gib mich die Kirsche - BVB und Fußball-Fanzine

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REVIER-Kolumne:

Redaktionssitz:

BVB zeigt dem Nachbarn Grenzen auf

Sportliche Entwicklung (Fortsetzung) 

Holger: Thorsten, Du hast es gerade schon angesprochen. Roman Weidenfeller entwickelt sich einfach nicht weiter. Seit seinem Wechsel im Jahre 2001 offenbart er unverändert Schwächen im Luftkampf. Ist dies nicht auch ein Fehler, den man so langsam mal Torwarttrainer de Beer ankreiden muss?

Peter Müller: Nein. Der Mensch stößt an Grenzen. Vielleicht war es ein Fehler, Roman Weidenfeller immer im Dunstkreis der Nationalmannschaft sehen zu wollen. Ganz ehrlich: Er ist ein Bundesliga-Keeper der gehobenen Klasse. Damit darf man auch mal zufrieden sein. Und er hat viel dazugelernt, was sein Verhalten auf dem Platz angeht. Er motiviert seine Mitspieler in Momenten, in denen er sie früher angebrüllt hätte.

Thomas Hennecke: ?Moderner Torwart-Fußball?, sagt Roman Weidenfeller, ?ist, wenn man möglichst viele Bälle hält und oft zu null spielt.? Das klingt ein bisschen nach Otto Rehhagel?s ?Modern ist, wenn man Erfolg hat.? Ein Torwart muss heute mitspielen, manchmal wie ein Libero vor der Abwehr, er muss antizipieren, und er muss das Spiel z.B. mit weiten, präzisen Abwürfen oder mit exakten Zuspielen schnell machen. Darin entwickeln andere Torhüter mehr Geschick als Weidenfeller. Sein Reaktionsvermögen ist top, er strahlt mehr aus als früher, doch seine unvermindert ausbaufähige Strafraumbeherrschung verhindert, dass man ihn in einem Atemzug mit Adler, Wiese, Neuer und anderen nennt. Im Training geht es doch zu wie in der Schule: Entweder lernt man nur das, was man auch beigebracht bekommt - dann müsste Teddy de Beer Luftkampf/Strafraum häufiger auf den Stundenplan schreiben - oder der Unterrichtsstoff überfordert den Schüler - dann hätte Weidenfeller im noch jungen Torwartalter von 29 Jahren seine Grenzen bedauerlicherweise schon ausgereizt.

Uwe Lyko: Also? den perfekten Torhüter gibt?s sowieso nicht. Das war auch Oliver Kahn nicht. Auch er war in der Strafraumbeherrschung nicht so die absolute Granate. Auch Rene Adler oder Manuel Neuer schießen immer wieder mal Böcke und sind für überraschende Aussetzer gut.

Günna: Roman Weidenfeller ist sicher besser, als es sein Torwarttrainer in seiner Karriere je war, aber wenn sichtbar vorhandene Schwächen auf Dauer nicht abgestellt werden können, muss irgendetwas nicht stimmen und sollte kritisch hinterfragt werden dürfen. Optimal scheint mir das Training für Roman jedenfalls nicht zu sein, sonst müsste bei ihm eine Spielverbesserung insgesamt irgendwann zu erkennen sein. Insofern stelle auch ich mir schon die Frage, ob auf das Torwarttraining beim BVB genügend Wert gelegt wird. Aus meiner Sicht ist da noch Luft nach oben und wie der Zufall es will, sah das eine große Dortmunder Torwartlegende neulich im Gespräch mit mir auch so.

Thorti: Aber um das letztendlich beurteilen zu können, müsste man das Torwarttraining über einen angemessenen Zeitraum verfolgen. Fakt ist, dass Roman Weidenfeller seine Schwächen in der Luft immer noch nicht hat abstellen können. Ob es am Nervenkostüm liegt, oder ob er schlicht Hemmungen hat, sich ins Getümmel zu schmeißen, ob?s die fehlende Übersicht ist? Wer weiß. Das ist Aufgabe der Trainer, dies zu erkunden und die Konsequenzen in die tägliche Arbeit einfließen zu lassen. Ein weiterer Fakt: ein wirklich großes Torwart-Talent hat die Borussia schon lange nicht mehr hervor gebracht. Inwieweit dies auch auf die Qualitäten eines Teddy de Beer?s zurückzuführen ist, erscheint mir von hier aus nicht fundiert beurteilt werden zu können, dafür ist man nicht nah genug dran. Pro de Beer spricht ein Marcel Höttecke z.B. der auf einem guten Weg war, bis ihn seine schwere Knieverletzung mit einem Kreuzbandriss deutlich zurück warf.

Roland: Roman kommt aus der erfolgreichen Torwartschule von Gerry Ehrmann. Weides Plus sind Siegeswillen, starke 1:1-Situationen und hervorragende Reflexe. Sein Minus ist die Beherrschung des Strafraumes allgemein und des 5-m-Raumes im Besonderen. Warum erwartet er eine mit dem linken Fuß, von links getretene Ecke nicht etwas vor dem Tor, um den Weg zum Ball zu verkürzen? Er geht im 5er kaum ein Risiko ein, denn bei Behinderung bekommt er immer das Foul. Ganz deutlich wurden mir diese Unterschiede im letzten Vergleich mit Gladbach. Ein Bailly fängt die Dinger nur so weg. Schuldzuweisungen liegen mir fern, aber sicher studiert man im Training die Spezialisten des ruhenden Balles und da sollte ?Erfahrung? inzwischen auch bei unserem Roman angereichert sein.

Andreas: Es ist immer ein bisschen unfair auf einem Spieler rumzuhacken. Aber als Torwart hast du eben eine besondere Position. Und Roman Weidenfeller hält sicher viele Punkte mit seinen tollen Reflexen fest. Dumm ist allerdings, dass die hohen Bälle, die lange in der Luft sind, nicht seine Stärke sind. Da kommen wir zu vorherigen Frage, warum die Mannschaft bei Standards häufiger einen Treffer kassiert. Das stimmt es eben noch nicht. Aber was mir meist ebenso den Nerv raubt ist, dass unser Keeper beim Spielaufbau häufig zu langsam agiert. Er muss einfach noch besser mitspielen, den Gegenangriff schneller einleiten. Und zum Schluss sei die Bemerkung gestattet, dass man über Teddy nicht viel sagen kann. Insgesamt hat er einen durchschnittlichen Bundesligatorwart nicht besser gemacht.

Andy: Als Torwart bist du immer im besonderen Fokus. Und Weidenfeller steht bei uns ja auch schon länger unter Beobachtung. Offensichtlich ist, dass Teddy es anscheinend nicht schafft, die technischen Unzulänglichkeiten abzuschaffen. Neben der zuvor bereits genannten Strafraumbeherrschung und dem Spielaufbau möchte ich noch zwei weitere Dinge aufführen. Der schwache rechte Fuß! Mir wird jedes Mal Angst und Bange, wenn ich den Ball auf Weides rechtes Bein zurollen sehe. Die zweite Sache ist die schlechte Übersicht und die dadurch resultierende Hektik. Ein aktuelles Beispiel ist die völlig sinnfreie Wegfaustaktion gegen Nürnberg, als kein gegnerischer Spieler im Umkreis von zehn Metern stand und unsere Nr. 1 den Ball ohne Probleme hätte auffangen können. Nicht die erste Aktion dieser Art! Nichtsdestotrotz ist Weide meiner Meinung nach ein sehr guter Torhüter. Leider hat man es verpasst, ihn durch Abstellen seiner technischen Mäkel, noch besser zu machen.

Uli: Weidenfeller stagniert, das kann man so festhalten. Ob das am Torwarttrainer oder an ihm liegt, vermag ich nicht zu beurteilen. Vielleicht sitzt Roman einfach zu fest im Sattel und bräuchte mal eine richtige Nummer zwei hinter sich, die ihn mehr fordert und ihm seinen Stammplatz streitig zu machen versucht.

"Owo's" Tor in Wolfsburg wird von "Weide" gewürdigt

Peter Großmann: Also ich weiß nich. Bis zur Jubiläumspartie gegen Freiburg waren das dann trotzdem neun unbesiegte Spiele bei nur 4 Gegentoren. Das spricht trotz der Jugend für die Defensive, der BVB scheint also dem Gegner sein Spiel aufzuzwingen und nicht nur zu reagieren, wie noch unlängst oft zu sehen. Sprechen die wenigen Gegentore auch für Roman Weidenfeller? Ich weiß nicht. Auf der Linie immer gut, bangen die 5 von der Dauerkarten Tankstelle immer noch bei jeder hohen Flanke in den Dortmunder Strafraum um das Torverhältnis des BVB. Er scheidet eben die Geister, wird aber auf jeden Fall seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Gefühlt ist Weidenfeller Nationalkeeper, in der Realität ist sein Verhalten zu unstet. Falls er sich damit in guter Gesellschaft befindet, könnte Weidenfeller auch die Nachfolge von Jens Lehmann antreten. Das bezieht sich leider nicht auf das Nationalteam, sondern eher auf dessen Ausraster. Mir ist er oft zu theatralisch und hat sich nicht im Griff, es fehlt hier und da der gesunde Menschenverstand. Aber den kann man sich ja nicht im Training aneignen.

Micha: Nein, wenn es ihm noch nicht aufgefallen ist, sei ihm dies verziehen. Aber grundsätzlich sind mir diese Patzer nie so richtig aufgefallen. Ich halte Roman für einen sehr guten Torwart und finde es nicht richtig, jetzt noch akribisch nach Fehlern an ihm zu suchen. Wir sollten froh sein, dass wir ihn haben. Ich hätte ihn auch gern als Nationaltorwart gesehen.

Holger: Diese Meinung hast Du aber exklusiv, denk ich.

Kurz: Auf jeden Fall finde ich es gut, jeden Posten kritisch zu begutachten ? sei es der von Weidenfeller oder der von ?Teddy?. Fakt ist, kein Trainer, sei es van Marwijk, sei es Doll oder Klopp ?hat jemals versucht am Posten von de Beer zu rütteln. So ganz falsch kann der Gute also nicht trainieren. Dennoch darf aber die Frage erlaubt sein, wieso Weidenfeller nur ein durchschnittlich guter Bundesligakeeper bleibt. Eventuell kann man hier die fehlende Entwicklung auf internationalem Terrain anführen, die es Weidenfeller schwer macht über sich hinaus zu wachsen um wiederum dadurch zu einer echten Größe im Ligaalltag zu werden.

Holger: Jürgen Klopp steht als ?gelernter? Medienmensch komplett im Fokus der Betrachtung und zieht alle Betrachtung auf sich. Wie beurteilt Ihr sein Wirken nach gut einem Jahr?

Uwe Lyko: Also ich war da ja von Anfang an sehr skeptisch, muss ich sagen. Er bezog ja zunächst erst einmal seine Vorschusslorbeeren ? wie Ihr ja auch geschrieben habt ? aus seiner Position als ?Medienmensch.? Er kann sich sehr gut verkaufen, kommt ganz sympathisch rüber, aber außer Mainz 05 hatte er ja de facto auch nichts vorzuweisen. Mittlerweile würde ich sagen, dass ich ihm als Trainer weiterhin vertraue. Aber da muss man erst einmal abwarten, denn da ist das letzte Wort noch nicht drüber gesprochen worden. Wie gesagt: Im Moment macht er wirklich einen ganz guten Job.

Thomas Hennecke: Wer diesen Trainer verpflichtet, weiß, was er bekommt. Pure Energie, totale Leidenschaft, extreme Emotionen, und gründliche (sport-) wissenschaftliche Arbeit. Klopps Mannschaften lernen zunächst die Arbeit gegen den Ball, sie lernen den Kilometerzähler anzuwerfen, sie lernen, wie man Tore verhindert, sie nehmen ihren Gegnern den Spaß am Spiel. Erst wenn dieses Fundament oder die Statik des Spiels steht, zieht in fußballerischer Hinsicht so etwas wie Verwöhnaroma ein. Motto: Man kann nicht alles auf einmal haben. Hinter Klopps Arbeit stecken Idee, System und Beharrlichkeit. Auch in stürmischen Tagen weicht der Trainer nicht von seinem Kurs ab. Gleichzeitig ist er längst nicht ein so sturer Dogmatiker wie es Bert van Marwijk war.

Thorti: Er ist in Sachen Medien ein ebensolcher Profi, wie im Fachbereich Fußballtrainer. Klopp weiß sich und seinen Verein gut zu verkaufen, ohne dabei in unsinniges Blabla zu verfallen, sondern stets kompetent und engagiert zu analysieren. Es ist eine Gabe, wenn ein Mensch Fakten, gekoppelt mit Witz, Esprit, Lockerheit und ansteckender Fußballverrücktheit, rüberbringen kann. Jürgen Klopp ist ein Fußball- Fachmann, der in der Lage ist, mit jungen Spielern zu arbeiten und sie zu entwickeln. Allein deshalb war seine Verpflichtung sinnvoll und logisch. Diejenigen, die in anderen Vereinen (zu) häufig vor die Kameras drängen, um sich über etwas auszulassen, von dem sie allein glauben, etwas zu kennen, werden durch Klopp in Dortmund wirksam in den Hintergrund gedrängt, da sich das mediale Interesse auf ihn als Quotengarant stürzt.

Andreas: Ja, Jürgen Klopp ist Profi ? als Trainer aber vor allem auch als PR-Manager für den Verein, für die Mannschaft und auch für sich selbst. Wer ihn nach schlechten Spielen schon einmal hautnah erlebt hat weiß, dass er auch stink wütend auf seine Jungs sein kann, das aber nie öffentlich sagen wird. Und das zeichnet ihn wirklich aus. Selbst nach einer dicken Klatsche wie gegen die Bayern, findet er in der öffentlichen Analyse zunächst positive Worte für seine Mannschaft. Ein Trainer, wie ihn der Verein lange nicht hatte.

Andy: Aus meiner Sicht kann man Jürgen Klopp für den Verein mit einem Wort beschreiben: Glücksgriff. Fachlich kompetent und nach außen ein absoluter PR-Profi. Nicht zuletzt durch sein Wirken hat der BVB auch in seiner Außendarstellung wieder einiges an Plus in der Öffentlichkeit gewonnen.

Micha: Also, Jürgen begeistert die Leute. Auch mich. Ich bin ein richtiger Kloppo- Fan geworden, weil er scheinbar auch wirklich alles sieht und mit seinen Worten sehr schön erklären kann. Was ich sehr an ihm schätze: Er benutzt das Füllwort "ääähmm" nicht. Was viele andere "Spezialisten" tun.

Peter Großmann: Positiv ist außerdem anzumerken, dass sich trotz des Engagements eines motivierenden Trainers eine Entspanntheit breitgemacht hat. Da lauert auch im Moment keiner auf den nächsten Fehler auf dem Spielfeld, um negative Stimmung zu machen. Klopps System hat Kredit und der ist noch nicht aufgebraucht. Läuft doch prima. Er macht alles, zieht die Aufmerksamkeit auf sich, da können die anderen im Hintergrund wirken.

Peter Müller: Jürgen Klopp ist nicht immer so locker, wie viele glauben, die ihn an einen Sprüchen messen. Er ist ein enorm ehrgeiziger Arbeiter. Und er kann nicht verlieren. Was im Fußballgeschäft keine schlechte Eigenschaft ist. Alles in allem: Borussia Dortmund konnte nichts Besseres passieren, als von dieser Antriebskraft wieder nach vorne geschoben zu werden.

Uli: Klopp ist ein Glücksfall für den Verein. Das gilt auch für seine beiden Kompagnons Buvac und Krawietz, sie alle haben hier eine Menge bewegt. Ich hoffe, sie bleiben uns alle noch lange erhalten.

Kurz: Glücksfall trifft es ganz gut. Wenn ich all die Trainer in München, Wolfsburg oder Köln sehe, bin ich doch jeden Tag aufs Neue froh, dass wir Klopp haben. Kompetent, sympathisch und klug. Was willst du denn noch mehr? Seine Vergangenheit als Gute-Laune Trainer und Entertainer macht ihn sicherlich hier und da etwas angreifbarer für die Medien, aber den wirft so schnell nichts aus der Bahn. Das ist gerade hier in Dortmund, wo du heute Held und morgen Idiot der Woche bist, enorm wichtig!

Roland: Vieles im Leben, im Sport und auch im Fußball wiederholt sich. Es wird teilweise zur Floskel. Ist das eine Gefahr? Schön, dass Kloppo mit RTL zur WM fährt und uns mal wieder über TV den Fußball in seinen Facetten vermittelt. Das schafft auch für ihn ?Luft? und für den BVB viel ?Öffentlichkeit?. In den schweren Wochen nach dem Saisonstart und den vielen verletzten Leistungsträgern suchte auch er nach ?Ventilen?. Ganz abgesehen davon, dass wir uns über nicht gegebene Tore nicht zu beschweren brauchen. Jürgen Klopp hat aber vor allem in dieser Zeit bewiesen, dass er zu seinen Leuten steht. Von ?Uwe? über ?Kuba? bis ?Lucas? hat er sie verbessert und das gibt den Jungs Kraft ? sie spüren Vertrauen!

Günna: Ja, klar. Klopp tut der Borussia in allen Bereichen gut und scheint einen Masterplan mitgebracht zu haben an dem sich alle orientieren. Seine Handschrift ist auf dem Platz wie beim Handeln der verantwortlichen im Hintergrund analog dazu durchaus zu erkennen. Das war lange Zeit in Dortmund nicht mehr so stimmig wie im Augenblick.

Holger: Dennoch war die Euphorie des Frühsommers zwischenzeitlich mal einer deutlichen Ernüchterung gewichen. Und schnell wurden Stimmen in dieser Phase vor der jüngsten Serie lauter, die Jürgen Klopps Schonfrist als abgelaufen betrachteten?

Peter Müller: In der Phase, als die Mannschaft nicht nur stagnierte, sondern sogar in einen Abwärtsstrudel geriet, als sie die Heimspiele gegen Bayern und Schalke verlor und in Osnabrück auch noch aus dem DFB-Pokal ausschied, wären andere Vereine unruhig geworden, was die Beurteilung der Arbeit des Trainers angeht. Zu früheren Zeiten wäre der Trainer auch in Dortmund in Frage gestellt worden. Jürgen Klopp aber genießt zurzeit einen Riesenbonus ? bei seinen Vorgesetzten im Verein, bei den Dortmunder Medien und bei den BVB-Fans. Diesen Bonus hat er sich mit seiner Arbeit in seiner ersten Saison in Dortmund verdient. Gegen Ende der Hinrunde hat es sich ja dann auch gezeigt, dass jede Diskussion um den Trainer überflüssig gewesen wäre.

Thomas Hennecke: Tatsächlich artikulierten sich Klopps Gegner erstmals in der Woche nach dem Schalke-Spiel viel deutlicher vernehmbar als jemals zuvor. Nicht alles, was an Kritikpunkten angeführt wurde, war da aus der Luft gegriffen. Ihre Kernbotschaft aber, dass Klopps Zauber nach etwas mehr als einem Jahr verflogen sei, offenbarte ein grundsätzliches Manko in der Medien-Welt. Wir legen in unseren Einschätzungen eine Kurzatmigkeit an den Tag, die eine fundierte Einordnung der Geschehnisse manchmal verhindern. Weil wir uns an Ergebnissen festkrallen, ignorieren wir Entwicklungen. Und die gab es unter Klopp durchaus auch in Phasen, als die Tabelle eine andere Sprache zu sprechen schien. Rein bilanziell bedeutete das 1:5 gegen den FC Bayern eine mittlere Katastrophe; dass der BVB das Starensemble aus München aber mindestens 30 Minuten nach Strich und Faden beherrschte und nur durch einen irregulären Treffer (1:1, Gomez) aus der Kurve flog, ging hinterher unter.

Quelle: Screenshot/DSF

Quelle: Screenshot/DSF

Thorti: Außerdem muss man mal fragen: Wer erhebt eigentlich solche Stimmen und wie allgemeingültig sind sie? Das kommt nicht selten von Leuten, die sich zu sehr über die ?Bild? oder deren Boulevard-TV-Ableger DSF, informieren. Jeder, der über ein bisschen Fußball- Sachverstand verfügt, erkennt, dass die Arbeit Klopp´s und seiner Mitstreiter, auf Sicht auch derart Früchte tragen wird, dass sich dies in der Tabelle und im Idealfall auch in Titeln auswirken wird. Das ist nicht übers Knie zu brechen, wer das aber erwartet, sollte sich zu Weihnachten ein ?Träumerle? von Matell schenken lassen...

Andreas: So etwas ist einfach lächerlich! Was für eine Schonfrist denn? Man spürt, da steckt viel Arbeit, Herzblut und Verstand in dem, was der Trainer und sein ganzes Trainerteam da machen. Und gerade ein "Konzept" haben wir in Dortmund doch schon lange nicht mehr gehabt. Dass die Sponsoren im letzten Jahr sogar froh waren, dass sie nicht die Prämien für das internationale Geschäft zahlen mussten, sei hier nur mal am Rande erwähnt. Wer also von ?Schonfrist-Ende? fabuliert, ist einfach ein Schwätzer, ein Dummschwätzer.

Roland: Außerdem: Wer so denkt, gehört in die Kategorie ?Heckenschütze.? Ich erinnere an Klopps Wahrheiten vor seinem Amtsantritt, als er u.a. sagte: ?es ist das Wertvollste etwas Eigenes aufzubauen.? Ich denke, wir erleben gerade eine erneute Hinwendung zum ?Jugendstil? und das mit einer großen Sympathie für die Eigengewächse. Sicher wird die Akademie auch Jugendliche aus dem In- und Ausland anziehen, wenn sie die erfolgreiche und zielführende Arbeit unserer sportlichen Leitung sehen.

Andy: Alles quatsch. Wer so was sagt, der leidet an Realitätsverlust. Jeder sieht das da was heranwächst. Ungeduldige Leute sollten ihre Füße stillhalten, nicht auf das hören, was Bild und Co. erzählen und das machen, was in Dortmund schon fast als vergessen erscheint: Der Mannschaft und dem Trainer vertrauen, auch wenn es mal zwei drei Spiele nicht läuft. Wobei ich hier, wie Thorti, vor allem die Medien als Unruhestifter sehe. Das ?Umfeld? des BVB ist doch momentan sehr gelassen, oder sehe ich das falsch?

Micha: Nein. Derartige Aussagen sind auch mir nicht bekannt. Und überhaupt... was für eine Schonfrist? Er hat sich nie bei uns ausgeruht.

Uli: Klopp steht zu seiner Philosophie und lässt sich nicht beirren, wenn es mal nicht so lauft. Als im Herbst die Stimmung wegen der vielen Remis und der mäßigen Platzierung zu kippen drohte, ist er ganz besonnen seinen Weg weitergegangen. Mir gefällt das. Und darüber, dass mit Kehl, Hajnal und Dede richtig gute, arrivierte Spieler langfristig wegbrachen, hast Du kaum was gehört. Es gibt keinen Grund, an Klopps Arbeit zu zweifeln.

Holger: Borussia ist im Trainerteam mit Buvac und Krawietz definitiv besser aufgestellt, verfügt über Datenbanken und Trainingsdiagnostik. So werden auch mal frühzeitiger junge Spieler entdeckt, deren Verträge auslaufen. Borussia versucht beispielsweise für die kommende Saison Jan Rosenthal von Hannover 96 für das offensive Mittelfeld zu verpflichteten. Wäre das ein guter Transfer?

Günna: Gute Transfers kann man leider immer nur im Rückspiegel beurteilen. Allerdings glaube ich, dass das Spieler-Casting beim BVB inzwischen wesentlich besser aufgestellt und abgestimmt ist und auch die Arbeit von Michael Zorc dabei deutlich positiver auffällt. Das konnte ich in der Vergangenheit so nicht immer behaupten.

Thorti: Jürgen Klopp profitiert selbstverständlich von der akribischen Arbeit seiner Trainerkollegen. Man muss diese Arbeit stets im Ganzen betrachten. Ein Jan Rosenthal stellt für den BVB ganz sicher eine Verstärkung dar. Zudem ist er jung und entwicklungsfähig, hat dabei seine Bundesligatauglichkeit über einen Zeitraum von mehreren Spielzeiten unter Beweis gestellt. Ein Transfer mit überschaubarem Risiko, daher sinnvoll und nachvollziehbar.

Thomas Hennecke: Rosenthal könnte ? so er denn tatsächlich verpflichtet wird ? angesichts seiner Vielseitigkeit im Mittelfeld eine echte Verstärkung werden. Mit ihm würde sich Klopps Handlungssspielraum weiter erhöhen, vorausgesetzt, Rosenthal bekommt seine Verletzungsanfälligkeit in den Griff.

Roland: So ist es, aber In Hannover war er mehr ein instabiler Kandidat. Mag sein, dass die richtigen Mitspieler fehlten bzw. fehlen. Vergessen wir nicht, was aus Misimovic in Wolfsburg, Ibisevic in Hoffenheim oder Özil in Bremen geworden ist. Ein talentierter Spieler ist er allemal und wie schon bereits bemerkt, ist unsere qualitative ?Decke? noch relativ dünn gewebt, berücksichtigt man unsere Ansprüche. Jürgen Klopp formulierte sie so: ?es muss eine Schrittlänge gefunden werden, die dahin führt, wo der Klub mal war.?

Andreas: Mir fällt das immer schwer, jeden Neuzugang als Verstärkung oder Ergänzung zu benennen. Sollte die Mannschaft sich als Einheit präsentieren, muss jede Veränderung immer gut abgewogen werden. Doch ich hoffe auch, dass die Trainer in erster Linie Spieler holen, die ins Gefüge, in die taktische Ausrichtung passen. Und mal ehrlich: Bislang haben sie uns nicht enttäuscht. Wer hat zuvor Lukas Barrios gekannt? Er hat durchaus das Zeug, am Ende der Serie mehr Tore als unser Held der letzten Jahre, Alex Frei, zu schießen.

Micha: Da lasse ich mich überraschen. Ich habe da vollstes Vertrauen was die Arbeit des Trainerteams angeht. Auch in Sachen Transfers. Wir erinnern uns an Barrios, oder andere unentdeckte Talente, die jetzt bei uns immer wieder auflaufen.

Holger: Neven Subotic dürfte angesichts der jüngsten Entwicklungen zur neuen Saison möglicherweise zu märchenhaften Konditionen auf die Insel wechseln. Sollte der BVB dann den gesamten kolportierten zweistelligen Millionenbetrag ins Team reinvestieren?

Derzeit bärenstark: Neven Subotic

Derzeit bärenstark: Neven Subotic

Thomas Hennecke: Klare Antwort ? ja. Jedenfalls den größten Teil. Wer sich derzeit mangels anderer Einnahmequellen, wie internationaler Fußball, nicht großartig auf dem Transfermarkt bewegen kann, wird in diesem Fall die Gunst der Stunde nutzen müssen, um die Substanz der Mannschaft zu erhöhen. Ein paar Euro zum ?Aufhübschen? der zuletzt defizitären Bilanz würden sicher auch noch übrig bleiben. Erst einmal müsste Subotic aber tatsächlich wechseln. Doch davon bin ich zur Stunde nicht überzeugt.

Uli: Ganz klar: Wenn jemand wirklich viel Geld für Subotic bietet, musst du ihn ziehen lassen. Zumal mit Santana eine Alternative bereit steht, die fußballerisch klar besser ist. Und auch im Nachwuchs prima Verteidiger ?nachwachsen?. Wie viel von dem Geld dann für neue Spieler investiert werden kann, wird man sehen.

Andreas: Sollte jemand tatsächlich für Subotic so viel Geld zahlen, muss der Verein ihn verkaufen. Aber die Kohle reicht ja dann für mehrere Spieler. Auf keinen Fall, sollte man einen ?Star? holen. Die Art die Mannschaft, mit hungrigen Leuten aufzubauen, scheint doch ganz gut zu klappen.

Günna: Kaufen und Verkaufen gehört zum Geschäft und wir Dortmunder sollten froh sein, wenn es für einen unserer guten Spieler auch mal gutes Geld gibt. Santana wird die Lücke dann schon ausfüllen und ich glaube, dass die Reinvestition in die Mannschaft gut durchdacht sein wird. Da vertraue ich dem erkennbaren Trend.

Thorti: Naja, noch ist der Transfer nicht in trockenen Tüchern. Ideal wäre, wenn man ihn halten könnte! Sollte er zu einer hohen Summe wechseln, erscheint es nur so weit sinnvoll, das Geld ins Team zu reinvestieren, wie die sich langsam aufbauende Struktur nicht aufgebrochen würde ? sprich Gehaltsgefüge und Hackordnung nicht gleich wieder umgestoßen würden. Den eingeschlagenen Weg der kleinen Schritte sollte man unbedingt konsequent weiter beschreiten, sich nicht dazu verleiten lassen, den Talenten ohne Not abgewrackte Möchtegern- Stars vor die Nase zu setzen.

Peter Müller: Wenn es schon nicht zu verhindern sein sollte, Subotic ziehen zu lassen, sollte ein großer Teilbetrag auf jeden Fall reinvestiert werden. Eine sportliche Schwächung und damit einen einkalkulierten tabellarischen Rückfall würden die Fans des BVB garantiert nicht gutheißen.

Holger: Zumal er sich ja auch hier bei uns wohlfühlt, wie er bereits mehrfach kund getan hat.

Roland: Es ist wohl das erklärte Ziel, neben der Schaffung eines eigenen, hohen Ansprüchen genügenden Kaders, eine finanziell lukrative Kaderreserve zu entwickeln. Vielversprechende Jungs profilieren sich derzeit bei Theo Schneider und haben alle Beine voll zu tun, ihre Veranlagung in erfolgreiche Ergebnisse umzuwandeln und Siegermentalität zu entwickeln. Aus dieser Sicht werden wir wohl in Zukunft sportliche Qualitätsabflüsse zu Lasten der finanziellen Einnahmenseite ertragen müssen ? so oder so!

Andy: Aber Jürgen Klopp hat ja genau diese Richtung vorgegeben. Junge Spieler für wenig Geld holen oder aus der eigenen Jugend heranzuzüchten und dann lukrativ zu verkaufen. Werder Bremen hat sich durch diese Vorgehensweise von der Mittelmäßigkeit zu einer Topmannschaft der Liga hochgearbeitet. Wenn wir wirklich so viel Geld für Neven bekommen sollten, sprechen wenig bis gar keine Gründe für einen Verkauf.

Micha: Ich halte diesen Deal nicht für sehr clever, da Subotic einfach zur Zeit nicht zu ersetzen ist. In Kombination mit Hummels in der Verteidigung steht er sehr gut. Das sollte nach Möglichkeit so bleiben. Er selber sagt ja, dass er sich bei uns auch wohl fühlt. Also warum verkaufen? Geht es hier wieder nur um Millionen, oder darum die Leute dauerhaft mit gutem Fußball zu begeistern? Ich würde gerne eine TOP-Mannschaft hier bei uns sehen. wo viele Konkurrenten uns drum beneiden. Das wäre echte Klasse.

Kurz: Vielleicht täte es uns allen mal gut, einfach nicht immer nur vom ?personifizierten Millionenesel? Subotic zu reden, sondern vom eigenen Interesse an einem unserer richtig guten, jungen Spieler insgesamt. Denn egal, ob es Subotic, Kuba oder sonst wer ist. Jeder ist ersetzbar, wenn die Kohle stimmt und bei einem Neueinkauf müssen drei Dinge stimmen. Die Beine, der Kopf und der Wert von beidem zusammen.

Im 3. Teil beschäftigen wir uns im Schwerpunkt mit der BVB-Führung und der wirtschaftlichen Seite...

>> zum 1. Teil


, Weihnachten 2009

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