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Der erste Schritt zum Titel?

Jogi und Klinsi bejubelten das 1:0.

Jogi und Klinsi bejubelten das 1:0.

Die Meinungen gehen weit auseinander, wenn es um die Einschätzung der Leistung der deutschen Mannschaft im Eröffnungsspiel gegen Costa Rica geht. Während Gerd Müller, WM-Rekordtorschütze und erfolgreichster Stürmer, den Deutschland je hervorgebracht hat, ?ein erschreckendes Spiel? gesehen hat, attestierte die brasilianische Fußball-Legende Pelé Klinsmanns Elf ?eine sehr gute Leistung?. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. Das 4:2 gegen die Ticos zeigte jedenfalls wieder einmal die offensive Klasse der Mannschaft, deckte allerdings auch erneut erbarmungslos die nicht zu übersehenden Defizite in der Verteidigung auf.

Wie unterschiedlich die Leistungen zweier Außenverteidiger sein können, haben Phillip Lahm und Arne Friedrich eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Während der etatmäßige Rechtsfuß Lahm auf der linken Seite offensiv mit seinen gefürchteten Vorstößen immer wieder für Gefahr sorgte und mit seinem Traumtor nach sechs Minuten zum 1:0 die Weltmeisterschaft erst so richtig beginnen ließ, erwischte der Berliner Friedrich erneut einen rabenschwarzen Tag und ermöglichte durch zwei Stellungsfehler Wanchope die Gelegenheit seine Mannschaft im Spiel zu halten. Fairerweise muss man zwar zugeben, dass der Anschlusstreffer zum 2:3 aus stark abseitsverdächtiger Position erzielt wurde. Deutlich wurde aber, dass Friedrich immer ein Schritt langsamer war, als die restliche Verteidigung. Lahm dagegen überzeugte auch mit einer fehlerlosen Defensivarbeit, die der ZDF-Kommentator Bèla Rèthy als ?blitzsauber? bezeichnete. Problematisch ist, dass Friedrich sich praktisch von alleine aufstellt, da die Position des rechten Verteidigers nicht doppelt besetzt ist und Klinsmann das Mittelfeld umstellen müsste, wenn er gegen Polen auf ihn verzichten wollte. So dürfen sich wohl oder übel auch unsere östlichen Nachbarn auf ein Duell mit dem 26-jährigen freuen.

Ganz neue Ansichten: Arm in Arm bei der Hymne.

Ganz neue Ansichten: Arm in Arm bei der Hymne.

Die Schwierigkeiten in der Verteidigung, die nicht nur von Friedrich alleine ausgingen ? auch Mertesacker und Metzelder sind noch lange nicht an ihrer Bestform angelangt ? wurden, wie schon häufig in der Vergangenheit, von der Offensivabteilung kaschiert, die sich weiterhin in einer ?Galaform? befindet. Auch ohne ihren an der Wade noch leicht verletzten Kapitän, Michael Ballack, zeigte die Mannschaft phasenweise sehr schön anzusehenden Kombinationsfußball. Über links konnte das Duo Schweinsteiger und Lahm immer wieder für Akzente sorgen und das Tor der Ticos regelmäßig in Gefahr bringen. Neben dem 1:0 fiel so auch der Treffer zum 3:1 durch den Bremer Klose, der mit zwei Toren die passende Antwort auf seine durchwachsende Leistung vom letzten Testspiel gegen Kolumbien gab. Die Verteidigung Costa Ricas war weit aufgerückt und Lahm hatte dementsprechend viel Platz auf der linken Seite. Mit seiner Flanke, die noch leicht abgefälscht wurde, fand er den im Zentrum befindlichen Klose, der mit seinem Kopfball zwar noch an Keeper Porras scheiterte, im Nachsetzen aber sein zweites Tor markierte.

Kloses erstes Tor war in der Vorbereitung eine Co-Produktion zwischen dem Kapitän Bernd Schneider und Bastian Schweinsteiger. Schneider konnte sich an der rechten Außenbahn gegen zwei Verteidiger der Mittelamerikaner durchsetzen und passte den Ball in den Rücken der Abwehr. Dort lauerte Schweinsteiger, der gestern Abend nicht ganz so agil war, wie in den Spielen zuvor, täuschte einen Schuss an und verwirrte damit Sequeira. Schon hatte er genug Platz, um in die Mitte zu Klose zu spielen, der sich frei gelaufen hatte und keine Mühe beim Einschieben des Balles hatte.

Solider Ballack-Vertreter: Tim Borowski.

Solider Ballack-Vertreter: Tim Borowski.

Leider verpasste man es mit dem 3:1 im Rücken die Verunsicherung der Ticos auszunutzen und auf das nächste Tor zu drücken. Stattdessen schaltete man wieder einen Gang zurück und ließ Costa Rica im Mittelfeld problemlos kombinieren. Hier wäre es wichtig gewesen, wenn der ansonsten starke Frings ein Zeichen gesetzt hätte. Doch sowohl er als auch der Ballack-Ersatz Borowski verpassten diese Möglichkeit. So müssen wir darauf hoffen, dass Michael Ballack kommenden Mittwoch gegen Polen wieder auflaufen kann, denn wenn einer diese Mannschaft führen kann, dann ist es der baldige England-Legionär. Fast schon folgerichtig erzielte Wanchope den Anschlusstreffer zum 2:3, als er wie auch schon bei seinem Tor zum 1:1 frei vor Lehmann auftauchte und den Ball nur noch einschieben musste.

Glücklicherweise zeigte sich Klinsmanns Elf wenig beeindruckt von Wanchopes Treffer gut 15 Minuten vor Ende der Partie, der auf eine spannende und für die deutsche Defensive prekäre Schlussphase hindeutete. Doch die Mannschaft schien durch diesen Fauxpas endlich wieder aufgewacht zu sein und ließ im Laufe der Partie keine Torchancen mehr zu. Im Gegenteil, nach einem kurz ausgeführten Freistoß von Schweinsteiger auf Frings, zog dieser aus 25 Metern direkt ab und versenkte den Ball im rechten oberen Winkel.

Grundsätzlich gesehen war der Sieg gegen Costa Rica nie ernsthaft in Gefahr. Über weite Strecken der Begegnung war die deutsche Mannschaft deutlich feldüberlegen und erarbeitete sich ein klares Chancenübergewicht. Auch die beiden Blackouts in der Verteidigung, die praktisch die einzigen nennenswerten Torchancen der Mittelamerikaner darstellten, blieben ohne Folge, da das Team um Kapitän Schneider immer die passende Antwort parat hatte. Sicherlich war es keine Leistung mit der man Mannschaften wie Brasilien oder Italien in Angst und Schrecken versetzt, aber es war ein erstes kleines Ausrufezeichen. Der Druck nämlich, der auf unserer Elf lastete, die Fans nicht enttäuschen zu wollen, war immens groß und wird in den kommenden Spielen nicht mehr so erheblich sein. Mit dem 4:2 Sieg ist eine Last von der Mannschaft gefallen, die es ihr einfacher macht in die nächsten Spiele zu gehen.

Traumtorschütze: Torsten Frings.

Traumtorschütze: Torsten Frings.

Die internationale Presse, oftmals dadurch gekennzeichnet ohne wenn und aber auf die DFB-Auswahl ?einzuschlagen?, sah das Spiel der Deutschen sogar noch positiver. Während die französische L'Equipe noch nüchtern von einem ?perfekten Start? für Deutschland schreibt, verfällt die in Italien täglich erscheinende Sportzeitschrift La Gazzetta dello Sport in die Sprache der Poesie: ?Ein Pokerspiel, das einem Deutschland Flügel verleiht, welches entdeckt, dass es schöner ist, als es selbst erwartet hätte.? Natürlich ist diese Beschreibung ebenso übertrieben wie der Kommentar der spanische Zeitung Cadena Ser, die nach dem 2:2 gegen Japan die ?schlechte deutsche Mannschaft aller Zeiten? gesehen hatte. Aber wie es nun mal im Süden Europas Gang und Gebe ist verfallen die dort ansässigen Gazetten gerne in die verschiedenen Extremen ? nicht zuletzt um sich überhaupt zu verkaufen.

Unser Gegner im zweiten Gruppenspiel, Polen, hatte unterdessen für eine erste Überraschung der noch jungen WM gesorgt, als man nach einer schwachen Darbietung verdient mit 0:2 den Südamerikanern aus Ecuador unterlag. Pawel Janas? Team offenbarte neben einer harmlosen Offensive auch reihenweise taktische Mängel in der Verteidigung und steht nun gegen die deutsche Mannschaft schon gewaltig unter Druck. Gewinnen Ballack und Co. nämlich am Mittwoch und verliert Ecuador gleichzeitig nicht gegen Costa Rica wäre die siebte WM-Teilnahme Polens wieder einmal frühzeitig beendet. Somit kann unsere Mannschaft etwas beruhigter in das Spiel gehen, denn der Druck gewinnen zu müssen, lastet diesmal stärker auf den Schultern der Polen.

, 10.06.2006

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