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BVB-Aktie oder: Genealogie eines Untergangs

Vom Pioniergeist vergangener Tage ist wenig geblieben. Knapp sieben Jahre nach dem ersten Börsengang eines deutschen "Fußball-Unternehmens" am 31. Oktober 2000 könnte die Ernüchterung bei Borussia Dortmund kaum größer sein. Was als ermutigendes Signal für potenzielle Nachahmer gedacht war, hatte ausschließlich abschreckende Wirkung...

Am 27.11.2007 ist es wieder soweit. Die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA lädt zum alljährlichen Leichenschmaus mit Erbsensuppe und ? wie es sich für die Bierstadt Dortmund gehört ? Cola, Fanta, Sprite bis zum Abwinken. Doch das Verlangen nach Bier ? oder auch härteren Sachen ? wird sich spätestens bei Hiobs üblichem Gastauftritt einstellen. Doch lassen wir uns einfach überraschen. In jedem Falle ist so eine Aktionärsversammlung immer auch ein guter Anlaß, einmal ein kleines, durchaus augenzwinkerndes, Resümée zu ziehen, oder besser: eine kurze Genealogie des Untergangs einer Aktie zu verfassen.

Was waren das für Zeiten als unsere großen Finanzjongleure Niebaum und Meier (besser bekannt als NieMeier) die Kohle nur so rausprusteten und in globalwirtschaftlicher Manier irgendwelche substanzlosen Werte (auch SPIELER genannt) sozusagen ex nihilo zu schaffen versuchten. Doch dann kam die dunkle Zeit als man sich im aufgetürmten Nichts nicht mehr zurechtfand und Klosterschüler Meyer eines Tages in der Badewanne sich der Worte des Archimedes entsann und das berühmte ?Heureka? ausrief. So ward eine Idee geboren ? eine grandiose Idee! Warum sollte man weiter im eigenen Nichts wühlen, wenn man doch das Nichts an irgendwelche anderen profitgeilen und deintellektualisierten Spekulanten abtreten kann? Das Problem war einzig: Wie kann ich diesen Bekloppten verklickern, daß ich zwar nichts habe und deshalb etwas brauche, jedoch gleichzeitig vermeiden, ihnen das gesamte Ausmaß dieses Schwarzen Loches zu zeigen. Und so wurde dann eine Strategie entwickelt.

Der schwarzgelbe Bulle rannte nie...

Der schwarzgelbe Bulle rannte nie...

?In Steine und Beine? wolle man investieren ? INVESTIEREN. Ja, man muß nur sagen, man wolle investieren, und schon denken alle, man hätte auch die Mittel zu investieren. Denkste! Aber der Slogan ?In Steine und Beine? war echt klasse gewählt, suggeriert er doch den Aufbau echter Werte oder Substanz (?Steine?) und gleichzeitig langfristigen sportlichen Erfolg (?Beine?), welcher sich dann natürlich auch wieder in Substanz verwandeln läßt. Dieser inhaltsleere Circulus incrementi oeconomici wird die Heuschrecken dann schon überzeugen. Hat ja auch geklappt. Und offen gesagt: Zum Zeitpunkt des Börsenganges (15 Mio. Aktien zu je 10?) dachte ich, das Unternehmen Borussia Dortmund wäre mit dieser Marktkapitalisierung von 150 Mio. ? und eines Kurs-Umsatz-Verhältnisses von 1,5 durchaus nicht überbewertet (Was bin ich froh, daß ich damals keine Kohle hatte, sonst hätte ich mir dieses Toillettenpapier vermutlich ins Depot gelegt. Bin aber dann später ? zu einem ?besseren? Kurs mal eingestiegen.)

Und nun wurde erst einmal ?auf die Kacke gehaun?. Für ´ne Menge Knete das Stadion ausgebaut (Steine) ? gute Wahl; für 50 Mio. ? drei Spieler (Rosicky, Koller, Amoroso - Beine) verpflichtet ? Meisterschaft erkauft ? mittelgute Wahl; Hamlet nicht gelesen (?Sein oder Nichtsein ? das ist hier die Frage?) ? Katastrophe, zumal diese Anschaffung wohl die günstigste gewesen wäre (4? bei Reclam Stuttgart käuflich zu erwerben, und zugleich noch mit gelbem Einband ausgestattet).

Zunächst (Saison 2001/02) lief alles noch nach Plan: Meisterschaft, dadurch Champions League, dadurch Knete. Die Saison 2002/03 lief den Erwartungen gemäß ? bis zum letzten Spieltag. Hier kam dann der Anfang vom Ende ? ein völlig unnötiges 1:1 gegen Cottbus brachte Borussia nur Platz 3 in der Liga und damit den Weg in die Champions-League-Qualifikation. Mal ganz nebenbei: Der Aktienkurs hatte sich Mitte 2003 bereits deutlichst verneigt ? immerhin schlappe 65% zum Ausgabepreis. Ja ? es gab wohl schon den ein oder anderen, der Böses ahnte. Die Qualifikation gegen Brügge ging in die Hose und jetzt wußte man, was mit ?Leuchte auf, mein Stern Borussia? gemeint war ? einer Supernova gleich implodierte der ganze Laden. Um die Lizenzen für die weiteren Spielzeiten überhaupt zu bekommen, engagierte man mittelalterliche Spezialisten, welche die DFL-Verantwortlichen in traditioneller Manier mit glühenden Eisen blendeten; Hände wurden nicht abgehackt ? die brauchte der Lizenzvergeber ja noch für die Unterschrift.

Im allgemeinen waren das natürlich glänzende Zeiten ? zumindest aus der Sicht der Philosophen. Die uralte metaphysische Frage nach dem Sein und dem Nichts war endgültig geklärt: Das Nichts ist ein Etwas; und es heißt Borussia Dortmund. Aus ?Nihilisten? wurden ?Borussen? - und Niebaum und Meier zu den Begründern der ?Dortmunder Schule?, zu Galeonsfiguren der modernen Ökonomie. Dann kam der Führungswechsel. Der Teufel (Niebaum, Meier) wurde durch Beelzebub (Rauball, Watzke) ausgetrieben. Das Stadion wurde beliehen ? in vollem Bewußtsein, die Jahresraten nicht auch nur annähernd begleichen zu können. Kurzum: Das Schiff wurde absichtlich vor die Wand gefahren, in der Hoffnung, daß sich Inverstoren finden, welche die Tradition von Borussia Dortmund nicht sterben lassen wollten oder konnten. Der Herr der Fliegen rief die Heuschrecken dieser Welt zusammen.

Das Stadion wurde von heute auf morgen mit dubiosem Geld von Morgan Stanley zurückgekauft. Kapitalerhöhungen wurden beschlossen (und faszinierenderweise auch gezeichnet ? von welchen Idealisten auch immer!) und der Aktienkurs zunehmend verwässert. Dann beteiligte sich auch die Königin der Heuschrecken, nämlich Florian Homm, am großen Fressen, zeichnete eine außerbörsliche Kapitalerhöhung, und übernahm somit 5% der KGaA. Das führte dann kurzfristig zu einer Stabilisierung der Aktie. Doch im Nachhinein betrachtet, nahm die Aktie wohl nur ein wenig Anlauf um ihren unnachahmlichen Abwärtstrend weiter fortzusetzen.



Letzten Monat hat dann Homm den Rettungsanker geworfen und sein Aktienpaket an die Börse geschmissen ? der Kurs reagierte wie erwartet. Doch meines Wissens müßte die letzte Homm-Charge bereits platziert worden sein. Warum aber setzt die Aktie immer noch ihren Sinkflug fort? Das Kurs-Umsatz-Verhältnis ist trotz der Verwässerungen durch die ganzen Kapitalerhöhungen in etwa gleich geblieben; Laut Beelzebubs Aussagen bewege man sich im vollen Konsolidierungsrahmen, und man hat etwas geschafft, das nicht viele vorher geschafft haben: Der BVB ist als einer der wenigen Erstligisten aller Zeiten in das Achtelfinale des DFB-Pokals eingezogen ? es winken Mehreinnahmen in Milliardenhöhe. Soweit das Positive.

Doch der negative Beigeschmack der Aktie überwiegt. Tatsächlich kann wohl niemand ernsthaft eine Fußball-Aktie als Kapitalanlage sehen ? die Gewinne müssen in die Verstärkung der Mannschaft ? und nicht in nachhaltige Substanz investiert werden. Desweiteren hängen die Einnahmen stark vom überhaupt nicht einschätzbaren sportlichen Erfolg ab (wobei Borussia hier garantiert, daß man über das Mittelmaß keineswegs hinaus möchte!). Und drittens könnte man als Benchmark andere europäische Fußballaktien nehmen, welche ALLE ? außer Manchester United ? niemals wieder auch nur annähernd in Reichweite des Ausgabekurses kamen.

Die Aktie ist halt nichts für Investoren, sondern eher für Idealisten. Trotz allem könnte man langsam diesem U-Boot mal ´ne Schaufel Sand unter den Kiel schütten, sonst sinkt das weiter bis in den Mariannengraben.

, 7.11.2007

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