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Schädelstätte

Sie sahen nur das, was nicht geschehn,
und hörten nur das, was ihnen frommt.
Ich hab' schon am Anfang das Ende gesehn
und wusste, was nach dem Ende kommt.


(Karl Kraus, ?Immer feste druff?)

Innenpolitischen Problemen weichen gewiefte Diplomaten mit Ausflügen in die Außenpolitik aus. Ein wohlmeinender Mensch mag dies dem starken Mann beim Dortmunder Revierrivalen, Clemens Tönnies, eingeflüstert haben. Die zuletzt zunehmenden öffentlichen Auftritte sind eine Inszenierung, um von der internen Finanzmisere abzulenken. Tönnies will das ramponierte Image des hoch verschuldeten Klubs aufpolieren und die wankelmütigen Fans ruhig stellen.

So lockte er unlängst Bundespräsident Horst Köhler ?auf Schalke?. Viel dürfte nicht herausgekommen sein ? abgesehen von Medienaufmerksamkeit für den Aufsichtsratsvorsitzenden Tönnies an der Seite Köhlers. Auf Köhlers Ruf als Fachmann im internationalen Finanzwesen, in dem sich Schalkes Kassenverwalter verheddert zu haben scheinen, ist nicht viel zu geben. So spottete die Financial Times Deutschland fast zeitgleich mit Köhlers Ausflug ins blaue Grauen, der erste Mann im Staate sei mit pauschaler Kritik an den Finanzmärkten zum ?Bundespopulisten? herabgesunken. So ist Köhler eher kein guter Begleiter bei Tönnies? verzweifelter Suche nach frischem Geld.

Im Derby zwischen Borussia Dortmund und FC Schalke 04 drängte sich Clemens Tönnies gezielt in den harten Kern der Fans im Stehblock auf der Dortmunder Nordtribüne. Auf ein Wort der Kritik an martialischen Marschkampagnen wartete man vergebens. ?Auf Schalke? sind im biederen Fan-Volk folkloristische Ausflüge immer gerne gesehen. Der große Tönnies schnuppert den Stallgeruch der Basis und die stets unter Verfolgungswahn leidende blaue Welt fühlt sich voller Wonne aufgewertet im Glanz des größten Schweineschlachters der Republik. 13 Millionen Rüsseltiere lässt Tönnies jährlich verwursten. Sein Name ist Programm. Denn sprachgeschichtlich stammt ?Tönnies? wohl von ?Antonius? ab. Davon gibt es in der katholischen Kirche gleich zwei.

Bekannt ist Antonius von Padua, weniger bekannt ist Antonius, der Eremit aus Ägypten. Letzterer wird häufig in Begleitung eines Schweins in Kirchen dargestellt. Im Rheinland ist er bekannt als ?Ferkestün? ? Anton mit dem Schwein. In Kölns reichhaltigem Fundus an Originalen finden wir das Duo ?Tünnes on Schääl?, das durchaus eine Entsprechung im Gespann Tönnies und Magath auf Schalke gefunden hat. Clemens Tönnies verdient mit dem industriellen Schweine-Dahinraffen so viel Geld, dass er schon mal einen kräftigen Millionenbetrag in die klamme Schalker Kasse nachschieben kann. Clemens gibt sich dann seinem Vornamen gemäß. Das lateinische Wort lässt sich mit ?der Sanftmütige? oder auch ?der Milde? übersetzen.

Wundermann Magath: Teuren Pressesprecher engagiert, aber langjährige Angestellte aus der Rechtsabteilung und der Hausmeisterei entlassen...

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Apropos Namen. Das alter Ego am Schalker Markt, Felix Magath, ist ein würdiger Träger seines Vornamens. Felix, lateinisch für ?der Glückliche?, unterschrieb dem Vernehmen nach den Vertrag als Alleskönner von Gelsenkirchen bei einem konspirativen Treffen mit Tönnies in einem Parkhaus. Felix präsentierte wenig später eine westfälische Schlachteplatte mit dem Kopf von Präsident Josef Schnusenberg in Sülze. Der war erst zwei Jahre im Amt und hatte über ?Bild? noch im März dieses Jahres angekündigt, er werde mit dem internen Chaos aufräumen. Tönnies ließ zu, dass sein langjähriger Freund Schnusenberg als Verantwortlicher für Finanz-Irrgärten verantwortlich gemacht wird, die man aus Niebaums und Meiers Zeiten in Dortmund kennt. In der Not kennt er keine Freunde.

Der BVB rettete seinerzeit seinen Hals auch mit ausgezeichneten Beziehungen in höchste politische Etagen. Daran dürfte Tönnies sich erinnert haben, als er in dieser Woche dem ?Königsblauen Landtag? einen Besuch abstattete. Abgesehen vom Unfug dieser Begriffskombination sicherte sich der Westfalen-Tün vor allem mediale Aufmerksamkeit. Tönnies schwadronierte den Polit-Knappen etwas über Finanzen in seinem Verein vor und gab bei Silvio Berlusconi abgeguckte Ratschläge.

In der Politik mangele es an ?Konsequenz?, dozierte der in seiner Verortung nicht sattelfeste Fleischfabrikant: Im Landtag, wohlgemerkt, riet er der neuen Bundesregierung, sich nur wenige Ziele zu setzen, die aber müsse sie ?durchhauen?. Tönnies mag keine halben Sachen, verabscheut Steuern, Gefasel (wahrscheinlich nur bei anderen) und Diskussionen.

Die Entlassung etlicher kleiner Angestellter begründete er damit, der Verein untersuche bei jedem, ob er das Unternehmen Schalke weiterbringe. Vermutlich wird Albert Streit so noch ?Mitarbeiter des Monats Oktober?. Es soll Abgeordnete am Rhein geben, die Tönnies? Ankündigung, er werde mit Magath zurückkehren, als Drohung auffassen. Wäre möglich. Vielleicht versuchte Tönnies schlicht vergeblich, in Düsseldorf Steuergeld über Bürgschaften oder andere Zusagen für den klammen Verein einzusammeln. Da wird sich demnächst Felix durchhauen und zur Not Verträge auf dem Herrenklo überm Urinal unterzeichnen.

So kehrte Tönnies nach Gelsenkirchen zurück, von dem das Institut für Stadtgeschichte ermittelte, der Ort habe um 1150 ?Geilistirinkirkin? geheißen. Das angeblich ?eine Kirche, wo sich geile Stiere tummeln?. Das wäre der Ursprung allen blauen Übels dieser Welt und erklärt, warum sich in der Trinkhalle eine Kapelle befindet. Man ist geschichtsbewusst in königsblauen Kreisen. Vielleicht mehr, als dem Verein lieb sein darf.

Denn ?Schalke? als Ort in der Nähe von ?Geilistirinkirkin? hieß Scedelike, Sceleke, Scadelik, Schadelick, Schalicke, Schalecke, Schalcke. Daraus entwickelte sich Schalke, was so viel bedeutet wie ?Gegend um den Schädel?. Bricht demnächst das wackelige Finanzgerüst auseinander, in dem sich angeblich nur Schnusenberg auskannte, wird die Trinkhalle zur Schädelstätte. Und der S04 wird geschechtert. Es wird viel Blut fließen.

Eben wegen dieser ungemütlichen Binnenlage verlegt sich Tönnies auf die Außenpolitik. Die bringt nichts ein, schafft aber Ruhe an der Front. Die militärischen Begriffe hat er ins Spiel gebracht. Tönnies will als ?harter Sanierer? und ?frei von Gefühlen? (wissen die Fans das?) ?sauber durchmarschieren?.

Weniger provozierendes Kalkühl, sondern eher strategisch motivierte Fannähe demonstriert Tönnies

Weniger provozierendes Kalkühl, sondern eher strategisch motivierte Fannähe demonstriert Tönnies

Es passt auch ins Bild, dass Tönnies keinen Finger rührt, um das aufgeheizte Klima zwischen Schalke und Dortmund abzumildern. Tönnies muss Stärke und Durchsetzungswillen zeigen, die Simpel unter den Fans legten ihm eine diplomatische Annäherung an den BVB als Schwäche vor dem Feind aus. Solche Nebenkriegsschauplätze kann Tönnies nicht gebrauchen. Das gilt auch für Felix Magath, der nicht müde wird, den blauen Anhang zu umschleimen.

Denn niemand darf auf die Idee kommen, dass er einem Riesen auf tönernen Füßen Götzendienst leistet. Der überfällige Ruf der Fanabteilung des BVB nach Vernunft und Annäherung ? manchmal glaubt man wirklich, hier führten einige Hohlköpfe Krieg ? wird ungehört verhallen. Tönnies hat daran kein Interesse. Dass auch die BVB-Führung bisher den Eindruck erweckt, ihr liege nichts an einer konfliktfreieren Zukunft, ist der eigentliche Skandal im Binnenverhältnis beider Vereine.

Lieber verwandelt man das Umfeld von Stadien und die Innenstädte von Gelsenkirchen und Dortmund in Schädelstätten.

, 09.10.2009 

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