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Glanzlose Pflichterfüllung

Was waren die Waliser noch selbstbewusst vor dem Qualifikationsspiel gegen Deutschland. Trainer John Toshack hatte einen ?heißen Tanz? versprochen und der Debütant Freddy Eastwood aus der zweiten englischen Liga sah sich sogar in der Lage gegen den angeblich ?schwächelnden? Jens Lehmann ein (vielleicht sogar das entscheidende) Tor zu schießen. Am Ende kam es dann aber doch wie erwartet und Wales blieb nichts anderes übrig als sich in der Schlange der von Löws Truppe geschlagenen Inselteams hinter Irland und England einzureihen. Man mag es abgeklärt und souverän nennen wie die DFB-Auswahl letztendlich zu ihrem 2:0-Sieg gegen die höchstens zweitklassigen "Lions" kam, doch die oftmals ideenlose Spielweise offenbarte vor allem eines: Ballack, Frings, Schneider und Lahm sind alle auf einmal qualitativ nicht zu ersetzen. Nur welches Nationalteam kann schon von sich behaupten auf vier der stärksten Akteure verzichten zu können?

"Schweini" gegen Robert Earnshaw

"Schweini" gegen Robert Earnshaw

Erinnern wir uns einmal über fünf Jahre zurück an den 14. Mai 2002: Die deutsche Nationalmannschaft wurde noch von Rudi Völler trainiert und stand mitten in der Vorbereitung auf die WM in Japan und Südkorea. Mehr schlecht als recht hatte man sich durch die Qualifikation geboxt, unter anderem die herbe 1:5-Klatsche in München gegen England erleiden müssen und auch gegen Finnland kam man in den beiden Begegnungen nicht über zwei Punkteteilungen hinaus. Spieler wie Hamann und Jeremies durften im Mittelfeld noch ihr Unwesen treiben und selbst der heutige Teammanager Oliver Bierhoff war damals in vorderster Front längst nicht mehr der gefürchtete Goalgetter. So trat man mit einer konzeptlos zusammengestellten Mannschaft ebenfalls in Wales an und verlor dieses Spiel vollkommen verdient mit 0:1. Hält man sich also vor Augen, was für Qualen man als Fan noch vor ein paar Jahren ertragen musste (der negative Höhepunkt war sicherlich die EM 2000), so erscheint der heutige Sieg in einem ganz anderen Licht. Natürlich, es war kein berauschendes Fußballfest, nichts für Fußballästheten, aber es war ein dominant aufgezogener und nie gefährdeter 2:0-Auswärtssieg. Es spiegelt einfach das neue Selbstverständnis unserer Mannschaft wider, dass Spiele, die früher reihenweise zu Hängepartien verkamen, nun problemlos gewonnen werden. Ein Aspekt für den Fußball-Deutschland Klinsmann und Löw gar nicht genug dankbar sein kann.

Das Spiel am gestrigen Abend war ? und so hat es wohl ein Großteil der Fangemeinde empfunden ? plakativ ausgedrückt einfach schrecklich langweilig. Die Außenverteidigerpositionen waren für das Offensivspiel wenig hilfreich, da Friedrich auf der rechten Seite in seinen Fähigkeiten diesbezüglich zu begrenzt ist und Pander auf der Linken schon defensiv zu überfordert war, um nach vorne für Akzente sorgen zu können. Folgerichtig wurde er auch schon zur Halbzeit ausgewechselt. Im Mittelfeld sollten Schweinsteiger und Hitlsperger in der Zentrale die Fäden ziehen und die Angriffsbemühungen koordinieren. Dem Münchener hatte Löw dabei zugetragen Ballacks ?Leader-Rolle? zu übernehmen, was diesem in mehreren Situationen nicht gelang. Er spielte zwar technisch versiert und forderte viele Bälle, doch ihm fehlt in der Vorwärtsbewegung neben der Ruhe und Übersicht oftmals auch die nötige Präzision. Mit einem Nebenmann wie Ballack kann er viel eher aufblühen, da der Druck dann nicht alleine auf ihm lastet. Bayerns Marcell Jansen und Roberto Hilbert vom amtierenden deutschen Meister komplettierten die Raute, in der Hitzlsperger etwas zurückgezogener agierte.



Sehr entgegen kam der deutschen Elf, dass Wales, welches ohne den zurückgetretenen Superstar Ryan Giggs und den verletzten Stürmer Bellamy auskommen musste, entgegen aller Beteuerungen mit äußerst viel Respekt in die Partie ging und somit den Deutschen viel Raum zum Kombinieren lies. Gerade einmal sechs Minuten waren gespielt, als der agile und selbstbewusste Hitzlsperger im Mittelfeld den Ball erorberte und ihn postwendend zu Kuranyi weiterleitete. Dieser zog nach rechts und spielte dem kreuzenden Klose den Ball in den Lauf, der mustergültig an Hennessey vorbei zur Führung einschob. Doch die Waliser schien das wenig zu beeindrucken, sie überließen weiterhin ihrem Gegner die Spieldominanz. Leider verpassten es die ?Bundesadler? in dieser Phase nachzulegen, um das Spiel frühzeitig zu entscheiden. Viel mehr verlor das Spiel im Laufe der ersten 45 Minuten Stück für Stück an Dynamik und interessanten Spielszenen. Einzig ein indirekter Freistoß innerhalb des Strafraums - der zweifelsohne nichts anderes als ein Elfmeter war, da Jansen durch ein gestrecktes Bein zu Fall gebracht wurde ? sorgte für ein wenig Aufregung, doch Schweinsteiger verpasste die Chance auf 2:0 zu erhöhen. Ansonsten wechselten sich Flanken aus dem Halbfeld (wer hat eigentlich diese sinnlose und fast nie ertragreiche Spielweise im Laufe der Fußballhistorie eingeführt?) und Schüsse aus der zweiten Reihe ab.

Doppeltorschütze Miro läßt sich gratulieren

Doppeltorschütze Miro läßt sich gratulieren

Der Defensivverbund der deutschen National- mannschaft hatte wenig Probleme mit dem vereinzelten Angriffs- versuchen der Waliser. Nur der schwache Pander ließ sich auf seiner linken Seite von Ricketts und Davis das ein oder andere Mal übertölpeln, was aber regelmäßig in ungefährlichen Flanken der harmlosen Gastgeber endete. Ansonsten funktionierte die Defensiv- arbeit praktisch fehlerlos. Mertesacker und Metzelder spielten in der Innen- verteidigung ebenso kompromisslos wie effektiv. Folglich hatten die Inselkicker äußerste Schwierigkeiten überhaupt zu Torschüssen zu kommen. So konnte Jens Lehmann ungeachtet jeglicher Kritik an seiner Person einen ruhigen Abend verbringen ohne großartig ins Spielgeschehen eingreifen zu müssen. Am Beispiel Tim Wiese zeigte sich unterdessen, dass ein möglicher Nationalspieler neben seinen positionsspezifischen Fähigkeiten auch die Charaktereigenschaft ?Teamfähigkeit? beherrschen muss. Da der Bremer dies aufgrund seiner ?respektlosen Kritik? (O-Ton Löw) an seinen Konkurrenten Hildebrand, Enke, Weidenfeller und Neuer vermissen ließ, ist nicht damit zu rechnen, dass Wiese in naher Zukunft je für den DFB auflaufen wird.

Mit Beginn der zweiten Halbzeit brachte das Trainerteam Trochowski für Pander, was zur Folge hatte, dass Jansen eine Position nach hinten rückte und der Hamburger nun links offensiv für Schwung sorgen sollte. Tatsächlich riss man sich nun wieder etwas mehr zusammen und drang darauf den wieder einmal vielen mitgereisten Fans etwas mehr zu bieten. Zielstrebiger und aggressiver setzte man Wales stärker unter Druck und provozierte somit Fehler in deren Defensivarbeit. Einen davon konnte Hilbert, der ansonsten weitestgehend unauffällig blieb, nutzen, als Bale in der Vorwärtsbewegung den Ball vertendelte und der Stuttgarter zur Grundlinie zog, um den völlig freistehenden Klose zu bedienen, der sich wiederum nicht lumpen lies und zum 2:0-Endstand einköpfte. Kurz danach stellte das deutsche Team dann jedoch vollkommen die Arbeit ein. Ohne Zug zum Tor und den Willen noch ein, zwei Tore nachzulegen vergingen die letzten 30 Minuten ohne nennenswerte Aktionen. Die einen konnten nicht mehr, die anderen wollten nicht mehr.

Gute Partie auf der "6er" Position: "Hitze"

Gute Partie auf der "6er" Position: "Hitze"

Schlussendlich bleibt unter dem Strich ein erfolgreicher Arbeitssieg, der mit drei Punkten belohnt wurde und die Tatsache mit sich zieht, dass ?der Druck gewinnen zu müssen, jetzt weg ist? (Löw). Zwar hätte man noch ?ein paar Tore mehr machen können? wie Bastian Schweinsteiger richtig erkannte, aber auch mit dem erreichten Ergebnis kann man zufrieden sein. Wales an sich hat ein junges Team, welches bei weitem noch nicht in der Lage ist, sich ernsthaft Chancen ausrechnen zu können zu einem großen Turnier fahren zu dürfen. Dafür ist deren Spielweise zu bieder um das individuelle Spielermaterial zu schwach. In der Qualifikationsgruppe ?D? hat unterdessen Tschechien in San Marino mit 3-0 gewonnen, hat also weiterhin bei gleicher Anzahl an Spielen fünf Punkte Rückstand auf die DFB-Auswahl. Weitere drei Punkte dahinter liegt Irland, welches in der Slowakei nur zu einem 2:2-Unentschieden kam und nun kommenden Mittwoch in Tschechien gewinnen muss, um noch die Möglichkeit zu haben 2008 in Österreich und der Schweiz dabei zu sein.

Für Deutschland steht in drei Tagen die Partie gegen Rumänien an, wo das Trainerteam schon angekündigt hat, einige Stammkräfte zu schonen. Nichtsdestotrotz kann das Ziel nur ein Sieg sein, wenn man sich für die derbe 1:5-Niederlage vom letzten Aufeinandertreffen revanchieren will!

, 09.09.2007 

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