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Alles wieder gut?

Nach der spielerischen Offenbarung gegen Österreich hat sich die deutsche Nationalmannschaft rehabilitiert. Die harmlosen Schweizer waren zu keinem Zeitpunkt ein ebenbürtiger Gegner und verloren auch in der Höhe verdient mit 0-4. ?Jogis? Elf dagegen sprühte regelrecht vor Engagement und Laufbereitschaft. Sie war defensiv stabil und offensiv effektiv. Doch von ?eitel Sonnenschein? darf noch keine Rede sein, denn es steht noch eine Menge Arbeit vor der DFB-Auswahl.

Vor dem Spiel hatte Jogi Löw die Eidgenossen zum Mitfavoriten um den EM-Titel gekürt. Dass er davon auch nach Spielende nicht abrücken wollte, hatte fast schon tröstenden Charakter. Dafür müssten sich die Schweizer nämlich in ihrer Vorrunden-Gruppe erst einmal gegen Tschechien und Portugal durchsetzen. Nach der gestrigen Leistung scheint das unwahrscheinlicher denn je. Die ?Neue Zürcher Zeitung? brachte es auf den Punkt: ?Es war eine Demaskierung.? Gut zwei Monate vor Beginn der EM bleibt Trainer Köbi Kuhn nicht mehr viel Zeit. Ex-Schiri Urs Meier war sogar den Tränen nahe.

Die deutschen Nationalspieler hingegen können sich nun entspannter dem Saison-Endspurt widmen. ?Wir haben einige Antworten auf offene Frage erhalten?, sagt Löw und deutet damit an, dass die nominierten Spieler durchaus zu überzeugen wussten. Vor allem der Sturm brillierte im St. Jakob Park. Gomez auf Klose, Podolski auf Gomez, Kuranyi auf Podolski ? ganz egal, welches Duo sich gerade am Platz befand, abgefallen ist keiner.

Doch der eigentliche Gewinner des Abends war ganz alleine Mario Gomez. Die 23-jährige Lebensversicherung des VfB Stuttgart war das ganze Spiel über brandgefährlich, erzielte zwei Treffer selbst und bereitete einen weiteren vor. Nachdem er seine Nervosität in der ersten Halbzeit abgelegt hatte, stellte er nach Wiederanpfiff seine Kaltschnäuzigkeit unter Beweis. Für ZDF-Kommentator Béla Réthy ist Gomez nun der ?Topfavorit? auf den Stammplatz neben Klose. Doch Klose sollte aufpassen: zum jetzigen Zeitpunkt müsste er wohl eher um den Platz neben dem Stuttgarter Goalgetter kämpfen.

Dass Lehmann, Schweinsteiger und Lahm in der Nationalmannschaft Spielpraxis sammeln dürfen, zeigt allerdings, dass lange noch nicht alles im grünen Bereich ist. Dieses Procedere ist in den letzten Jahren zu einem der größten Missverständnisse des deutschen Fußballs geworden. Zur Erinnerung: Für gewöhnlich empfehlen sich Spieler durch überdurchschnittliche Leistungen in ihren Vereinen für die DFB-Elf. Das Völler-Phänomen, verdiente Spieler aus Dankbarkeit weiter zu berufen, war eigentlich dem ?Leistungsprinzip? unter Klinsmann gewichen. Eigentlich.

Nun verdankt es Jens Lehmann der WM 2006 und einer Reihe glücklicher Zufälle, dass an ihm wohl kein Weg mehr vorbei führen wird. Seit 621 Minuten ist er ohne Gegentor ? ein beeindruckender Rekord, der gegen Weißrussland durchaus noch ausgebaut werden könnte. Ohne die Hintergründe zu kennen, erscheint eine Torwartdiskussion lächerlich. Nur hatte Lehmann aber das Glück bei der kollektiven Leistungsverweigerung gegen Tschechien nicht spielen zu müssen. Österreich scheiterte an seiner eigenen Dummheit und ansonsten hießen die Gegner Schweiz Wales, Zypern und Irland. Teams, die in Europa nicht zur Creme de la Creme gehören. Am schlimmsten jedoch: Bei Arsenal ist er weiterhin die Nummer zwei hinter Almunia. Da er sich gestern Abend aber keinen weiteren Fehler leistete, wird der in Spanien gefeierte Timo Hildebrand erst nach der EM ins Tor rücken.

Wird Christoph Metzelder rechtzeitig fit, hat auch er laut Bierhoff seinen Stammplatz neben Mertesacker sicher: ?Die beiden harmonieren und sind eingespielt.? Sicherlich eine fragwürdige Formulierung. Für Real Madrid hat Metzelder in der Primera División gerade einmal sieben Spiele absolviert. Doch auf dieser Position eine verständlichere Haltung. Es fehlen schlicht die Alternativen. Sowohl Manuel und Arne Friedrich als auch Heiko Westermann können einen Metzelder in Topform nicht mal ansatzweise ersetzen ? er muss nur fit werden.

Problematischer sieht da die Situation im Mittelfeld aus. Torsten Frings ist noch verletzt und Bernd Schneider so außer Form, dass er sogar Clemens Fritz weichen musste. So bleiben aus der WM-Raute noch Ballack und Schweinsteiger. Gegen die Schweiz konnte keiner von beiden wirklich überzeugen. Ballacks sonst so zielgenaue Pässe landeten regelmäßig in des Gegners Füßen ? selbst als er aus zehn Metern frei zum Schuss kam, blieb der Torjubel aus. Die psychische Autorität, die der Londoner sonst ausstrahlt, fehlte gestern Abend vollkommen. Bleibt nur zu hoffen, dass der Kapitän bis Anfang Juni in Form kommt, denn seine Mitspieler orientieren sich an ihm. Er ist der einzige Leader im Team, der alle anderen neun Feldspieler mitreißen kann.

?Schweini?, auf der Bayernbank Sitznachbar von Podolski, begann das Spiel sehr engagiert. Im Laufe des Spiels wurde er jedoch immer übermotivierter und beschäftigte sich mehr mit seinen Gegenspielern als mit dem Ball. Dass er nicht schon während der ersten Halbzeit duschen gehen konnte, verdankte er einzig Schiedsrichter Braamhaar, der ihm für seine Tätlichkeit nur die gelbe Karte zeigte. Wie schon nach dem Österreich-Spiel festgestellt, steht der einstige Hoffnungsträger weiterhin an der berüchtigten Schwelle. Denn auch seine Aufstellung basiert weniger auf seinen guten Leistungen, als viel mehr auf mangelnder Konkurrenz.

Doch bei aller Kritik haben ?Jogis? Jungs immer noch deutlich gegen den EM-Ausrichter aus der Schweiz gewonnen. Und trotz der vielen kleinen Mängel hat die Mannschaft gestern auf beeindruckende Weise Wiedergutmachung für die peinliche Österreich-Vorstellung betrieben. Ein ?Lerneffekt? war zweifellos erkennbar ? denn nicht jeder hätte während der jetzigen Saisonphase mit so viel Siegeswillen und Leidenschaft gerechnet. Wenn unser Team diese Eigenschaften verinnerlicht und weiter intensiv an sich arbeitet, können wir optimistisch die kommenden Monate bestreiten.

, 27.03.2008

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