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Jetzt machen wir erst einmal den Poldi fertig!

Ein echter Bochumer: Frank Goosen

Ein echter Bochumer: Frank Goosen

Ansichten eines Bochumers am Sonntag, den 02. November 2008 - dem Tag des kleinen Derbys. Borussia Dortmund ? VfL Bochum. Zeit: 10.53 Uhr. Ort: Kempinski Hotel am Münchener Flughafen.

?Ich bin der Achim aus Augsburg und BVB-Fan?, streckt mir ein smarter Mittdreißiger seine gepflegte Patschehand grinsend entgegen. Und noch bevor ich meine locker an der Jeans durchhängenden Greifer in Sicherheit bringen kann, spüre ich bereits seine schwitzige Manikürprange an einem meiner Körperteile. Ein kalter Schauer durchfährt mich. Irritiert angeekelt drehe ich meine Hand hin und her. ?Meinst du, wir sitzen hier richtig? Ich will nämlich heute unbedingt ins Fernsehen?, lässt sich Achim bayrisch seufzend in einen der roten Ledersessel hinter uns fallen. Mit dem geprüften Charme eines langjährigen Dorfdisco-Checkers zwinkert er der lächelnden Kamerafrau fünf Meter schräg von uns gegenüber zu. Ihr Lächeln gefriert und aus toten Augen schaut sie auf den am Boden liegenden Monitor: ?Doppelpass ? Die Krombacher-Runde?.

Während Jörg Wontorra die Menge eindringlich ermahnt, nicht zuviel von dem gratis gereichten Frauengetränk zu kosten, das auch hier und heute wieder fälschlicherweise als Bier angepriesen wird, lässt Achim nicht locker. Seine Nervosität brabbelt im tiefen bayrischen Slang aus ihm heraus: ?Ich weiß, Augsburger und BVB-Fan, des is schon eine komische Sache, aber sei?s drum. Habens halt 1989 den Pokal geholt!?

?Norbert Dickel?, sage ich betont nüchtern und zeige auf mein Knie. ?Mhm?, murmelt Achim. ?Aber warum ich wirklich BVB-Fan geworden bin, weiß ich auch nicht so genau?, lächelt er mich aus kleinen Augen fragend an. Die Fernseh-Scheinwerfer leuchten mittlerweile mit voller Kraft und blenden die bierselige Krombacher-Runde wie eine tief stehende Herbstsonne durch eine völlig verdreckte Autofrontscheibe.

Ben (rechts) neben dem "Trainer-Urgestein"

Ben (rechts) neben dem "Trainer-Urgestein"

Ich überlege kurz, Achim zu sagen, dass ich gut verstehen kann, warum er nicht weiß, wieso er eigentlich Fan des Vereins aus Lüdenscheid-Nord sei, unterbreche mich dann aber gedanklich selbst. Die Frage, warum ich VfL-Fan bin, kommt bei mir in der negativen Beliebtheitsskala nämlich auch direkt hinter ?Warum liebst du deine Frau?? und wird nur noch getoppt von meinem Alltime-Favoriten ?Was denkst du gerade??

Zwei Meter von mir entfernt wird eifrig getalkt und um mich herum schneiden einige Zuschauer Grimassen, wenn sie wieder einmal glaubten, ihrem Kurzzeitgedächtnis einen Haken schlagen zu können und zur braunen Flasche griffen. Doch die süffige Felsquellwasser-Plörre brennt auch beim zigsten Versuch noch immer die Geschmacksnerven mit einem Schluck hinfort.

Die heilige Mannschaft der Stunde, die TSG 1899 Hoffenheim, bekommt zum wiederholten Male kostbare DSF-Sendezeit geschenkt. Erst nach 75 Minuten schwingt man sich mühsam auf, einen Gedanken an die übrigen 17 Bundesligisten zu verschwenden. Auch mein blau-weißer Gewährsmann in der Runde zwischen Rangnick, Lattek und Wontorra, der Bochumer Autor und Kabarettist Frank Goosen, schafft es nur mit Mühe und Not drei Mal an völlig unmöglichen Stellen den Namen unseres Heimatvereins unterzubringen.

Laberrunde unter Wontorra's Plattheiten

Laberrunde unter Wontorra's Plattheiten

Im Land der grauen Mäuse sollen daraufhin erste Höhenfeuerwerke und vorgezogenen Maiabendfeste gestartet worden sein. Sämtliche Kirchen der Stadt läuteten ihre Glocken und im Rathaus bereitete man die Ehrenbürgerschaft für Goosen vor. Später, beim intimen Büffet danach, wird Jörg Wontorra nüchtern rekapitulieren: ?Unser bisheriges Quotentief hatten wir, als Stefan Kuntz über den VfL Bochum geredet hat. Da habe ich anschließend in der Halle gestanden und gerufen ?Liebe Quote. Bitte melde dich!?? Über das Derby am Abend wird trotz des Gastes aus dem Ruhrgebiet kein Wort verloren. Stattdessen wird das tragische Schicksal des Kölner Jung, Lukas Podolski, wieder einmal auf die Tagesordnung gehievt. Bayern geht immer und erst recht, wenn man eine teil geschlachtete Sau durchs Dorf jagen kann. Doch irgendwie kommt die Runde nicht richtig in Schwung.

Es scheint alles schon einmal gesagt worden zu sein. Bis Udo Lattek einen Geistesblitz hat. Ein wacher Moment des Wahnsinns. Noch nie wurde wohl so genau der Sinn und Inhalt dieses sonntäglichen Fußball-Stammtisches in einen Satz gekleidet. Als Lattek plötzlich und unerwartet auf das neue Spielsystem der Bayern zu sprechen kommen möchte, wird er von Wontorra energisch zurecht gewiesen: ?Das machen wir gleich, Udo!? Und Udo? Der müde Mann im grauen Anzug überlegt nicht eine Sekunde und schießt blitzgescheit lächelnd zurück: ?Okay, dann machen wir zuerst den Poldi FERTIG, und dann reden wir über das Spielsystem?. Außer Udo lacht niemand. Bis auf mich. Die feine Semantik des großen, alten Mannes der Trainerzunft belohnt mich nachträglich für lange Jahre des germanistischen Studiums.

Geschickt in Szene gesetzte Blondine...

Geschickt in Szene gesetzte Blondine...

Als die Runde schließlich zu Ende ist, knipse ich noch die absichtlich hinter Wontorra platzierte Blondine. Ihr betörendes Lächeln wird nur noch von der aus allen Poren sprießenden Bräsigkeit ihres jugendlichen Begleiters übertroffen. Wie sagte Omma schon immer: ?Jeder Topf findet seinen Deckel?. Eine ebenso beruhigende wie Angst machende Plattheit. Schließlich ließ uns Kollege Wolle schon mit vierzehn wissen: ?Dumm bumst gut?. Und was dabei passieren kann...Egal!

Weil unser Flieger erst um 14.50 Uhr geht, überlege ich beim Essen danach, ob ich den alten BVB-Trainer Lattek nicht noch nach einem Tipp für heute Abend fragen soll. Doch Wonti neben mir versperrt mir die Sicht auf die DSF-Legende zwei Plätze weiter. Und gesagt hat Udo in der letzten halben Stunde nichts mehr. Ich überlege, ob er vielleicht mit offenen Augen einen kurzen Mittagsschlaf hält. Seitdem wir ein chilenisches Haustier haben, weiß ich, dass so etwas tatsächlich geht.

Als wir 27 Sekunden nach dem Anpfiff im Dortmunder Westfalenstadion schließlich wohl behalten bei Goosens im Wohnzimmer sitzen, mache ich mir erst einmal eine Flasche echtes Bier auf. Genüsslich lausche ich den Bochumer Anfeuerungsrufen und wundere mich über die ersten Dortmunder Pfiffe. Ich denke zurück an den Vormittag in München, an Achim und an Caro. Die hatte ich noch nicht erwähnt? Schade. Denn die adrette Aufnahmeleiterin des DSF-Doppelpass könnte vielleicht die Lösung für eines der markantesten Probleme des heutigen Fußballs sein. Caro brauchte nämlich immer nur kurz in ihre zarten Hände klatschen und schon fiel das versammelte Publikum eifrig bemüht mit ein. Vorklatscher in den Stadien der Fußball-Bundesliga? Warum nicht! Wobei? Vielleicht machen wir vorher doch erst einmal den Poldi endgültig FERTIG!

, 04.11.2008 

Anmerkung der Redaktion: Ben tritt mit seinem Soloprogramm ?Fußball ist nicht das Wichtigste im Leben ? es ist das Einzige? und seinem gleichnamigen Buch am Samstag, 08. November 2008, um 20 Uhr, im Dortmunder FZW, auf. Infos und Tickets unter www.scudetto.de

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