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Hartplatzhelden: Vom Platz gestellt (2)

Fortsetzung
Der WFV war bisher zweimal siegreich, weil er die Gerichte davon überzeugen konnte, dass er die Bilder ?seiner? Spiele ?in vergleichbarer Weise? wie die Hartplatzhelden vermarkte. Tat-sächlich gibt es im Einzugsbereich des WFV rund ein halbes Dutzend Lokalzeitungen, die regelmäßig Bewegtbilder aus dem Amateurfußball anbieten, darunter die Backnanger Kreiszeitung, die Nürtinger Zeitung und die Pforzheimer Zeitung.

Sie zeigen auf ihren Onlineplattformen Spielberichte von etwa zweieinhalb Minuten Länge, dazu kommen noch Interviews mit Trainern oder Spielern. Die Filme werden von einem Partner des WFV produziert: der Firma Die Ligen GmbH, die sich auf Spiele der unteren Klassen (auch in anderen Mannschaftssportarten) spezialisiert hat. Auf deren Website die-ligen.de sind die Bilder ebenfalls zu sehen. Pro Partie zahlten die Zeitungen dafür Summen ?im niedrigen dreistelligen Bereich?, sagt WFV-Sprecher Heiner Baumeister, der glaubt, dass regionale Fußballspiele bald ?der wichtigste Online-Inhalt? für solche Medien sein werden.

Mal abgesehen von der Frage, ob die Zeitungen noch bereit sind, externe Produzenten zu bezahlen, wenn das eigene Personal in der Lage ist, Bewegtbilder zu produzieren: Wie das OLG darauf gekommen ist, dass die Videosequenzen der Hartplatzhelden mit den Kurzberichten, die die-ligen.de und die Lokalblätter anbieten, miteinander konkurrieren, ist nicht leicht nachzuvollziehen. Die Hartplatzhelden-Videos werden, anders als das Material, das Die Ligen GmbH liefert, von Amateuren produziert. Vor allem entsprächen sie ?nicht im Ansatz einer umfassenden Fernseh- oder Hörfunkberichterstattung, aus der sich die rechtlichen Diskussionen in Rechtsprechung und Literatur ergeben?, argumentiert Fabian Reinholz.

Wer bei Hartplatzhelden das Geschehen in einer Bezirksliga seiner Wahl verfolgen will, wird dort keine entsprechenden Informationen finden, sondern lediglich unkommentierte spektakuläre Szenen, die im besten Fall wenig Aufschluss zulassen über den Rest eines Spiels und grundsätzlich gar keinen über die Lage der Liga. Für die Richter aber ist Bewegtbild gleich Bewegtbild ? unabhängig vom Inhalt. Diese Interpretation drängt sich auch bei deren Einschätzung auf, dass unentgeltliche ?Übertragungen oder Berichterstattungen? insbesondere im Fernsehen einem Veranstalter ?auch im Amateurbereich? einen ?Teil der wirtschaftlichen Verwertung seiner Leistung? nähmen und ?die Internetberichterstattung in diesem Bezug nicht anders beurteilt werden? könne.



Doch selbst wenn die Hartplatzhelden mit den Angeboten konkurrieren, die der WFV abgesegnet hat, könnte das kein Grund sein, sie in ihrer Arbeit zu behindern, sagen die Berliner Juristen Torsten Feldmann und Julian Höppner. Sie sehen in der Stuttgarter Rechtsprechung einen Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Kurzberichterstattung: ?Eine durchgängige Kommerzialisierung von Informationen, die dem Erwerber der Verwertungsrechte gestattete, damit nach Belieben zu verfahren und Dritte auszuschließen oder in der Teilhabe zu beschränken? sei mit Artikel 5 des Grundgesetzes nicht vereinbar. Im von Feldmann/Höppner erwähnten Urteil (1 BvF 1/91) heißt es dazu: ?Eine Monopolisierung der Berichterstattung würde das Ziel der freien Meinungsbildung gefährden, weil sie eine uniforme Information begünstigt.?

Unter der Hand geben hochrangige Funktionäre des WFV-Mutterverbands DFB, der die Klage unterstützt, durchaus zu, dass es ihnen gar nicht um eine relativ kleine Plattform wie die Hartplatzhelden gehe. Man befürchte aber, dass ein finanziell potentes Medienunternehmen deren Idee adaptiere und ein ähnliches Projekt in großem Stil durchziehe, wenn man das Tun von Fritsch und Co. nicht unterbinde. Doch offiziell ist der Ton rau: Bei den Hartplatzhelden gehe es um ?Kommerz?, sagt WFV-Justiziar Thumm.

Dass die Sache von ?grundsätzlicher Bedeutung? ist, sieht im übrigen auch das Stuttgarter OLG so. ?Weil die zitierten Entscheidungen teils noch das alte UWG voraussetzten und durchweg zum Profisport ergangen sind?, sei die Revision zu-lässig, schreiben sie in ihrem Urteil. Eine von ihnen mehrfach zitierte Entscheidung, in der Rechtsliteratur unter dem Schlagwort ?Vortragsabend? bekannt, stammt aus dem Jahr 1963; seinerzeit gab der BGH einem Kabarettveranstalter Recht.

Sogar aus dem Jahr 1958 stammt die Entscheidung in der sogenannten ?Boxprogrammhefte?-Sache, die die Richter zur Definition des Veranstalterbegriffes heranziehen. Wenn die Stuttgarter Richter ein Urteil fällen, das weder die aktuelle Gesetzeslage berücksichtigt noch auf die veränderten Gegebenheiten in der Medienbranche reagiert, fragt man sich natürlich, ob sie über das Internet so wenig wissen wie die Politiker, die vor dem rechtsfreien Raum warnen?

Dank des bisherigen Erfolgs des WFV haben andere Verbände Oberwasser bekommen, wie einige Vorfälle aus der jüngeren Vergangenheit illustrieren. Kurz nach dem OLG-Urteil untersagte der Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen (FLVW) Vereinen, die direkt mit den Hartplatzhelden kooperieren wollten, eine solche Zusammenarbeit. Im Sommer bat der Hessische Fußballverband (HFV) den Verein VfL Philippsthal, Videos mit Spielszenen, die Klubmitglieder bei YouTube hochgeladen hatten, ?zeitnah? zu löschen. Der Niedersächsische Fußballverband kündigte kürzlich sogar an, möglicherweise die Online?Veröffentlichung von Fotoaufnahmen aus seinem Zuständigkeitsbereich auf Portalen wie myheimat.de zu verbieten. Gestattet sein sollen sie nur bei fussball.de ? einem Joint Venture zwischen DFB und Telekom ? und auf Vereins-Websiten. Die Niedersachsen wollen aber erst einmal das BGH-Urteil abwarten, ehe sie Maßnahmen ergreifen.

Die Hobbyfotografin und ?videofilmerin Ingrid Djakou, die bei ?Hartplatzhelden? regelmäßig Filme hochläd, sagt: ?Wenn ich aus Leidenschaft für dem Amateurfußball und ohne dafür bezahlt zu werden, etwas veröffentliche, will ich mir doch nicht vorschreiben lassen, wo ich das tun darf.? Schließlich gibt es unzählige Möglichkeiten, private Fotos ins Netz zu stellen. Und der Bürgerreporter Lars Klingenberg schreibt auf myheimat.de: ?Ich sehe es bei dem aktuellen Verlauf noch kommen, dass sich Eltern bei den Landesverbänden oder vielleicht sogar beim DFB akkreditieren müssen, damit sie ihren Sohn oder ihre Tochter beim Spiel fotografieren beziehungsweise filmen dürfen.?

Dass die Entscheidungen in der Hartplatzhelden-Causa rückwärts gerichtet sind, verdeutlicht ein Blick auf einen Vortrag, den David Schlesinger, Chefredakteur von Reuters News, vor einigen Wochen vor der Press Commission des Internationalen Olympischen Komitees hielt. Übertragungsrechte und Akkreditierungs- regelungen müssten komplett überdacht werden, sagte er. Bisher, so Schlesinger, seien Akkreditierungen stets für eine bestimmte Mediengattung definiert. Wer als Berichterstatter für ein Print-, Hörfunk- oder Internetmedium akkreditiert ist, darf keine Fotos oder Bewegtbilder erstellen. Solche Unterscheidungen scheinen aber hinfällig geworden zu sein, weil ein Printjournalist mit einem Mobiltelefon heute in Echtzeit auch Fotos und bewegte Bilder liefern kann, die zwar die klassische Berichterstattung in diesen Bereichen bei weitem nicht ersetzen, aber zumindest ergänzen können.

Darüber hinaus können Stadionbesucher, die keine Journalisten sind, etwa mithilfe von Twitter in Echtzeit in alle Welt Informationen und Bilder verbreiten ? also Dinge zu tun, für die Medien bisher Akkreditierungen benötigten oder sogar Rechte erwerben mussten. Mittelfristig stehen die Sportverbände also auf verlorenem Posten, wenn sie auf ihrer Haltung beharren, dass ihnen quasi etwas gehöre. ?Können Sie sich vorstellen, dass bewaffnete Sicherheitskräfte versuchen, jedes Telefon jedes Zuschauers zu konfiszieren?? fragte Reuters-Mann Schlesinger sein Auditorium. Natürlich gibt es noch eine andere Möglichkeit, unliebsamen Bürgerjournalismus zu stoppen, zumindest rein theoretisch: Sämtliche Plattformen, auf denen sich Videos oder Bilder verbreiten lassen, müssten permanent jedes aktuell hochgeladene Dokument auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen.

Egal, welche Variante die mächtigen deutsche Fußballfunktionäre favorisieren: Nicht einmal ihnen dürfte es gelingen, eine davon durchzusetzen.

, 18. November 2009

Fotos: SuS Sichtigvor

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