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Berlin bleibt englisches Hoheitsgebiet

Auch im achten Anlauf hat es nicht geklappt: Die DFB-Auswahl verliert im Berliner Olympiastadion verdient mit 1:2 gegen England ? genau 100 Jahre nach der ersten Niederlage in der Hauptstadt. Dabei konnten die Vorzeichen kaum besser sein, liefen die ?Three Lions? doch nur mit zwei Stammspielern auf.

Bundestrainer Joachim Löw sprach nach dem Spiel von einem ?schlechten Tag? und bemängelte ?mangelnde Reife?, Ersatz-Kapitän Bastian Schweinsteiger fand den Gegner einfach ?besser?. Dass ein zusammen gewürfelter Haufen junger Briten besser sein soll, als eine deutsche Mannschaft, die fast in Bestbesetzung auflief, ist als Begründung für die Niederlage allerdings kaum ausreichend. Was in Berlin gefehlt hat, war schlicht der Wille. So war das Spiel letztlich vor allem eines: langweilig.

Über den (Un-)sinn von Testspielen unter der Woche lässt sich indes streiten. Die Clubs der Premier League hatten vor der Partie Trainer Fabio Cappello darum gebeten, ihre Leistungsträger zu schonen. So mag es nur auf den ersten Blick verwundern, dass England ohne einen Großteil seiner Stars angereist war. Neben Rio Ferdinand, Wayne Rooney und Joe sowie Ashley Cole meldeten sich kurzfristig auch Chelseas Frank Lampard und Liverpools Kapitän Steven Gerrard ab, wodurch die Partie zweifellos einen Teil ihres Reizes verlor.

Dieses traditionsreiche Duell hätte wahrlich eine sinnvollere Terminierung verdient gehabt. Zu sehr fiebert man dem Klassiker ?Deutschland-England? entgegen, um dann mit ansehen zu müssen, wie ein englisches B-Team gegen wenig engagierte Deutsche leichtes Spiel hat. Erinnert sei nur an das Wembley-Tor im WM-Endspiel 1966 oder die Hitzeschlacht bei der WM 1970 (Deutschlands letzten Sieg im alten Wembleystadion) oder das 1:5-Debakel im September 2001. Oder, oder, oder.

Löw änderte im Vergleich zum 1:0-Sieg in der WM-Qualifikation über Wales seine Formation auf vier Positionen. Als Linksverteidiger durfte sich Hoffenheims Marvin Compper probieren, der sein Länderspieldebüt feierte und positive Ansätze zeigte. Im Mittelfeld ersetzten Jones und Rolfes den verletzten Ballack und formschwachen Hitzelsperger, in vorderster Front durfte Stuttgarts Lebensversicherung Gomez mal wieder ran ? Podolski blieb auf der Bank.

Dass die deutsche Elf nach dem Halbzeitpfiff unter Pfiffen in die Kabine trotten musste, hatte sie sich selbst zuzuschreiben. Ein ermüdendes Quer- und Fehlpassfestival hatten sie den über 74.000 Zuschauern zugemutet und zu allem Überfluss auch noch das 0:1 kassiert: Adler flog (leicht bedrängt) an einer Ecke vorbei und ermöglichte Matthew Upson sein erstes Tor in der Nationalmannschaft. Die deutsche Reaktion? Fünf starke Minuten: Freistoß Trochowski, Kopfball Klose, Kopfball Westermann. Danach ging es im alten Rhythmus weiter.

Für einen Aufreger sorgten wiederum die Engländer, in Person von Wright-Phillips, der kurzzeitig die Sportart wechselte und mit einem Karatetritt Compper niederstreckte. Warum er für das Foul von Schiedsrichter Busacca aus der Schweiz nur die gelbe Karte sah, wird wohl ein Geheimnis bleiben ? über eine verfrühte Dusche hätte sich der 27-Jährige nicht beschweren dürfen.

In der zweiten Halbzeit erwachte die DFB-Auswahl langsam, aber sicher und nahm am Spielgeschehen teil. Vor allem die Wechseln von Jones zu Marin und Klose zu Helmes belebten das Spielgeschehen sichtlich. Wirklich begeistert waren die Fans jedoch erst, als Löw den trostlosen Gomez vom Spielfeld nahm und Publikumsliebling Podolski brachte.

Kurz bevor das Spiel von Löws Elf Fahrt aufnahm, wäre es beinahe schon vorbei gewesen: Bent stürmt frei auf Wiese zu, der in der Halbzeit für Adler kam, umkurvt ihn und hätte nur noch einschieben müssen ? wäre er nicht ausgerutscht. Das schien die Initialzündung für den Vize-Europameister gewesen zu sein. Denn im Gegenzug nutzte Helmes ein Missverständnis zwischen Englands Keeper Carson und Verteidiger Terry, die nach dem Prinzip ?Nimm du ihn ? ich hab ihn sicher? den Ball vertändelten, gnadenlos aus und erzielte den Ausgleich.

Danach entwickelte sich ein von beiden Seiten offensiv geführtes Spiel; von einem ?Schlagabtausch? zu sprechen wäre aber übertrieben, wirkliche Chancen blieben nämlich weiterhin Mangelware. Auf der einen Seite fischte Wiese einen Schuss von Bent aus dem Winkel, auf der anderen scheiterte Marin an Carson. Wright-Phillips verewigte sich zudem noch am deutschen Außenpfosten.

In der 84. Minute war es schließlich Englands Kapitän, John Terry, der alle deutschen Träume vom ersten Sieg in Berlin gegen die ?Three Lions? auf einen Schlag beendete. Der Chelsea-Profi gewann nach einem Freistoß das Kopfballduell gegen Westermann und markierte überlegt den englischen Höhepunkt des Spiels.

Sicher ? es ist müßig im Nachhinein über die Ansetzung des Spiels zu diskutieren. Dennoch sorgte der ungünstige Zeitpunkt dafür, dass aus dem Fußball-Klassiker ein langweiliger Kick wurde, der nicht vergleichbar mit früheren Duellen ist. Und das ist vor allem eines: schade.

Jan-Kristian Jessen, 20.11.2008

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