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Drin! Der Ball war eindeutig drin…

Karikatur: Arnd Hawlina

Karikatur: Arnd Hawlina

Die Hälfte der WM ist rum und wir wagen mal so eine kleine Art von Halbzeitbilanz. Sieht man einmal von den ?Überraschungsausscheidern? Frankreich und Italien ab, sehen wir im Viertelfinale ? vielleicht mit der Ausnahme Ghana, die Gottlob noch den Ausrichterkontinent vertreten ? durchweg die dort zu erwartenden Nationen ? samt unserer - am Start.

Auffallend ist zunächst einmal, dass die Spielqualität nach Meinung vieler bislang deutlich unter der des Jahres 2006 zurückgeblieben ist. Anstelle der vermeintlichen Superstars Kaka, Messi und Ronaldo stehen jedoch eher die ?Pfeifenmänner? im Fokus der Betrachtung, auch wenn Arjen Robben sich anschickt, zumindest die Volksgruppe der Bayernfans schon mal für die kommende Saison froh einzustimmen.

Fakt ist: Nach den fatalen Fehlentscheidungen zugunsten von Deutschland und Argentinien steigt beinahe täglich die Zahl der Videobeweis-Befürworter. Doch zu einer Regeländerung wird es aller Voraussicht jedoch nicht kommen, weil der wankende Riese FIFA sich einer ?Beraubung der Natürlichkeit? (Blatter) entgegen stellen wird.

Doch die Diskussion wird zunehmend hitzig geführt, seit Thierry Henry das entscheidende Tor im WM-Qualifikationsspiel gegen das wacker aufbegehrende Irland mit der Hand einleitete. "Die FIFA-Regeln sind eindeutig. Die Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters ist endgültig", ließ da die FIFA unspektakulär erklären. Noch kurz vor dem WM-Start in Johannesburg fügte Sepp Blatter hinzu: "Die Fans lieben es, über das Spielgeschehen zu diskutieren. Das macht den menschlichen Charakter unseres Sports aus." Und: "Wir wollen nicht, das die Technik Einzug hält. Wir möchten uns die Emotionen bewahren, vielleicht noch ein bisschen mehr als Emotionen: Leidenschaft" - Aussagen, die für reichlich Verblüffung sorgten.



Beim Weltverband kann man die ganze Aufregung ohnehin nicht verstehen. "Wir haben exzellente Vorstellungen der Unparteiischen gesehen", verkündet der spanische Chef der Schiedsrichter-Kommission, José Maria Garcia-Aranda. Ende der Durchsage. Um solche absurden Aussagen halbwegs einordnen zu können, muss man die Struktur der Organisation dahinter kennen. Der Verband agiert wie eine straff geführte Behörde, Entscheidungen werden in den verschiedensten Kommissionen hinter zumeist geschlossenen Konferenztüren getroffen. Dort sitzen Delegierte aus den Mitgliedsländern zusammen, um beispielsweise über Änderungen im Reglement zu beraten. Transparenz und Offenheit sehen anders aus.

Unterdessen überschrieben die Agenturen bereits ihre Meldungen mit Lettern wie: "Schiedsrichter weiter die größten Pfeifen.? Denn die Debatte um die Qualität der Schiedsrichter bei dieser WM ist so überraschend nicht. Schon etliche merkwürdige Entscheidungen hat es gegeben: Brasiliens Luis Fabiano durfte den Ball zwei Mal mit der Hand berühren, ehe er ins Tor schoss, die USA verzweifelten darüber, wie der Schiedsrichter Maurice Edus Treffer zum 3:2 gegen Slowenien nur als Abseits werten konnte, und Italien weint nicht nur wegen Altherren-Fußball der Squadra Azzurra über das WM-Aus, sondern u.a. auch wegen drei falscher Pfiffe gegen sich.



Doch je öfter solche Fälle auftreten, desto weniger geht es noch um die konkrete Schiedsrichter-Leistung an sich, sondern vielmehr um die merkwürdige Handhabung der FIFA und ihrer Gallionsfiguren samt unmodern gewordenen Statuten. Andere laufen Gefahr, als vermeintliche ?Fußball-Romantiker? dazustehen, wie etwa Günter Netzer ("Der Fußball braucht keinen Videobeweis, Fußball ist Drama!"), über dessen Aussage selbst sein treuer ARD-Gefährte Gerhard Delling den Kopf schütteln muss.

Es war US-Trainer Bob Bradley, der als Erster noch während des Turniers lautstark nach dem Videobeweis bei derart strittigen Szenen gerufen hat. ?Ich habe nie verstanden, warum der Videobeweis nicht eingeführt worden ist", sagte Fabio Capello noch mit Schaum vor dem Mund, um nach dem Ausscheiden seiner Kicker gegen Deutschland medienwirksam (erfolgreich) vom Thema abzulenken.

Und somit wächst und wächst sie weiter, die Fraktion der Videobeweis-Befürworter. Spitzenfußballer, Spitzentrainer und sogar Spitzenschiedsrichter fordern andauernd dessen Einführung ? resp. die Einführung des erprobten Chips im Ball, der beim Überfliegen einer Linie akustische Signale an den vierten Mann am Spielfeldrand senden könnte, was wiederum dem Schiedsrichter dann zur finalen Entscheidung Sicherheit verleihen würde.

"Es gab Entscheidungen, die keine guten Entscheidungen waren", entgegnete derweil FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke und kündigte für die WM 2014 in Brasilien Änderungen an, die vermutlich maximal in der Aufstockung des Referee-Gespanns um sogenannte ?Torrichter? gipfeln wird. Inzwischen hat sich sogar Blatter höchstpersönlich bei Mexiko und England entschuldigt ("Ich habe ihnen gesagt: Es tut mir leid, was geschehen ist") - und kündigt eine neue Diskussion über "technische" Hilfsmittel an. Ob der gewiefte Taktiker damit nur Zeit gewinnen will, oder es tatsächlich ernst meint, wird ohnehin die Zeit zeigen.

Mit durch die Bank korrekten Treffern gelang zumindest Rekordweltmeister Brasilien ohne jegliche Schiedsrichter-Hilfe der Einzug in die Runde der letzten acht, wofür wiederum Europameister Spanien dann aber doch einen Villa-Treffer aus Abseitsposition benötigte, um den eitlen Superdarsteller Ronaldo im Nachbar- schaftsduell nach Hause zu schicken.

Und so erwarten wir der kommenden WM-Phase angemessen packende Partien, in denen jetzt z.B. den Niederländern mal ein ?richtiger Gegner? im Weg steht. Bin gespannt. Hoffen wir, dass die verbliebenen Schiedsrichter ihrer Zunft wieder zur Ehre gereichen und nicht mehr darstellen als sie sind: sie sollen die Spielleitung übernehmen, nicht die Spielentscheidung herbeiführen! Aber das sagt sich so leicht...

, 30.06.2010

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