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Ernüchternder Bundesligaauftakt gegen Leverkusen

Die "Hartplatzhelden" ziehen vor den Bundesgerichtshof. Die Betreiber des Internetportals wollen die Frage klären lassen, wem die Rechte an Bildern von Amateurfußballspielen gehören. Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben...

?Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein? ? wenn es um in der öffentlichen Diskussion in den letzten Monaten um vermeintlich webspezifische Gefahren und die geeigneten Ge-genmaßnahmen ging, hat man diesen Satz von Politikern oft gehört. Journalisten, die nebenbei eine Website unterhalten, oder Internetakteure, die mit klassischem Journalismus nichts zu tun haben, haben dagegen längst lernen müssen, dass das Internet ein Raum ist, wo einem an jeder Ecke das geltende Recht zum Verhängnis werden kann.

Oliver Fritsch, Sportredakteur bei Zeit Online, gehört dazu. Er hat die Hartplatzhelden mitgegründet, eine Plattform, auf der Anhänger des Amateur- und Jugendfußballs spektakuläre Sze-nen aus den unteren Ligen hochladen. In der Regel stammen die User Generated Videos von Freunden oder Eltern der Frei-zeitkicker. Wer die Clips anlickt, sieht zum Beispiel einen Ball in den Winkel fliegen und dann jubelnd übereinander herfallende Männer. Darunter steht: ?Mikail Cetinkaya vom Kreisoberliga-Neuling SSV Hommertshausen gelingt mit einem Freistoßtreffer gegen seinen Ex-Verein FV Wallau der 2:1-Siegtreffer.?

Die kurzen Filme sind eigentlich in mehrererlei Hinsicht eine gute Sache: Freizeitkicker wie Cetinkaya freuen sich darüber, dass dank der Hartplatz helden solche ganz persönlichen Hö-hepunkte für die Nachwelt erhalten bleiben. Und für die von Zuschauereinbußen geplagten Amateurvereine hat die User-Generated-Content-Plattform zumindest potenziell einen Wer-beeffekt.

Der Württembergische Fußballverband (WFV) hat etwas da-gegen. Er hat im Frühjahr 2008 gegen die Hartplatzhelden geklagt, weil auf deren Website auch Videos von Partien aus seinem Hoheitsgebiet zu sehen waren. Der WFV fühlt sich als ?Leistungserbringer? dieser Amateurfußballspiele. Die Hart-platzhelden verletzten die Verwertungsrechte des Verbandes und beeinträchtigten dessen Vermarktungsmöglichkeiten, ar-gumentiert der WFV. ?Die Filme, die wir zeigen, gehören nicht den Verbänden, sondern Privatleuten?, betont dagegen Oliver Fritsch.

Der Verband bekam bisher zweimal Recht, zuletzt im März dieses Jahres vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart. Doch zu Ende ist diese in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Rechtsgeschichte noch lange nicht. Die Betreiber der Video-plattform haben sich entschieden, beim Bundesgerichtshof Revision einzulegen, und bitten seitdem um Spenden, um dies finanzieren zu können. Fritsch kritisiert, dass sich das OLG mit dem in der Medien-branche viel diskutierten Phänomen Bürgerjournalismus nicht grundlegend auseinandergesetzt habe. ?Eine Ausweitung des Pressebegriffs hat faktisch längst stattgefunden hat, aber recht-lich noch nicht?, sagt er.

Abgesehen davon, dass die Stuttgarter Richter geißeln, die Aufnahmen der filmenden Bürgerreporter seien ?rechtswidrig entstanden?, gehen sie tatsächlich kaum auf das Thema ein. Ausführlich argumentieren sie dagegen mit dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Ein Fußballspiel sei ?eine nachahmungsfähige Leistung? im Sinne des Paragraph 4 des UWG, schreiben die Richter in ihrem Urteil (2 U 47/08) ? und bestätigten damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts.

Hartplatzheld: Kirsche-Redakteur Christian Flaake

Hartplatzheld: Kirsche-Redakteur Christian Flaake

Auf die Idee, dass ein Fußballspiel ein nachahmungsfähiges Produkt ist und ein kurzer Videoclip in diesem Sinne eine Nachahmung, muss man erst einmal kommen. Aber selbst wenn man diese Konstruktion zulässig findet, lässt sich die Entscheidung gegen die Hartplatzhelden daraus gar nicht ab-leiten. Ansgar Ohly. Professor an der Universität Bayreuth und Experte für Patent-, Wettbewerbs- und Urheberecht, betont im sportjuristischen Fachmagazin ?Causa Sport?, dass im UWG der ?Grundsatz der Nachahmungsfreiheit? verankert sei. Auf diese Freiheit kann man sich nur dann nicht berufen, wenn man mit einem Nachahmungsprodukt Ruf und Image des Originals beschädigt werden. Davon kann in der Causa Hartplatz-helden ganz gewiss nicht die Rede sein: Das ?Teilprodukt? schönes Tor beschädigt nicht das ?Gesamtprodukt? Fußball-spiel.

Im Laufe des Jahres 2010, möglicherweise auch erst 2011, ist mit einer Entscheidung des BGH zu rechnen, doch bis dahin dürften Anbieter, die auf ähnliche Weise User Generated Vide-os präsentieren wollen, ihre Pläne erst einmal in der Schublade lassen; das Risiko, vergeblich zu investieren, ist zu groß. Das Recht an Videos von Privatleuten begründen die Würt-temberger Funktionäre vor allem mit ihrer Rolle als Mitveranstalter. Ohne die organisatorischen Vorleistungen des Verbands ? Spielplangestaltung, Ausbildung und Bereitstellung der Schiedsrichter ? sei ein Spielbetrieb gar nicht möglich, sagt WFV-Justitiar Frank Thumm.

?5.000 Partien pro Saison finden nicht von allein statt.? Von derartiger Verbandsarbeit profitieren letztlich aber sämtliche Medien, die über Sport berichten. ?Ob auch einige klassische Medien demselben Interesse dienen wie die umstrittene Internetplattform und sich schon lange großer Beliebtheit erfreuten, ist für die Rechtsbeziehungen der Parteien zueinander nicht von Belang?, äußert das Stuttgarter OLG dazu lapidar. Allzu praxisnah wirkt dieser Passus nicht. ?Was ist mit Silvester vor dem Brandenburger Tor oder Karnevalsumzügen? Fast überall erbringen Veranstalter organisatorische Leistungen?, sagt Fabian Reinholz aus der Berliner Kanzlei Härting Rechtsanwälte, der die Hartplatzhelden vertritt. Die Auffassung, dass sich daraus Exklusivrechte an Bewegtbildern ableiten lassen, war bis zu den Entscheidungen über die Amateurfußballvideos allerdings nicht verbreitet. Sollte der BGH das Urteil des OLG bestätigen, würden andere Veranstalter das Internet nach potenziellen Klageobjekten ?abgrasen?, sagt Reinholz.

Ansgar Ohly weist zudem darauf hin, dass ?Amateursport bis-her ohne Rechtevermarktung stattgefunden hat, und anders als im Profisport kein Bedürfnis besteht, aus Gründen der internationalen Konkurrenzfähigkeit höhere Geldsummen in diesen Bereich zu pumpen.? Nicht zuletzt gebe es ein ?Informationsbedürfnis der Allgemeinheit, dessen Befriedigung durch die Medien nicht gewährleistet ist. Da der Amateursport in besonderem Maße mit privaten Aktivitäten verbunden ist, sollte bei der Veröffentlichung von Aufzeichnungen der privaten Kreativität auch keine Grenzen gesetzt werden.?

Oliver Fritsch, Gründer & Geschäftsführer Hartplatzhelden.de, Gießen

Oliver Fritsch, Gründer & Geschäftsführer Hartplatzhelden.de, Gießen

Zweieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl schaltete sich die Piratenpartei in die Debatte um die Hartplatzhelden ein. Nicole Hornung, Mitglied des Bundesvorstands der Partei, erklärte die Unterstützung des Web-2.0-Angebots den zu einer ?Bürgerpflicht?, und Parteichef Jens Seipenbusch begründete die Solidarität damit, dass Oliver Fritsch und seine Partner ?geradezu einen Musterprozess? führten.

Bewegte Bilder aus der 7. Liga oder von Spielen siebenjähriger Jungs und Mädchen ? wie konnte so ein randständiges Thema zu einem Politikum und gar zu einer kurzen Fußnote im Wahlkampf werden? Tatsächlich hat die Causa grundsätzliche Bedeutung, denn es ist absehbar, dass es bald gang und gäbe sein wird, dass Lokalzeitungen online Ausschnitte des kleinen Fußballs aus ihrer Region zeigen. Klare rechtliche Rahmenbedingungen für User Generated Content sind zudem notwendig, weil die Grenzen zwischen herkömmlicher Berichterstattung und Mitmachjournalismus schon jetzt verschwimmen. Einige Beiträge des Bürgerjournalismusportals myheimat.de, an dem die Madsack-Gruppe beteiligt ist, nutzen beispielsweise auch die Lokalzeitungen des Konzerns.

kommt aus Hamburg-Ottensen und schreibt als freier Autor unter anderem für FR, FTD, zeit.de, taz, Rh. Merkur und überdies einen lesenswerten Blog auf www.indirekter-freistoss.de.

Fotos: SuS Sichtigvor

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