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Der Bundesligarückblick Teil 2 - Kein Fortschritt erkennbar

Eine fußballerische Entwicklung findet nicht statt. Dies ist in der Bundesliga seit Jahren ehernes Gesetz. Ob flache, hohe oder schräge Raute ? wirkliche Fortschritte sind kaum zu registrieren. Natürlich könnte man die famose Hinrunde von Hoffenheim und die respektable Rückrunde von Wolfsburg, Stuttgart und auch teilweise von Borussia Dortmund zusammenfügen und ein wunderbares Bild von ausbalanciertem Fußball zwischen stabiler Defensivarbeit und mutigem Angriffsfußball zeichnen. Aber die Lektion, die der FC Barcelona im Hinspiel der Champions League dem FC Bayern erteilte, hat erschreckend deutlich gemacht, um wie viele Lichtjahre der Fußball in Deutschland von echter Qualität entfernt ist. Wenn?s hoch kommt, lieferten die genannten Teams vielleicht zehn Prozent dessen, was sonst zu sehen war: Magerkost zum Wegschauen und Antifußball aus purer Hilflosigkeit. Die Zahl der grauen Mäuse hat eher zugenommen: Köln, Gladbach, Cottbus, Bielefeld, Hannover, Karlsruhe, Frankfurt. Unterschied zu früher: Sie wurden alle teurer, und keiner weiß warum. Über weite Strecken stolperten auch Bremen, Berlin, Stuttgart (Hinrunde), Hamburg (Rückrunde) und München mit gutem Willen und Ansätzen, aber im Ergebnis bescheidenem Können über die Plätze. Es wurde geriegelt und verrammelt, die Raute vielfach zur 4-5-Doppelkette abgeflacht. Das Arbeitsgerät Ball bleibt vielen Spielern ein Fremdkörper, den sie nicht beherrschen und mit dem sie nur bedingt umgehen. Rennen und rackern sind die hohen Tugenden, es wird mangels Virtuosität gerne gesenst und gesemmelt, geschubst und vor allem Theater gespielt.

Die Übermannschaft der Saison war zweifellos der FC Schalke 04: Überschätzt, überbewertet, überaltert, überteuert, überfordert, überfrachtet und überlastet. Dazu kam mit Fred Rutten ein Trainer, der seine sprachlichen Kenntnisse fatal falsch einschätzte und in öffentlichen Auftritten immer häufiger unfreiwillig eine tragikomische Figur abgab. Er weckte bei manchem Zuschauer schon mütterliche Instinkte: Man war oft versucht, ihn tröstend in die Arme zu nehmen und zu erklären, dass die Welt so böse nicht ist, wie sie aus Gelsenkirchener Perspektive erscheint.


Womit wir beim Geld wären. Schalke, Hertha, HSV sind Vereine, denen seit Jahren Finanzprobleme nachgesagt werden. Sie wandern auf schmalem Grat. Die Spekulationen um Liquiditätsengpässe dürften nicht aus der Luft gegriffen sein. Hat einer der Vereine den Branchenprimus Bayern München einmal erreicht, hängt ihn die dafür benötigte Kraftanstrengung auf Jahre wieder ab. Der BVB hat sich davon bis heute nicht erholt, Schalke und Hamburg sind auf einem ähnlichen Weg. Im Windschatten der Bayern entwickelte sich nur Werder Bremen kontinuierlich zu einem ernst zu nehmenden Konkurrenten. Werder hat eine andere Struktur und ein anderes Rezept. Doch wie fragil das Gebilde an der Weser ist, zeigt diese Saison. Verletzungen, Formschwächen und eine zu schmale Qualitätsbasis im Kader warfen die Bremer weit zurück. Klaus Allofs hat (vorerst) die glückliche Hand bei der Verpflichtung neuer Spieler verlassen. Prompt geriet Thomas Schaaf ins Visier der Berufskritikaster. Nach zehn Jahren nutze sich eben jede Erfolgsgeschichte ab. Unverblümt, aber nicht unerwartet, wurde in Medien seine Ablösung diskutiert.

Felix? eigene Welt

Wasser auf die Mühlen solcher Argumentationsketten liefert Felix Magath, der in den vergangenen beiden Jahren beim VfL Wolfsburg zwischen 40 und 50 Millionen Euro für neue Spieler hat ausgeben dürfen und bei seinem Amtsantritt die halbe Mannschaft aussortierte. Nach zwei Jahren, so begründete er seinen Wechsel nach Schalke, müsse man einfach etwas Neues machen, weil Strukturen sich in unguter Weise verfestigten. Das ist zwar blanker Unsinn, aber im Augenblick kann Magath jeden Mumpitz erzählen (was er seit Wochen macht) ? er gilt als der neue Messias im deutschen Fußball. Magath vergisst hinzuzufügen, dass seine Art zu arbeiten sich innerhalb von längstens zwei Jahren abgenutzt hat. Er verfügt über ein eher bescheidenes Instrumentarium im Umgang mit reifen Fußballern, die einen untrüglichen Instinkt für die Wiederholungsschleifen ihrer Übungsleiter haben. Quälix setzt sein Abschreckungspotenzial meist gleich mit voller Wucht ein. Es kann danach aber kaum mehr dosiert und letztlich in ihrer Intensität nicht mehr spürbar gesteigert werden. So verpufft jede Wirkung, die ?harten Hunde? verschleißen sich am schnellsten. Magath weiß das. Wie langfristig gearbeitet und gefestigte Teams über einen längeren Zeitraum aufgebaut und ständig erneuert werden, zeigen unterdessen Wenger und Ferguson bei Arsenal und Manchester. Das allerdings setzt nicht nur Geld zum Kauf von Hochkarätern voraus, sondern den Mut und die Durchsetzungskraft der Trainer-Manager sowie die Einsicht in der Vereinsführung, dass Leistungsträger nie unantastbar sind. Wenger und Ferguson haben immer wieder auch verdiente Spieler aussortiert, die längst von Fans als Denkmäler verehrt wurden. Vereinfacht ausgedrückt: Wäre Wenger beim BVB, stünde ein Spieler wie Alex Frei längst zur Disposition. Es gäbe allerdings keinen Michael Zorc neben ihm.

Wie vergänglich Ruhm ist und wie wenig auf Erfolge Verlass ist, zeigen nur einige Namen dieser Saison. Jan Schlaudraff ging in Hannover ebenso unter wie der Karlsruher Egimann. Der FC Bayern hat keine Geduld mit angeblichen Supertalenten. Toni Kroos muss in Leverkusen sehen, wie er den Weg zurück an die Säbener Straße findet. Bruno Labbadia machte innerhalb einer Saison den Aufstieg zum Supertrainer und Abstieg zum Totalversager durch. Michael Frontzeck flog nach dem vorletzten Spieltag als Trainer in Bielefeld heraus, weil der Vorstand hastig aus der Schusslinie kommen wollte. Rolf Dohmen wird in Karlsruhe dafür verantwortlich gemacht, dass andere Verein den klammen KSC personell innerhalb von zwei Jahren ausplünderten und so die Substanz nahmen. Ein ganz normaler Kreislauf also. Franck Ribery bewies mit Nachdruck, dass Instinktfußballer nicht unbedingt schlau sein müssen aber ungestraft heutzutage jeden Scheiß machen dürfen, und Luca Toni hatte häufig keinen Anschluss unter seiner Torschuss-Nummer.

Jürgen Klopp dagegen machte aus dem vor einem Jahr zweistellig platzierten und noch vom Abstieg bedrohten BVB wieder eine ansehnlich spielende und zuletzt richtig erfolgreiche Mannschaft. Die Fans in Dortmund feierten ihre Wiederauferstehung aus bleierner Zeit. Markus Babbel hat bewiesen, dass Trainerscheine des DFB nicht unbedingt ein Gütesiegel sein müssen. Friedhelm Funkel liefert den Beweis schon seit Jahren, hat aber mit Frankfurt jetzt ein Einsehen gehabt. Lucien Favre machte einer alten Dame mit minimalistischen Mitteln Beine. Ansehnlich war?s allerdings nicht. Und Christoph Daum fiel dadurch positiv auf, dass er kaum auffiel und nur einmal verschnupft war. Jetzt aber ziehts ihn flugs zurück in die Türkei. Martin Jol schließlich machte Hamburg zum Meisterschaftskandidaten, suchte aber weder beim Schicksal noch bei anderen bösen Mächten die Schuld für den jähen Absturz im letzten Saisondrittel. Und Ajax ist auch eine schöne Station. Rutten ist schon beim PSV Eindhoven. Man sieht sich.

 , 02.06.2009

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