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Schland oh Schland…

Da war er also schneller in Betrieb, als alle erwartet hatten. Der Fahrstuhl. Vom quasi Weltmeister nach dem mühelosen Auftaktsieg zum Versager des zweiten Gruppenspiels binnen weniger Tage. Ein Blick in die bundesdeutsche WM-Historie hätte genügt, um zumindest Unheil zu wittern.

Ich erinnere mich an das Heimspiel am 3. Spieltag der letzten Saison gegen den VfB Stuttgart, just zwei Tage nach der WM-Auslosung. Dicht gedrängt standen alle um Neven Subotic herum und befragten ihn bezüglich des Aufeinandertreffens mit seinen deutschen Arbeitskollegen im zweiten Vorrundenspiel. Völlig entrüstet sprudelte es aus ihm heraus: ?ich versteh gar nicht, warum die Deutschen alle meinen, sie hätten schon gewonnen. Das seh? ich überhaupt nicht so.? Und er sollte recht behalten, der Dortmunder Innenverteidiger.

Im von vielen zum ?Kampf auf biegen und brechen? hochstilisierten Match musste die jüngste deutsche Nationalmannschaft seit Menschengedenken tatsächlich böse Lehrgeld bezahlen. Und, wie es die teutonische Seele nun einmal in sich trägt, schlugen schon bei der Rückreise ins WM-Quartier Wut und Enttäuschung über die Schmach von Port Elizabeth in aufkeimenden Trotz um: ?Wir haben es noch immer selbst in der Hand im Spiel gegen Ghana?, verkündete ein sichtlich gefrusteter Joachim Löw mit Blick auf das Gruppen-Finale am Mittwoch in Johannesburg.

In der Tat, nach der Niederlage gegen Serbien muss Joachim Löw seine Mannen schnell wieder aufbauen. Statt das Ticket für das Achtelfinale schon frühzeitig in der Tasche gesafet zu haben, stehen dem Bundestrainer und dem jüngsten deutschen WM-Team seit 76 Jahren turbulente Tage bevor. Nach dem 0:1-Schock im ?Nelson Mandela Bay Stadion? gegen die Balkankicker droht Deutschland der erste Vorrunden- K.o. bei einer WM-Endrunde.

?Seine Mannschaft sei natürlich enttäuscht und niedergeschlagen?, berichtete der Bundes-Jogi von der ersten Reaktion nach dem so unerwarteten Rückschlag, der urplötzlich die gesamte Mission der deutschen Spaß-Fußballer in Südafrika in Gefahr zu bringen droht. So schnell ändert sich die Großwetterlage?

Denn innerhalb von nur 2 Minuten kam die DFB-Elf auf den Boden der Tatsache zurück. Der Galopper des Jahres, auch genannt Miroslav Klose, erhielt die Gelb-Rote Karte nach wiederholtem wie dämlichem Foulspiel. Aus diesem Getümmel heraus sortierten sich die Serben schneller als die Deutschen, was dann im Gegenzug praktisch als Quittung das 1:0 nach sich zog, wo Ruhmesblätter von Mertesacker über Friedrich bis hin zu Neuer sicher nicht verteilt werden können?

Die Jungs mit dem Adler auf der Brust konnten es nicht fassen, innerhalb der Spielminuten 36 und 37 sah ihre heile Welt auf einmal ganz anders aus, denn das Gegentor durch Milan Jovanovic in der 38. Minute trafen Kapitän Lahm & Co. genauso tief ins Herz wie die Millionen mitfiebernden Fans in der Heimat.

Im Angesicht des möglichen Ausscheidens stärkte Löw unmittelbar nach der ersten Pflichtspiel-Niederlage seit dem EM-Finale 2008 gegen Spanien (0:1) seinen Verlierern das Rückrat: ?In der zweiten Halbzeit hat sich die Mannschaft enorm aufgebäumt und Moral gezeigt und hat alles versucht, zumindest das Unentschieden zu erreichen?, gelang es ihm sogar für das kopflose Anrennen mit zehn Mann noch lobende Worte zu formulieren, doch tief in ihm grummelte es sichtlich.

Die Wahrheit aber war dann auch eine andere und die ganze Welt konnte das am Fernsehschirm sehen. Deutschland?s vermeintliche Elitekicker fanden in ihrer statischen Spielanlage kein Mittel gegen die massiert stehenden und nicht zimperlichen Serben. Dazu kamen einige erschreckend schwache Vorstellungen einzelner, wie etwa der des Holger Badstuber. Deutlich war zu sehen, dass er seinem quierligen Gegenspieler Krasic an diesem Tage in keinster Weise gewachsen war.

Es ist müßig, hier jetzt an Mats Hummels zu denken, aber manch einem wird es dennoch so gegangen sein gestern, angesichts der mangelnden Sprintfähigkeiten des Bajuwaren. Oder ein Bastian Schweinsteiger, der auf die natürlichste Frage der Welt, wieso er, der Führungsspieler, den Elfmeter nicht geschossen habe, sagte: "Lukas schießt immer unsere Elfmeter, das war so festgelegt vom Trainer." Jener Trainer und sein wichtigster defensiver Mittelfeldspieler widersprachen sich so direkt nach der Niederlage gegenseitig. Von Prinz Poldi wollen wir an dieser Stelle lieber erst gar nicht reden. Wer so unruhig und unkonzentriert zum Punkt geht, der versemmelt halt. Das ist auch eine Fußballerweisheit?



Und so kam es, wie es kommen sollte. Mit drei dünnen Punkten aus dem Auftaktspiel gegen Australien müssen Trainer wie Spieler nun ernsthaft den Blick nach Rustenburg richten. Dort stehen sich die Gruppen-Rivalen Ghana und Australien gegenüber. Erst nach der Partie steht fest, wie prekär die Ausgangssituation für den dreimaligen Weltmeister vor dem letzten Gruppen-Spieltag tatsächlich ist.

Doch schon jetzt steht fest, dass es ein Alles-oder-nichts-Spiel im Endspiel-Stadion ?Soccer City? von Johannesburg wird. ?Der Druck im nächsten Spiel ist enorm. Das ist ein absolutes K.o. -Spiel, ein Sechzehntelfinale?, diktierte der ebenso wenig überzeugende Per Mertesacker der verblüfften Journaille in die Notizbücher.

Klose wird definitiv nicht helfen können, denn er ist nach seinem Platzverweis gesperrt und könnte erst im Achtelfinale, in dem man auf den Erzrivalen England treffen könnte, wieder eingreifen. Löw bleiben zuvor vier Vorbereitungstage, um das Team wieder aufzurichten. Eins steht fest. Gegen die Ghanaer mit dem ehemaligen Borussen-Profi Kevin-Prince Boateng wird es um viel, viel mehr gehen, als nur um den Verbleib der Deutschen am Kap Horn?

, 19.06.2010

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