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Hamburg kann richtig geil sein

Es gibt schlechtere Ziele als Hamburg. Das gilt für Reisende allgemein, für Borussia Dortmund ganz speziell. An der Elbe haben wir eine ausgesprochen solide Bilanz, von 42 Spielen haben wir da oben zehn gewonnen und weitere 12 zumindest nicht verloren. In den Jahren zwischen 1998 bis 2006 ging kein einziges Auswärtsspiel beim HSV verloren, 9 Mal kehrte der BVB mit mindestens einem Punkt an die Strobelallee zurück. Gut, die letzten drei Spiele wurden verloren, aber zwei davon knapp (0:1; 1:2) und beim dritten war Beschiss im Spiel, weil Lutz Wagner eine Schwalbe von Mahdavikia als Foul von Weidenfeller wertete und den Hamburgern so die Führung schenkte.

Dessen ungeachtet fahren wir gern gen Norden, sind Spiele in Hamburg doch mit wirklich großen Momenten der BVB-Geschichte verbunden. Wie dem legendären 4:3-Sieg des frechen Bundesligaaufsteigers am ersten Spieltag der Saison 1976/77. Der Drops war schon zur Halbzeit gelutscht, Hans-Peter Hartl, Peter Geyer und Erwin Kostedde hatten ein schönes Polster geschaffen. Der ?braune Bomber?, erster dunkelhäutiger Nationalspieler der DFB-Geschichte übrigens, legte noch mal nach, als es knapp zu werden drohte. Was für eine Rückkehr ins Oberhaus!


Auch in der jüngeren Vergangenheit gelangen an der Stelle, an der früher das Volksparkstadion stand, großartige Siege mit unvergessenen Momenten. Wer erinnert sich nicht, wie unser fantastischer und bereits 35 Meter vor dem leeren HSV-Gehäuse jubelnd die Arme hochreißt. Es muss ihn sehr gejuckt haben, diesen Ball auf der Linie anzustoppen und im Liegen per Kopf einzunetzen. Was unweigerlich eine Rote Karte wegen Unsportlichkeit zur Folge gehabt hätte, aber trotzdem.

Unvergessen auch der 27. April 2002. als Bayer Leverkusen die Freundlichkeit besaß, sang- und klanglos beim abstiegsgefährdeten Club aus Nürnberg mit 0:1 baden zu gehen. Als Tabellenführer. Am vorletzten Spieltag. Diese Tabellenführung waren die ?Pillen? los, weil Borussia Dortmund trotz der schlechteren Ausgangsposition große Lust auf den sechsten deutschen Meistertitel hatte. Und große Fußballer in seinen Reihen. Nicht nur tolle Kicker, sondern auch siegeswillige Charaktere. Und mit dem Jungtrainer Matthias Sammer einen Typen, der schon als Spieler, euphemistisch ausgedrückt, ?ungern? verlor.

Garniert mit diesen Zutaten erlebten die 55.300 Zuschauer in der pickepackevollen Schüssel, die wegen ihres Äußeren von Sankt-Pauli-Fans als ?Müllverbrennungsanlage verunglimpft wird, ein denkwürdiges Fußballspiel. Sieben Tore, zwei Elfmeter, zwei Spieler-Platzverweise und die Verbannung des Gästetrainers auf die Tribüne, weil der einen Ball statt ins Feld zurück dem Hamburger Bernd Hollerbach in den verlängerten Rücken kickte. Und einen famosen Sieger, der am Ende eines dramatischen Spiels mit 4:3 die Oberhand behielt.

Sowohl beim Gedanken an die Torschützen, die Güte der Tore und die Mannschaftsaufstellung wird zumindest mir warm ums Herz. Amoroso, diese verrückte Diva, traf zweimal. Einmal vom Elferpunkt mit einer dieser unnachahmlich verzögerten Krücken. Beim zweiten drosch er einen Freistoß mit rechts in die Mauer, den Abpraller versenkte er zu seiner eigenen Überraschung mit links in Pieckenhagens Gehäuse. Tomas Rosicky machte eine wunderschöne Hütte nach einer vorzüglichen Vorarbeit Amorosos. Und unser ?Dino? Jan Koller knotete mit dem 4:2 den Sack zu, nach einem museumswürdigen Zuspiel von Otto Addo.

Die Rothosen spielten an jenem Nachmittag klasse mit, ließ uns keine Ruhe, lief aber dennoch der Musik nur hinterher. Wicky verkürzte zwischendurch zum 1:2, Hoogma zehn Minuten vor Schluss zum 2:3 und Eric Meijer mit einem richtig geilen Gerät genau in den Knick zum 3:4 in der Schlussminute. Zum Genießen noch mal schnell unsere Mannschaftsaufstellung: Lehmann - Metzelder, Wörns, Heinrich, Reuter - Kehl, Rosicky, Ricken - Addo, Koller, Amoroso. Kohler, Ewerthon und leider Oliseh wurden noch eingewechselt.

Einen derartigen Wahnsinn am zweiten Spieltag der Saison 2000nullneun wieder zu erwarten, wäre vermessen, ein spannende Partie zu prognostizieren, indes nicht. Schließlich treffen zwei Teams aufeinander, die in der vergangenen Spielzeit nur durch ?Sackhaaresbreite? und ein Abseits-Tor von Trchowski getrennt durchs Ziel liefen. Was blöderweise Hamburg die Europapokalteilnahme bescherte und uns nette Komplimente.

Der HSV hat wie so oft in den vergangenen Jahren personell richtig aufgerüstet. Ze Roberto von den Bayern geholt, ein phantastischer Zugewinn. Oder aus Holland Mittelfeldmann Eljero Elia. Und das schwedische Sturmjuwel Magnus Berg, hinter dem halb Europa her war. Hamburg ist zahlungskräftig, hat in den letzten Jahren mit einer geschickten Transferpolitik richtig Asche gemacht - man denke nur an die aberwitzige Millionensumme, die Manchester City für den holländischen Durchschnittstreter Nigel de Jong auf den Tisch geblättert hat.

Zwei Dinge hat der einzige Immer-Bundesligist nicht kaufen können: Einen Titel und Konstanz. Ungeachtet der positiven sportlichen Entwicklung kommt in Hamburg immer schnell Unruhe auf und es wird gern palavert. Trainer kommen und gehen, der fleißige und branchenintern geschätzte Manager Didi Beiersdorf wirft hin, weil Klubchef Bernd Hoffmann ein Problem mit ihm hat. Für den arrivierten Martin Jol sitzt inzwischen Bruno Labbadia auf der Trainerbank. Ein Mann, der eine starke Hinrunde und die Pokalfinal-Teilnahme mit Leverkusen in seinen Colt geritzt hat, ansonsten nur ein bisschen Darmstadt und etwas Greuther Fürth. Ob das gut geht in einem Verein mit derart hohen Erwartungen?


Zum Saisonstart gab es für den HSV ein durchwachsenes Remis in Freiburg, eigentlich enttäuschend. Das gelang dem BVB besser. Zwar wurde gegen Köln mal wieder beim Toreschießen geschlampt, dank der gütigen Mithilfe des FC-Unglücksraben Marvin Matip stehen wenigstens drei Punkte auf dem Konto. Borussias Kulttrainer Jürgen Klopp hat eigentlich wenig Veranlassung, an der Formation des Auftaktspiels etwas zu ändern. Kurzfristig entscheiden wird er, ob Dede von Beginn an spielt. Unser Brasilianer ist nach überstandenem Kieferbruch wieder richtig bissig und würde gern sein erstes Saisonspiel machen. Auch er hat in Hamburg schon geile Nachmittage ohne Reeperbahn erlebt...

Uli Vonstein, 14. Auguust 2009

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