-Gruppe von Deloitte in Deutschland.



In Summe ist die deutsche Bundesliga die nachhaltigste Liga unter den europäischen Top-Ligen und belegt Rang 1 im A.T. Kearney "EU - Top 5 Football League - Sustainability-Benchmarking" - führend vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht und auch in Punkto Ökologie. Nur noch auf Rang 2 folgt die englische Premier League, die in den Dimensionen "Sport" und "Soziale Verantwortung" ganz vorne liegt. Die französische Liga 1 überzeugt auf Rang 3 in den Dimensionen Ökonomie und Ökologie (je Rank 2).

Die spanische "Primera Division" kann zwar zahlreiche sportliche Erfolge vorweisen und belegt folgerichtig auch in dieser Dimension Rang 2 - hat jedoch in allen anderen Dimensionen enormen Nachholbedarf. Das Schlusslicht auf Rang 5 ist die italienische "Serie A" - die hinteren Rängen über alle Dimensionen hinweg, kann die mittlere Platzierung (Rang 3) in sozialer Hinsicht nicht ausgleichen.

Negative Anlagerendite und geringe Eigenkapitalquote bedroht Ligabetrieb

Zur Bestimmung der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit der europäischen Top-Ligen wurden die zentralen Kennzahlen Umsatz, Eigenkapitalquote und Anlagenrendite der Vereine und Ligen untersucht - mit einem überraschendem Ergebnis: Wären die Ligen in England, Spanien und Italien normale Unternehmen, würde ihnen aufgrund ihrer enormen Rentabilitätslücken in den nächsten zwei Jahren der Bankrott drohen. Legt man die durchschnittliche Anlagerendite in diesen Ländern von vier Prozent zu Grunde betragen die Rentabilitätslücken der englischen "Premier League" -9 Prozent, der spanische "Primera Division" -11 Prozent und in der italienische "Serie A" -16 Prozent.

Die französische France "Liga 1" besitzt dagegen eine positive Anlagenrendite von 1 Prozent, was einer Rentabilitätslücke von -3 Prozent gleichkommt. Die deutsche "Bundesliga" ist mit einer Anlagenrendite von 2 Prozent die profitabelste der untersuchten Top-Ligen und hat ein Optimierungspotenzial von 1 Prozent im Vergleich zu deutschen Nicht-Sport-Unternehmen.

"Der wesentliche Grund für die prekäre finanzielle Situation sind die hohen Spielergehälter und die enormen Ausgaben für Spielertransfers", konstatiert Dr. Martin Sonnenschein, Zentraleuropachef von A.T. Kearney: "Allein in der abgelaufenen Saison wurde hier unterm Strich - also nach hinzurechnen der Transfereinnahmen - ein Minus von etwa 560 Millionen Euro gemacht." In diesem Negativ-Ranking führt die spanische "Primera Division" mit -257 Millionen gefolgt von der von der deutschen "Bundesliga" (-118 Mio.), der englischen "Premier League" (-91 Mio.), die französische "Liga 1"(-62 Mio.) und der italienischen "Serie A" (-38 Mio.). In den letzten drei Jahren hat die englische "Premier League" Spieler im Wert von fast einer Milliarde Euro und die spanische "Primera Division" für fast 600 Millionen Euro importiert.

"Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Top-Ligen noch nicht über ein ausreichendes finanzielles Kontrollsystem verfügen, so wie es beispielsweise für die deutsche 'Bundesliga' existiert. So wird von jedem Bundesliga-Verein ein Nachweis verlangt, dass bestimmte Standards erfüllt werden, um zumindest die nächste Saison ohne finanzielle Probleme zu überstehen. Werden diese nicht erfüllt, wird keine Lizenz erteilt", sagt Nikolaus Rickers, Fußballexperte bei A.T. Kearney. Bestes Beispiel dafür ist Spaniens Vorzeigeclub FC Barcelona. Hatte der vorherige Präsident Joan Laporta für die abgelaufene Saison einen Bilanzgewinn von 11,1 Mio Euro ausgerufen, so stellte sein Nachfolger Sandro Rosell nun einen hohen Verlust von 77,1 Mio Euro für den gleichen Zeitraum fest. Es ist die Strahlkraft der beiden großen spanischen Vereine Real Madrid und FC Barcelona, die fast zu einer Unantastbarkeit der Zugpferde der Liga sorgen. Immerhin schwanken auch die Schätzungen der Verbindlichkeiten der ?Königlichen? zwischen 400 und 700 Mio Euro. Genaue Zahlen kennt man in Madrid vermutlich selbst nicht. In England hat es den FC Portsmouth in der vergangenen Saison ereilt. Der totale Bankrott wurde erklärt, man versuchte sogar eine Sondergenehmigung zu erhalten, um Spieler außerhalb der Transferphase zu verkaufen und so das laufende Geschäft zu sichern.

Der höchste Trumpf der Vereine: der Wert der Spieler

Durch den hohen Wert der Spieler existierten gleichzeitig enorme Vermögenswerte in den Ligen und Teams: Aktuell belaufen sich diese in Summe auf 11,2 Milliarden Euro. In dieser Hinsicht führt die englische "Premier League" mit 3,2 Milliarden Euro, gefolgt von der spanischen "Primera Division" (2,5 Mrd.), der italienischen "Serie A" (2,4 Milliarden), der deutschen "Bundesliga" (1,6 Mrd.) und der französischen "Liga 1" (1,5 Mrd.). "Diese Vermögenswerte würden jedoch im Falle einer Systemkrise sehr schnell verfallen und schützen die Clubs nicht wirklich", so Sonnenschein. Dass beispielsweise für die 20 Vereine der Primera Division am Ende der Saison 08/09 insgesamt rund 3,5 Milliarden Euro Schulden zu Buche standen, lässt die Vermögenswerte nicht mehr so beeindruckend wirken.

Die englische "Premier League" ist führend in der Dimension soziale Verantwortung. Hierzu wurden die Zuschauerzahlen in den Stadien, die Fairness der Spieler, die Anzahl von Vereinsmitgliedern in Relation zur Gesamtbevölkerung, die Anzahl von Spielern aus anderen Nationen und verschiedene soziale Projekt der Clubs miteinander verglichen. Dass dies trotzdem nicht zu einem Boom der englischen Liga führt, ist aktuell umso deutlicher. Zum einen fühlen sich viele Fans immer mehr von ihren fremdbestimmten Vereinen entfremdet und distanzieren sich, um unterklassigen lokalen Clubs die Treue zu halten, oder aber grünen selbst neue Clubs. Der FC United of Manchester ist dabei nur ein Beispiel. Die geringe Zahl englischer Nachwuchsprofis, die eine echte Chance in der eigenen Liga erhalten, sorgt auch für einen Substanztverlust der Nationalmannschaft. Die ?Three Lions?, kläglich gegen Deutschland im WM-Achtelfinale ausgeschieden, strahlen nur noch wenig Furcht auf die Gegner aus. Ex-Nationalspieler Ian Wright forderte im Boulevardblatt ?The Sun? ein radikales Umdenken. Dabei führte er die deutsche Bundesliga als Vorbild an. Eine hohe Quote junger einheimischer Spieler, die Chancen erhalten, vergleichsweise gesunde Finanzen, eine optimale Jugendförderung und ausgelastete Stadien mit fairen Eintrittspreisen. England ist von diesen Idealen zur Zeit so weit entfernt wie vom zweiten WM-Titel nach 1966.

Was war der Neid groß vor einigen Jahren. Die aufblühende Premier League gespickt mit Stars wurde zum Ideal erkoren und in Deutschland hoben die Neider den Finger, die eine höhere Kommerzialisierung und die Öffnung für Investoren als unabdingbar für die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga hielten. Es scheint sich nun auszuzahlen, dass man standhaft geblieben ist und sich nicht den Versuchungen des Geldes hingegeben hat.

Neue Geschäftsmodelle sind dringend erforderlich

"Natürlich gehen wir nicht davon aus, dass eine der europäischen Top-Ligen in den nächsten Jahren Insolvenz anmelden wird, man muss jedoch davon ausgehen, dass einige Top-Vereine in substanzielle finanzielle Schieflagen kommen könnten, wenn die zugrunde liegenden Geschäftsmodelle nicht rasch angepasst werden," sieht Rothenbücher den ernst der Lage: "Ganz besonders die deutsche Bundesliga zeigt hier einige vielversprechende Ansätze, die von anderen Ligen adaptiert werden sollten, um ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu entwickeln, das idealerweise auch für normale Geldanleger interessant sein kann." Ein Modell hat der Hamburger SV kürzlich vorgestellt. Millionär Klaus-Michael Kühne pumpte rund 15 Mio Euro in den Verein und erhielt im Gegenzug prozentuale Anteile an Transferrechten. Mitspracherechte wurden ihm aber nach eigenen Angaben nicht eringeräumt. Ob sich das Modell trotz großen Widerstandes aus eigenen Reihen durchsetzt, wird sich erst später zeigen. Gleiches gilt für die ?Fan-Anleihe? des FC Schalke. 10 Millionen sollen durch private Förderer in die klammen Kassen kommen. Über sechs Jahre soll das Geld geliehen werden und dann vom Verein mit einer jährlichen Verzinsung von wohl fünf Prozent zurückgezahlt werden. Also ist dies eher kein attraktives Geschäftsmodell, sondern vielmehr ein Mittel zur kurzfristigen Geldmittelbeschaffung.

Dr. Jürgen Rothenbücher

Dr. Jürgen Rothenbücher

Darüber hinaus ist vor allem auch die UEFA gefragt, um die risikoreichen Finanztransaktionen der Vereine zu unterbinden. Möglicherweise kann dies mit der Einführung eines ?Salary Caps?, wie es in den Profiligen im US-Sport Gang und Gäbe ist, begonnen werden. Nach einem Vorschlag des FC Bayern dürften die Vereine dann nur noch bis zu 50 % des gesamten Einkommens in Spielergehälter stecken.

"Die nationalen Verbände und die UEFA sollten idealerweise gemeinsam sehr rasch weitere Maßnahmen ergreifen, um die Aktivitäten der Vereine in wirtschaftlich sinnvolle Bahnen zu lenken", mahnt Studien-Autor Dr. Jürgen Rothenbücher einen Kurs der Vernunft an.

? 30.07.2010

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