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Vereine jubeln und die Fans gucken in die Röhre

Vergesst Matthäus, Völler, Schuster und wie sie alles heißen. Das spektakulärste Bundesliga-Comeback aller Zeiten ist dieses hier: Leo Kirch ist wieder ein "Big Player" im deutschen Fußball, nur fünf Jahre nach der spektakulären Pleite seiner KirchMedia mischt der frühere Medienmogul wieder mit - das ist fast so, als kehrte Dr. Gerd Niebaum höchstpersönlich in verantwortlicher Position zum BVB zurück. Kirchs milliardenschwere Rückkehr erfolgt mit dem ausdrücklichen Segen der Klubs: Ausgerechnet in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) stimmten die 36 Profiklubs "mit großer Mehrheit" zu (bekanntlich enthielt sich ein Viertel, nur der HSV votierte dagegen).

Alles schon vergessen, Herr Rauball?

Alles schon vergessen, Herr Rauball?

Warum die Liga einem Mann den roten Teppich ausrollt, der sie einst in ernste Schwierigkeiten stürzte, ist klar: Schnöder Mammon, unverzichtbar für den deutschen Vereinsfußball, dessen Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich deutlich nachgelassen hat. Durch den erneuten Einstieg Kirchs können die Vereine mit einem satten Anstieg der Einnahmen rechnen. Derzeit bekommen die Schatzmeister der Klubs je Spielzeit 440 Millionen Euro aus der Fernsehrechte-Vermarktung, von 2009 bis 2015 werden es pro Saison 500 Millionen Euro (insgesamt drei Milliarden Euro) sein. Zur Absicherung des Deals sind die drei Milliarden Euro durch eine hundertprozentige Bankbürgschaft gedeckt - man kennt sich, man weiß, was schief gehen kann. Vordergründig also kein Risiko für die Vereine.

Für uns als Fans brechen ebenfalls andere (um nicht zu sagen schwere) Zeiten an, besonders für diejenigen, die selten ins Stadion gehen und ihre Ballspiel- und sonstigen Vereine meist als Sportschaukonsumenten zu Gesicht bekommen. Bisher beginnt die ARD-Sendung samstags um 18.30 Uhr, das wird sich ändern. Definitiv. Wenn mit den Rechten mehr Geld gescheffelt werden soll, muss mehr Exklusivität her. Kein Premiere oder sonstiger Bezahlsender stemmt den teuren Aufwand nachmittäglicher Livesendungen, wenn die potentielle Kundschaft schlappe anderthalb Stunden nach Abpfiff alles umsonst sehen kann. Stellen wir uns schon mal drauf ein: Bundesliga für lau wird es ab dem Jahr unseres hundertjährigen Bestehens erst am späten Samstagabend, vielleicht auch erst am Sonntag geben.

Wir können diese Entwicklung achselzuckend zur Kenntnis nehmen, wir können sie lauthals kritisieren - aufhalten können wir sie ziemlich sicher nicht. In anderen Ländern gang und gäbe, wird man uns sagen. Kritiker entgegnen darauf, dass die Verbannung des Fußballs ins Spätabendprogramm bzw. die komplette Auslagerung ins Bezahlfernsehen den Sport Beliebtheit kosten werde, Begeisterung und öffentliches Interesse werden nachlassen, die Zuschauer werden wegbleiben. Dass dies passieren könnte, lässt sich nicht von der Hand weisen: Spanien, England und Italien sind warnende Beispiele. Wobei sicher nicht alle Schuld beim bösen Fernsehen liegt, auch die teils horrenden Eintrittspreise schrecken Otto Normalfan in diesen Ländern vielleicht von häufigeren Stadionbesuchen ab.

Grafik: Andreas Gollisch

Grafik: Andreas Gollisch

Spannend ist nicht nur die Frage, WANN, sondern auch WAS wir künftig als Bundesliga im Fernsehen zu sehen bekommen. Die DFL hat nämlich vor, gemeinsam mit Kirch ein Unternehmen gründen, das nicht mehr nur die Rechte vertreibt, sondern den interessierten Pay-TV-Sendern ein komplett fertig produziertes Paket anbietet (vorgeblich, damit die geschundene Fernsehanstalt nicht unter lästigen Kosten wie Produktion, Redaktion etc. zu leiden hat und sich ganz aufs Ausstrahlen konzentrieren kann). Natürlich unter Wahrung journalistischer Gepflogenheiten wie Neutralität, Fairness, Ausgewogenheit, wie schnell beteuert wurde. Löblicher Vorsatz, allein mir fehlt der Glaube: Ein Kommentator, der von der DFL mitbezahlt wird, kritisiert schwache Schiedsrichterleistungen, nennt schonungslos technische Defizite von teuren Stars beim Namen, verspottet schülerhaftes Verhalten von in die Jahre gekommenen Abwehrrecken? Das wäre ganz neu, dass kritische Berichterstattung über ein Produkt ausgerechnet von demjenigen kommt, des er herstellt. Oder hat den Anstoß zur Aufdeckung des Libobay-Arzneimittelskandals seinerzeit die Bayer-Pressestelle gegeben?

Wollen wir schwer hoffen, dass es nicht so kommt und der glückliche Bundesliga-Sender seine redaktionelle Hoheit wahrt. Denn schon jetzt, in Zeiten "unabhängiger" Berichterstattung, serviert uns das liebe Fernsehen etikettenschwindelnder Weise häufig "Chateaubriand im Darm", obwohl eigentlich nur 'ne stinknormale Bratwurst auf dem Teller liegt.

, 12.10.2007

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