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Der Deutschland-Hype geht weiter!

Bravo, das 10. deutsche WM-Halbfinale findet in Dortmund statt!

Die schwarze Serie ist gerissen ? im 17. Anlauf nach dem 1-0 Sieg der deutschen Nationalmannschaft gegen England in Wembley, hat sie es endlich wieder geschafft einen ?Großen? der Fußballwelt zu schlagen und setzt damit ein ganzes Land in völlige Ekstase. Als Jens Lehmann um kurz vor 20 Uhr deutscher Zeit den entscheidenden Elfmeter gegen den Argentinier Cambiasso parierte, war der Jubel deutschlandweit grenzenlos und mit Worten nicht zu beschreiben. Innerhalb von fünf Spielen haben es Klinsmann und sein Team geschafft Jeden, aber auch wirklich Jeden davon zu überzeugen, dass diese deutsche Mannschaft tatsächlich in der Lage ist, am 9. Juli das Olympiastadion als Weltmeister zu verlassen. Vorraussetzung dafür sind allerdings noch zwei Siege ? wiederum gegen zwei ?Große? der Branche.

Sicher ? das heutige Viertelfinalspiel der Fußball-Weltmeisterschaft zwischen Deutschland und Argentinien war von beiden Seiten keine spielerische Glanzleistung. Zu sehr neutralisierten sich beide Mannschaften dafür. Der (neutrale) Zuschauer, der sich innerlich nach den bisherigen eher berauschenden Auftritten der beiden Protagonisten auf ein temporeiches Offensivspektakel gefreut hatte, wurde heute Abend deutlich enttäuscht. Das Spiel nämlich war nach einer nervösen Anfangsphase von der Taktik geprägt auf den ersten Fehler des jeweils Anderen zu warten. Auch Klinsmanns Himmelstürmern merkte man erstmals eine gewisse Verkrampfung an. Einzig und allein die Spannung, die während den 120 Minuten Spielzeit und dem folgenden Elfmeterschießen herrschte, fesselte Millionen Menschen vor ihren Fernsehgeräten. So auch Maradona, der erstmals bei einem Argentinien-Spiel nicht im Stadion war, da ein Freund von ihm an den Einlasskontrollen des Berliner Olympiastadions scheiterte. Somit verpasste er die letzte Möglichkeit live die von José Nestor Pekerman trainierten ?Gauchos? zu sehen. Pekerman trat nämlich im Anschluss an die Niederlage inmitten der Tumulte zurück.

Das Bild des Tages !!

Das Bild des Tages !!

Für das Spiel der deutschen National- mannschaft war der ?Hitchcock-Thriller? (Klinsmann) ein Spiel unter umgekehrten Vorzeichen. Denn nicht die hoch gelobte Offensive, sondern die oft, speziell im Vorfeld der WM, stark kritisierte Defensive, brillierte gegen die taktisch hervorragend aufgestellten Argentinier. Die Verständigung in der deutschen Defensivabteilung funktionierte reibungslos und so musste ein individueller Fehler von Klose nach einer Standartsituation für die erste Torchance und dem damit direkt verbundenen Führungstreffer seitens der Südamerikaner herhalten. Ansonsten stand die Vierer-Abwehrkette, mit ihrem ?Staubsauger? Torsten Frings im defensiven Mittelfeld, besonders in der ersten Halbzeit, absolut sicher. Die beiden Innenverteidiger, Mertesacker und Metzelder hatten Argentiniens Mittelstürmer Hernan Crespo jederzeit im Griff und gaben sich im gesamten Spiel gegen die ?Albiceleste? (die Himmelblauen) keine Blöße.

Deutsche Tugenden "neu" wiederentdeckt

Auch Arne Friedrich, von den Argentiniern als vermeintliche Schwachstelle identifiziert, zeigte gegen den für Saviola spielenden Carlos Tevez eine klasse Partie und schaltete den bulligen und torgefährlichen Stürmer über 120 Minuten nahezu komplett aus. Klinsmanns Festhalten an dem sprintschwachen Herthaner scheint sich also langsam aber sicher auszuzahlen. Mit der heutigen Leistung jedenfalls hat er seine regelmäßigen Einsätze erstmals nachhaltig gerechtfertigt. Als das Spiel Mitte der zweiten Halbzeit auf der Kippe stand, übernahm Friedrich sogar Verantwortung und forderte in dieser Phase vehement den Ball. Auch wenn er in seinen Offensivaktionen keine nennenswerte Akzente setzen konnte, hat der 27-jährige heute erstmals seine WM-Tauglichkeit vollends unter Beweis gestellt. Phillip Lahm dagegen, bisher neben Klose bester deutscher Spieler während der WM, wirkte heute gehemmt und in vielen Situationen unkonzentriert. Neben seinem Aussetzer in der zweiten Halbzeit, als er kurz vor dem Strafraum einen Querpass genau in die Beine von Tevez spielte, war sein Spiel von Ungenauigkeiten geprägt. Oft versprang ihm bei seinen heute auch seltenen Ausflügen in die gegnerische Hälfte der Ball und somit musste das deutsche Spiel folgerichtig ohne Impulse des Müncheners auskommen.

Bester Akteur in schwarz und weiß: "Lutscher" Frings

Bester Akteur in schwarz und weiß: "Lutscher" Frings

Eindeutiger Gewinner und bester Mann auf dem Feld war aber kein Verteidiger. Bei dem Spiel, welches Klinsmann als ?reine Nervensache? bezeichnete, spielte der Bremer Frings in den Vordergrund. Immer präsent und mit fairen Mitteln störte er die Angriffsbemühungen der Argentinier schon im Keim und nahm so deren Spielmacher Riquelme praktisch die Luft zum Atmen. Kompromisslos arbeitete er das gesamte Spiel über für den Erfolg der Mannschaft und bot sich fortlaufend als Anspielstation an. Somit nahm er zum einen Druck vom Rest der Mannschaft und entlastete zum anderen den Kapitän, Michael Ballack, bei seinen Bemühungen Ruhe und Ordnung ins Spiel der deutschen Mannschaft zu bringen.

Überhaupt verstand es Klinsmanns Elf die Argentinier erst gar nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. In den ersten 45 Minuten brachten die ?Gauchos? nur einen einzigen, ungefährlichen Torschuss zu Stande. Die deutsche Defensive als Kollektiv überzeugte auf der ganzen Linie und sprang damit für die größtenteils ideen- und konzeptlose Vorwärtsbewegung der DFB-Elf ein, die vor der Pause auch nur durch einen Kopfball von Ballack, der knapp am Tor von Abbondanzieri vorbei segelte, zu überzeugen wusste. Zu keinem Zeitpunkt konnte sie ein ähnliches Offensiv-Spektakel ?abfeuern? wie in den Spielen zuvor. Schweinsteiger und Schneider waren auf ihren Außenbahnen zwar bemüht, vermochten es aber nicht dem Spiel ihren Stempel aufzudrücken. Verständlicherweise wurden sie dafür in der zweiten durch Borowski, respektive Odonkor ersetzt, die Beide nach ihren Einwechslungen für positive Impulse sorgten und das Offensivspiel ihrer Mannschaft variabler gestalteten.

Eine kleine Unachtsamkeit zog dann jedoch direkt den 0-1 Rückstand für die Klinsmanns Mannen. Nach einer Ecke verlor der an für sich kopfballstarke Klose sein Duell gegen Ayala und musste mit ansehen, wie dessen Kopfball hinter Lehmann in die Maschen drang. Zum ersten Mal im laufenden Wettbewerb war die deutsche Mannschaft also in Rückstand geraten. Doch wer nun damit gerechnet hatte, dass die junge Elf nicht gefestigt genug sei, um diese Bewährungsprobe zu bestehen, sah sich getäuscht. Langsam aber sicher, fast routiniert, steigerten Ballack und seine Nebenleute die Intensität ihrer Offensivbemühungen und kontrollierten nach dem 1-0 der Argentinier das Spiel, die sich vermehrt in ihre eigene Hälfte drängen ließen und unnötiger Weise das Zepter aus der Hand gaben. Michael Ballack, der heute nicht so prägnant auftrat, wie noch zuletzt gegen die Skandinavier aus Schweden, versuchte dabei das Spiel zu leiten. Dies gelang ihm allerdings erst, nachdem Klinsmann wie erwähnt Borowski und Odonkor einwechselte.

Kam, sah und siegte: "Speedy-Odonkor"

Kam, sah und siegte: "Speedy-Odonkor"

Doch lange Zeit sah es so aus als wenn die DFB-Elf nicht noch einmal ganz zurückkommen könne, da der letzte Pass fast nie einen Abnehmer fand. Nur als Klose nach einer Schweisteiger-Ecke Abbondanzieri irregulär anging, eröffnete sich für Ballack eine Schussgelegenheit, die er allerdings nicht nutzen konnte. Der argentinische Torhüter verletzte sich bei dieser Aktion allerdings und musste durch Leo Franco ersetzt werden. Einen Umstand, den ARD-Experte Netzer trocken mit den Worten ?Pech gehabt? zusammenfasste. In der Folgezeit schwächte der Nationaltrainer der ?Albiceleste?, Jose Pekerman, den der ebenfalls bei der ARD im Dienst stehende Kommentator Beckmann, als ?stummen Strategen mit dem melancholischen Blick? beschrieb, sein Team aber selbst. Für seinen Spielmacher Riquelme brachte er die defensivere (und sicherlich auch schlechtere) Variante mit Esteban Cambiasso und für Crespo nicht etwa das Riesentalent Messi, sondern den Interisti Cruz. Zwei Wechsel die dem einzigen Ziel dienten, den Vorsprung über die Zeit zu retten.

Ein Ziel, dass seine Mannschaft allerdings nicht erfüllen konnte. Denn nach einer Flanke von Ballack von der linken Außenbahn auf Borowski und einer genialen Kopfballverlängerung des Bremers, vollendete Vereinskamerad Miroslav Klose den ersten flüssigen Angriff der zweiten Halbzeit und erzielte gleichzeitig seinen 10. WM-Treffer. Bis zum Ende der regulären Spielzeit verständigten sich die beiden Mannschaften dann auf einen Gefechtsstillstand. Die beiden Hälften der Verlängerung waren ähnlich wie die der ersten 90 Minuten verschieden gewichtet. Während in der ersten Hälfte der Verlängerung die deutsche Elf auf den Siegtreffer drängte, versuchten es die Argentinier in der zweiten ? beide vergebens.

Jensi kommt jetzt zurück in "sein" Westfalenstadion

Jensi kommt jetzt zurück in "sein" Westfalenstadion

Das Elfmeterschießen hatte natürlich einen ganz großen Gewinner und der heißt Jens Lehmann. Vor den entscheidenden Schüssen erhielt er noch Glückwünsche von seinem Kontrahenten Oliver Kahn, um kurz darauf mit zwei gehaltenen Elfmetern gegen Ayala und Cambiasso der umfeierte Held zu werden. Für Lehmann, der sich gewohnt gelassen nach dem Einzug ins Halbfinale präsentierte, nichts unerwartetes. Laut eigener Einschätzung sollte man ?als deutscher Torwart ein Elfmeterschießen gewinnen.? Selbstbewusstsein pur. Ein Selbstbewusstsein, welches scheinbar auch den deutschen Schützen, Neuville, Ballack, Podolski und Borowski eingeimpft worden war, denn allesamt verwandelten ihre Elfmeter sicher und platziert.

Frings: "Argentinien ist absolut unfair und kann ganz schlecht verlieren"

Was sich allerdings dann anschließend abspielte, war jedoch weniger schön. Das Temperament ging mit den Südlamerikanern durch. Sie konnten die sportliche Niederlage nicht fair akzeptieren, da für sie offenbar einzig der Titel zählte. Ihre Trauer schlug dabei in Wut um, eine Rudelbildung erfolgte und die FIFA hat bereits angekündigt, den Fall näher zu untersuchen. Auslöser der Tumulte soll eine Geste von Mittelfeldspieler Tim Borowski gewesen sein. Dieser hatte nach seinem verwandelten Elfmeter zum 4:2 die argentinischen Spieler aufgefordert, endlich ruhig zu sein. Die argentinischen Profis hatten die deutschen Spieler nach jedem verwandelten Elfmeter mit Schmährufen belegt.

Blanke Nerven bei den wilden Gauchos (Heinze)

Blanke Nerven bei den wilden Gauchos (Heinze)

Nach der Entscheidung zugunsten der DFB-Elf lief der argentinische Ersatzspieler Leandro Cufre auf Per Mertesacker zu und trat diesen. Offenbar verwechselte der beim AS Rom spielende Cufre den deutschen Abwehrspieler mit Borowski. Daraufhin zeigte der slowakischen Schiedsrichter Lubos Michel dem Südamerikaner die Rote Karte und dürfte schätzungsweise für die nächsten 3-5 Spiele der Argentinier gesperrt werden. "Es war unfair, was er getan hat. Aber er ist dafür bestraft worden. Und damit ist die Sache für mich auch erledigt. Wohin er mich getreten hat, spielt dabei keine Rolle mehr", sagte Mertesacker.

Zwei Spiele sind es also noch, zwei Mal heißt es noch mitzittern mit Klinsmanns Elf, bevor der Traum von der Weltmeisterschaft verwirklicht werden kann. Nächster Stolperstein wird dabei die "Squadra Azzurra" sein, mit der wir noch einen Rechnung aus der Vorbereitung zu begleichen haben, als sie uns mit 1-4 aus Florenz zurück nach Hause schickten. Doch für den kommenden Dienstag stehen die Vorzeichen anders. Denn im Gegensatz zur italienischen Mannschaft konnte die deutsche in allen Spielen überzeugen und schlug nun mit Argentinien das vielleicht bis dato beste Team der Welt. Wir dürfen also gespannt sein, wie Deutschland gegen Italien agieren wird ? wobei eines sicher ist: Favorit in Dortmund sind wir!

, 30.6.2006 

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