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Pils und Kölsch im Doppelpass

Dem VfB Stuttgart ist eine echte Überraschung gelungen: Gerade mal 60 Tage nach dem Rauswurf von Christian Gross als Cheftrainer schasst der Verein auch dessen Nachfolger Jens Keller und zaubert mit dem zuletzt in Leverkusen und Hamburg grandios gescheiterten Bruno Labbadia eine Lösung aus dem Hut, die deutliche Züge der Verzweiflung trägt.

Dass die Stuttgarter auf die zehnte Niederlage der Saison reagieren würden, war fast abzusehen. Bereits Tage zuvor hatten die Spatzen von den Dächern der schwäbischen Metropole gepfiffen, dass eine Ablösung des unglücklichen und angreifbaren Eigengewächses Jens Keller unmittelbar bevorstehe. Und Hannover markierte, wie erwartet, keinen Wendepunkt, im Gegenteil. ?Die zweite Liga rückt näher - Als der Schiedsrichter Manuel Gräfe die Partie in der niedersächsischen Hauptstadt beendete, da war die Befürchtung zur Gewissheit geworden. Der VfB hat mit dem 1:2 (0:1) bei den 96ern bereits das zehnte Saisonspiel verloren ? die Krise des Clubs hat damit eine neue Dimension erreicht?, hält die ?Stuttgarter Zeitung? ernüchtert fest.

Die ?Deutsche Presseagentur? beruft den VfB deswegen in den ?Club der Sorgenkinder?, ein ?Quartett der Sorgenkinder?. Das eine Gemeinsamkeit aufweist: ?Hohe Ansprüche, kleiner Ertrag.? Neben den Stuttgartern hinken auch Hamburg, Wolfsburg und Bremen ?nach einer Bundesliga-Hinrunde zum Vergessen den eigenen Erwartungen meilenweit hinterher.? Auch wenn die Enttäuschung bei den Nordvereinen sicher kaum geringer ist, die größte Bauchlandung hat Stuttgart hingelegt. Mit was für Folgen: Zwei Trainer weg, Sportmanager Heldt weg, Platz 17.



Man musste wahrlich keine seherischen Fähigkeiten besitzen, um zu prophezeien, Prophet sein, was passiert: ?Bruno Labbadia wird neuer Cheftrainer beim abstiegsbedrohten VfB Stuttgart. Der frühere Coach des Hamburger SV und von Bayer Leverkusen folgt auf Jens Keller, den der Klub am Sonntag wie erwartet nach nur 13 Pflichtspielen offiziell freigestellt hat. Nun wurde Labbadia offiziell als Nachfolger für den entlassenen Keller vorgestellt?, fasst das Onlineportal ?Spox? zusammen.

?Wie erwartet? stimmt ? der zweite Trainerwechsel der Saison konnte keinen mehr überraschen. Aber die Lösung Labbadia schon. Denn sowohl in Leverkusen und beim HSV verbreitete der einst ganz schnell Aufbruchsstimmung, um diese fast noch schneller in Lethargie zu verwandeln. Labbadia, ein ? Coach, der dafür bekannt ist, dass er Profis mit Akribie, Detailversessenheit und langen Taktikpredigten schnell für sich einnehmen kann - und dass sie ihn nach einem halben Jahr am liebsten wieder loswerden würden, wegen Akribie, Detailversessenheit und langen Taktikpredigten?, so Christoph Kneer in der ?Süddeutschen Zeitung? (schon Tage VOR dem Trainerwechsel).

Nach seiner offiziellen Vorstellung in Stuttgart widmet ihm die ?Süddeutsche? eine Fotostrecke mit dem hübschen Titel ?Der Hinrundentrainer?, erklärt in einem Textbeitrag: ?Der frühere Stürmer gilt als Trainer, der mit seiner Art des Coachings vor allem zu Beginn eines jeden Engagements Erfolg hat. So war es sowohl bei Bayer Leverkusen (Saison 2008/09) als auch beim Hamburger SV (2009/10). Allerdings folgten auf gute Hinserien jeweils schwächere Rückrunden.?

Aber vermutlich geht es den Handelnden in Stuttgart ohnehin nur um einen kurzen Effekt. ?Ob Labbadia Stuttgart wieder auf Kurs bringt? Bei seinen letzten Bundesliga-Station (in Leverkusen und beim HSV) hatte er zumindest ein halbes Jahr lang Erfolg ? das würde Stuttgart angesichts höchster Abstiegsnot wohl schon reichen...?, meint die ?Bild?-Zeitung.

Marko Schumacher von der ?Stuttgarter Zeitung? charakterisiert den neuen Coach als ?regelrechten Disziplinfanatiker?, der für ?einen schonungslosen Umgang mit seinen Spielern? bekannt sei. Auch Schumacher erinnert an Hamburg und in Leverkusen; ?In beiden Fällen spielten seine Teams starke Vorrunden - stürzten anschließend allerdings jäh ab. Darunter hat Labbadias Image stark gelitten. Es hieß, er könne nur ganz kurzfristig erfolgreich sein und keine Mannschaft dauerhaft führen. Zuletzt war er nur noch selten im Gespräch gewesen, wenn Clubs nach neuen Trainern suchten.?

Und genau deswegen, so erklärt der Zeitungsmann, sei der neue Trainer womöglich genau der richtige für die heikle Mission: Labbadia dürfte ?das Engagement beim VfB auch als große Chance begreifen, sein angekratztes Image aufzupolieren. Bereits in den vergangenen Monaten hatte er sich Tipps bei dem Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff geholt. Nun soll er die Gelegenheit bekommen, auch in der Praxis an seinem Erscheinungsbild zu arbeiten. Es ist seine vielleicht letzte Chance, genau wie es für den Verein die letzte Chance ist, die Dinge wieder zum Guten zu wenden. Es ist also eine Schicksalsgemeinschaft, die sich da zusammenschließt.?

Ob die Sache gut geht, werden wir in einem halben Jahr wissen. Einfach wird die Aufgabe nicht. Labbadia ist bereits der siebte Trainer in sechseinhalb Jahren, der ?Kicker? beschreibt das als ?Männleinlaufen beim VfB?. Der ehemalige VfB-Spieler und Weltmeister von 1990 Thomas Berthold stellt sich als Kicker?-Kolumnist die Frage, warum dieser Wechsel jetzt vollzogen wurde, so kurz vor Toresschluss. ?Was machst Du, wenn Du die letzten beiden Spiele des Jahres gegen Bayern vergurkst?? Dann wäre der Effekt des Wechsels ?verpufft, bevor er eingesetzt hat?. Berthold hätte bis zur Winterpause gewartet, denn ?gegen Bayern spielt es ohnehin keine große Rolle, wer auf der Bank sitzt?.

Berthold hält seinem ehemaligen Arbeitgeber mit deutlichen Worten den Spiegel vor, prangert an, dass ?seit dem Meistertitel 2007 jegliches strategisches Management? fehle. Ausdrücklich in Schutz nimmt er Fredi Bobic, der sei schließlich erst angetreten, als ?die Transferperiode so gut wie beendet? war. Und dessen Vorgänger Horst Heldt habe ?einige Böcke bei Spielertransfers? geschossen?. Nicht nur das: ?Neue Spieler kamen meist sehr spät, waren teuer und ob sie charakterlich passten, wurde vernachlässigt?, legt ?Kicker?-Redakteur Martin Messener nach. Er findet: ?Der Klassenerhalt ist das Gebot der Rückrunde. Danach muss sich der VfB auf seine Identität besinnen. Er hat eine eigene Kraft und die liegt in der Jugend ? Borussia Dortmund macht es derzeit vor?.

Es ist zu wünschen und ich nehme es auch an, dass sich die Verantwortlichen des derzeitigen Klassenprimus den VfB Stuttgart als warnendes Beispiel vor Augen halten. Denn Parallelen sind nicht von der Hand zu weisen. In Stuttgart setzten sie damals aus der Not geboren auf die Jugend, spielten schönen unbekümmerten Fußball, errangen 2007 einen überraschenden Meistertitel. Dann kamen Champions League, teure Neuzugänge, haufenweise Trainer.

Sollte Borussia Dortmund das Glück widerfahren, seine bisher so grandiose Saison im Sommer 2011 mit dem Meistertitel zu krönen, sollten die Handelnden einfach vier Jahre zurückblicken, auf den VfB Stuttgart von ?einst?. Und dann alles anders machen als es die Stuttgarter seither getan haben.

, 13.12.2010

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