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Mit Herz und Leidenschaft zum Sieg

Der Joker sticht: Oliver Neuville erzielt das goldene Tor.

Der Joker sticht: Oliver Neuville erzielt das goldene Tor.

Was für ein Spiel, was für eine Spannung, was für eine Erlösung! Mit Neuvilles Siegtor in der Nachspielzeit zum 1:0 gegen Polen hat sich die deutsche Mannschaft so gut wie sicher für das Achtelfinale der WM im eigenen Land qualifiziert. Zwar blieb ein offensiver Schlagabtausch zwischen Klinsmanns Elf und den aggressiven ?Bialo-czerwoni? (die Weiß-Roten) größtenteils  aus, dafür spielte sich unsere Nationalmannschaft aber in einem dramatischen Spiel in die Herzen der Fans. Der bedingungslose Wille, gepaart mit Leidenschaft und Einsatz, hat letztendlich zu einem hochverdienten Sieg geführt, auch wenn der späte KO-Schlag für die tapfer kämpfenden Polen glücklich kam.

Die Ausgangslage war klar: Gewinnt Deutschland auch sein zweites Vorrundenspiel gegen Polen, reicht im zweiten Gruppenspiel zwischen Ecuador und Costa Rica schon ein Unentschieden, um sich für das Achtelfinale zu qualifizieren. Für unsere östlichen Nachbarn würde dies gleichzeitig das endgültige Ausscheiden bedeuten. Nur wenn Costa Rica gegen die Südamerikaner gewinnt, ist es theoretisch noch möglich, dass das deutsche Team um Kapitän Michael Ballack frühzeitig die Segel streichen muss.

Aber von diesem sehr unwahrscheinlichen Fall wollen wir nicht ausgehen. Gestern Abend hat das deutsche Team eindrucksvoll bewiesen, dass es zu dem erlesenen Kreis der Favoriten gehört, wenn es um die Frage geht, wer am 9. Juli in Berlin den WM-Pokal in die Höhe stemmen darf. Defensiv agierte die Mannschaft stark verbessert im Vergleich zum Costa Rica?Spiel. Die gesamte Mannschaft, vom Sturm angefangen, engagierte sich eindrucksvoll, um die Polen frühzeitig unter Druck zu setzen. Zudem präsentierte sich die Innenverteidigung um Mertesacker und Metzelder erneut verbessert und ließ keine gefährlichen Steilpässe auf Zurawski oder Smolarek zu. Ganz im Gegenteil, die Absprachen zwischen den beiden Jungspunden funktioniert immer besser und so kam es dieses Mal zu keinen gravierenden Stellungsfehlern im deutschen Defensivspiel. In den Duellen ?Mann gegen Mann? zeigten sich der von Klinsmann zum möglichen ?Abwehrchef? ernannte Dortmunder Christoph Metzelder und sein Partner Per Mertesacker zudem bekannt robust und ließen ihren Gegenspielern keine Möglichkeiten zur Entfaltung.

Lediglich der für Wisla Plock in seinem Heimatland spielende Jelen vermochte es kurzweilig mit seinen Schüssen das deutsche Tor zu gefährden, doch der sichere und ansonsten fast arbeitslose Jens Lehmann hatte keine Probleme damit diese zu entschärfen. Ansonsten sorgten auch die deutschen Außenverteidiger ? Phillip Lahm auf links und sein Pendant Arne Friedrich auf rechts ? dafür, dass die Verteidigung von Klinsmanns Mannen souverän agierte.

Pechvogel im Abschluss: Miro Klose

Pechvogel im Abschluss: Miro Klose

Im Spiel nach vorne offenbarte Friedrich jedoch wieder offenkundig seine Schwächen. Probleme in der Ballannahme, mangelndes Selbstvertrauen in seinen Dribblings und äußerst schwache Flanken, die oftmals hinter dem Tor landeten, erklären warum sein Mentor Klinsmann nicht umher kam ihn Mitte der zweiten Halbzeit gegen David Odonkor auszuwechseln. Fraglich, ob Friedrich nun auch in den kommenden Spielen weiterhin von Anfang an spielen darf, da sich seine Leistung zwar verbessert hat im Vergleich zum Eröffnungsspiel, aber immer noch als nur bedingt WM-tauglich beschrieben werden kann. Denn um das Offensivspiel variabel gestalten zu können, bedarf es Außenverteidiger, die in der Lage sind jeder Zeit Akzente zu setzen.

So wie es der angeblich von Chelsea umworbene Lahm auch heute wieder vormachte. Nach seiner fantastischen Leistung gegen die Ticos aus Costa Rica konnte er auch heute Abend wieder überzeugen. In der Defensive spielte er kontrolliert ohne Fehler und auch offensiv waren seine Aktionen deutlich durchschlagskräftiger. Abwechselnd zog er entweder nach innen, um selbst den Abschluss zu suchen oder flankte von der Grundseite mit seinem linken Fuß in den Strafraum. Dass seine Angriffe heute nicht so zahlreich kamen wie vergangenen Freitag lag vordergründig daran, dass Schweinsteiger einen schlechteren Tag erwischte und somit nur bedingt als offensiver Partner für Lahm in Frage kam. Der wieder genese Kapitän Michael Ballack, der für Borowski als einzige Änderung in der Anfangsformation stand, verlagerte das Spiel zudem häufig auf die rechte Seite, wo Schneider und eben Friedrich spielten.

Von einer laut Bundestrainer Klinsmann ?gigantischen Stimmung? angetrieben steuerte die deutsche Offensive 90 Minuten fast durchgehend auf das Tor von Polens Keeper Boruc zu. Allein der zweifache Torschütze gegen Costa Rica, Miroslav Klose, vergab reihenweise beste Einschussmöglichkeiten. Schon in der ersten Halbzeit hätte die DFB-Elf alles klar machen können. Doch sowohl Klose per Kopf als auch Podolski in der Nachspielzeit, freistehend vor Boruc, vermochten es nicht den Ball im Tor unterzubringen. So ging es nach 45 Minuten torlos, aber mit dem guten Gefühl in der Abwehr sicher positioniert zu sein, in die Pause.

Schwacher Auftritt nach starkem Eröffnungsspiel: Bastian Schweinsteiger

Schwacher Auftritt nach starkem Eröffnungsspiel: Bastian Schweinsteiger

Was Klinsmann und Löw ihren Spielern in den 15 Minuten so alles erzählt haben, ist im Detail zwar nicht bekannt, für einen weiteren Schub sorgte die Ansprache mit Beginn der zweiten Halbzeit allerdings nicht. Podolski und Schweinsteiger zogen sich aus den Offensivbemühungen weitestgehend zurück und so blieb es an Schneider und Friedrich für Akzente zu sorgen, was im Endeffekt in Quer- und Rückpässen endete. Die Polen, besonders durch Jelen und Zewlakow, erkannten ihre sich anbietende Chance und begannen mutiger nach vorne zu spielen. Doch bevor sie in der Lage waren zählbares aus ihren Angriffen zu ziehen, reagierte Klinsmann und brachte Odonkor (und erlöste gleichzeitig Friedrich). Mit der Hereinnahme des jungen Dortmunder Außenstürmers wendete sich das Blatt für die deutsche Mannschaft wieder zum Guten. Odonkor nämlich, hoch motiviert und willig zu beweisen, dass seine Nominierung berechtigt ist, sorgte auf der rechten Seite für viel Wirbel und steckte den Rest der Mannschaft mit seinem Ehrgeiz an.

Auch die folgende Dezimierung des polnischen Teams durch die gelb-rote Karte für Sobolewski nach einem taktischen Foul an Klose hatte seinen Ursprung bei Odonkor, der mit seinem schnellen Antritt und dem Pass auf den Bremer diese Möglichkeit erst in die Wege leitete. Die numerische Überzahl der deutschen Mannschaft, die noch kein Länderspiel im Dortmunder Westfalenstadion, dem ?Tempel?, verloren hat, gab ihr weiteres Selbstvertrauen und folglich ergaben sich fast im Minutentakt beste Torchancen. Doch der für Podolski eingewechselte Neuville, Borowski, Klose und Ballack ließen ihre Fans fast verzweifeln. Als der vierte Offizielle die offizielle Nachspielzeit von drei Minuten verkündete, lag eine spürbare Spannung in der Luft. Man konnte regelrecht fühlen, dass unsere Jungs sich nicht mit einem Remis begnügen wollen - sie wollten nur eines und zwar den Sieg!

Das Signal für eine feurige Schlussphase: Polen dezimiert.

Das Signal für eine feurige Schlussphase: Polen dezimiert.

Dieser fiel dann auch, gut eine Minute vor Ende der Begegnung, aus einer Co-Produktion der beiden Joker Odonkor und Neuville. Der 22-jährige Dortmunder flankte nach einem weiteren Sololauf auf der rechten Seite flach in die Mitte, wo der Gladbacher Neuville völlig frei in den Ball springen konnte und Fußball-Deutschland in letzter Sekunde mit seinem Treffer zum 1:0 Sieg erlöste.

Nach dem Ende der Partie analysierte der Nationaltrainer Polens, Pawel Janas, in Bezug auf seine Mannschaft treffend, dass ?unser Hauptproblem ist, dass wir nicht in der Lage sind, ein Tor zu schießen?. Fraglich allerdings warum seine Mannschaft überhaupt so passiv und zurückgezogen agierte, denn unter Zugzwang stand nicht Klinsmanns Elf, sondern die von seinem Kollegen Janas.
Nichtsdestotrotz kann die deutsche Mannschaft stolz auf ihren Sieg blicken, der hochverdient, wenn auch zu niedrig ausfiel. Heute hat die Defensive hervorragend funktioniert. So musste endlich einmal nicht die Offensivabteilung über Missstände in der Hintermannschaft hinwegtäuschen. Gegen Polen haben wir eine andere deutsche Mannschaft gesehen, eine, die auf ihre Chance warten kann und bereit ist diese letztendlich zu nutzen. Und, hey, wenn selbst der ARD-Experte Netzer ?begeistert? war vom Spiel unserer Elf, dann kann das Spiel so schlecht ja nicht gewesen sein ?

, 15.06.2006

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