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+++ EM-Tagebuch (2) +++

Es gibt Dinge, denen steht auch der gewiefteste Psychologe geradezu machtlos gegenüber. Wenn zum Beispiel die Springer-Presse im Vorfeld des Polen-Spiels in unsägliche Stimmungsmache verfällt und Empörung schürt, indem sie über ihr in Warschau erscheinendes Revolverblatt ?Fakt? deutsche Fußballer aufs Schlimmste verunglimpft. Um dann in der ?Bild?-Zeitung auf die ?durchballernden? Polen loszugehen. Doch Hans-Dieter Hermanns Aufgabe beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) ist es ja nicht, nach Vorfällen dieser Art beschwichtigend auf die derart aufgebrachte Fan-Schar einzuwirken. Da hätte er auch eine Menge zu tun. Nein, Herrmann ist für die geistige Fitness der Nationalspieler verantwortlich ? und das seit nunmehr vier Jahren.

Ein ?Psycho? für die Nationalmannschaft ? klar, das war eine der vielen, von Jürgen Klinsmann angestoßenen Neuerungen. Mittlerweile gehört Hermann zum DFB-Tross wie der Masseur, der Busfahrer, der Co-Trainer. Anfangs mitunter misstrauisch beäugt, hat sich der Dozent an der Uni Heidelberg längst seinen ?Stammplatz? im DFB-Team gesichert. Er ist geschätzt und respektiert. In Tagen wie diesen, in denen mit der Erwartungshaltung im Umfeld auch der Druck für die Spieler wächst, ist sein Einfühlungsvermögen mehr gefordert denn je. Peinliche Kampagnen wie die oben beschriebenen aus dem Hause Springer muss Hermann nicht thematisieren oder aufarbeiten. ?Dieses Thema spielt bei uns keine Rolle?, hielt Bundestrainer Joachim Löw fest und Kapitän Michael Ballack hatte eingedenk der medialen Machenschaften gar einen Motivationsschub ausgemacht: ?Das motiviert uns um so mehr.? Fraglich, ob Ballack Kenntnis davon hat, dass die Schlammschlacht von einem Springer-internen ?Wettbewerb? ausgelöst wurde.

Dabei bedarf es in diesen Tagen von Ascona überhaupt keiner externen Motivationshilfe. Insider im Umfeld der Nationalmannschaft behaupten, die Stimmung bei einer deutschen Nationalmannschaft vor einem Turnier sei noch nie so gut, so gelassen gewesen wie in diesen Tagen in der Abgeschiedenheit von Ascona. Und so voller Zuversicht. Hermann bestätigt das, wenn er sagt: ?Es gibt diese Lockerheit, die man braucht, um erfolgreich zu sein.? Hermann beobachtet beim Training ganz genau, wie sich der jeweilige Spieler in bestimmten Situationen verhält. Die Gesamterscheinung ist ihm wichtig. ?Ist jemand für die nächste Aktion bereit? Ich kann auch Enttäuschung an der Körpersprache sehen oder am Engagement.?
Viel zu bemängeln hat Hermann so kurz vorm EM-Start nicht. Nicht bei den Spielern und schon gar nicht beim Trainer, der den Spielern die konzentrierte Lockerheit sozusagen vorlebt. ?Ich habe den Eindruck, dass er seine Arbeit richtig gerne macht. Es gibt den Satz: Such dir einen Beruf, der dir Spaß macht, dann musst du nie wieder arbeiten. Diese Freude gibt er weiter.?

Natürlich spüren die Spieler den Druck, erfolgreich zu sein. Gerade vor einem Auftaktspiel. ?Aber wir sind sehr akribisch vorbereitet. Die Trainer haben uns immer wieder eingeladen und wir lassen diese Sachen mit in die Übungseinheiten einfließen. Zum Beispiel gibt es die Möglichkeit, unter Zeitdruck Angriffe erfolgreich abschließen zu müssen. Das ist schon eine Drucksituation?, führt Hermann an. Und wie sieht es mit dem Ziel Europameister zu werden aus, ist das realistisch? Hermann grinst nur und meint: ?Wenn wir das nicht schon ausgegeben hätten, würde ich es dringend einfordern.?

 +++ Von der Fußball-EM 2008 berichtet Klaus Reimann +++

Michael Ballack kennt den Weg zum Erfolg, Na, sagen wir besser, zum Fast-Erfolg. Denn spätestens seit der Niederlage im Finale der Champions League mit seinem Klub FC Chelsea vor Wochen muss sich der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft mit dem Stigma des ?ewigen Zweiten? herumärgern.

Ein Ärger, der zumindest für die Wochen der EM in Österreich und der Schweiz verflogen oder erfolgreich verdrängt zu sein scheint. Entschlossener als in diesen Tagen von Ascona hat man einen Michael Ballack wohl selten erlebt. In jeder seiner Gesten, in all seinen Worten wird deutlich, dass es dem Fixpunkt im deutschen Spiel längst nicht mehr reicht, allein den Weg zum Erfolg zu kennen. Er will auch endlich ankommen. Ganz oben. Mit dem EM-Titel am 29. Juni.

Als Anführer der Gipfelstürmer im DFB-Dress hat Ballack seine klaren Vorstellungen, wie das zu schaffen ist. Und so wird der Kapitän Joachim Löw gegenüber in den Vier-Augen-Gesprächen dieser Tage sicher nicht verheimlicht haben, was er gestern vor Publikum als sein Erfolgscredo sozusagen ausgab: ?Natürlich wollen wir den Fans auch schönen Angriffsfußball bieten. Unsere eigentliche Stärke aber lag stets in einer starken Defensive. Die ist überlebenswichtig.? Mit nahezu denselben Worten war Ballack auch vor zwei Jahren, kurz vor dem WM-Turnier, nach mehr oder weniger erfolgreichen Testspielen als Warner an die Öffentlichkeit gegangen. Wer weiß, welches Gewicht Ballacks Rat bei der DFB-Trainergilde besitzt, wenn es anschließend darum geht, Spielideen in Taten umzusetzen, sollte also am Sonntag im Auftaktspiel gegen die Polen tunlichst nicht mit einem Offensivfeuerwerk der deutschen Elf rechnen.

Und gleich noch mal hebt der Kapitän warnend den Zeigefinger. Gelassenheit, Zuversicht ? schön und gut. Eine zu hohe Dosis Genügsamkeit indes könne schnell in die Irre führen. So hat Ballack nicht nur Fingerzeige für den Trainer parat, sonden flugs auch noch einen Dringlichkeitshinweis für die Mitspieler zur Hand, wenn er fordert: ?Es darf auch nicht zu ruhig zugehen. Jeder einzelne muss sich jetzt neu motivieren, den nötigen Biss, die Agressivität an den Tag legen, den absoluten Willen zu gewinnen.? Eine Ansage, von der nachher keiner behaupten kann, er hätte sie nicht verstanden.

Ballack, in seiner Englandzeit menschlich wie fußballerisch gereift, weiß, wovon er redet. Die Erfahrungen in der Premier League, der Umstand, ?allwöchentlich gefordert zu sein, alles zu geben?, haben dem Mittelfeldspieler wichtige Erkenntnisse geliefert. Wenn es eng zugeht, so wie auch bei dieser EM, ?wo sie viele Teams heiß auf den Titel sind, ist die Einstellung entscheidend?. Ein ?paar Prozent mehr?, weiß Ballack, können schon entscheidend sein, wenn es um Sieg oder Niederlage geht.

Und Niederlagen hat der Fußballer Michael Ballack in entscheidenden Momenten seiner Karriere schon allzu viele erlitten. Diese EM soll endlich das Ende der Ballackschen Titel-Durststrecke markieren. Das geht freilich nur gemeinsam. Und so taktiert der Kapitän vorausschauend und klug, wenn er nach mehr oder weniger versteckten Ratschlägen und Hinweisen am Ende herausstellt, was ihn so optimistisch stimmt, diesmal den großen Wurf zu laden. ?Es ist die Geschlossenheit, die diese Mannschaft auszeichnet, ihr hohes fußballerisches Niveau. Warum also sollen wir nicht an die guten Vorstellungen der WM vor zwei Jahren anknüpfen?? Ballack erwartet keine Antwort. Die will er auf dem Platz geben. Damit es endlich mal reicht zum krönenden Abschluss.

, 07.06.2008

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