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Auch Herr Slomka muss einmal gehen…

Nein, mir ist kein anderer eingefallen und ich habe wirklich in den vergangenen Tagen eine Menge Sachen durchgespielt. Oder welcher Trainer ist in den letzten zwanzig Jahren total freiwillig und nur weil er es auch tatsächlich wollte, regulär am Ende der Saison und nach Auslaufen seines Vertrages zurück getreten?

Scheiß Schalke? Wie gemein kann man nur sein, zum netten Herrn Slomka?

Scheiß Schalke? Wie gemein kann man nur sein, zum netten Herrn Slomka?

Da gibt es doch eigentlich nur den alten Essener Malergesellen Otto Rehagel, der damals in Bremen nach vierzehn Jahren meinte, die immer gleichen Cafes und das stets trübe Wetter mit einem sonnigen Biergarten in München eintauschen zu müssen. Und das ist jetzt auch schon wieder eine halbe Ewigkeit her.


Trainer führen also eher ein Leben auf Abruf. Sie warten, bis sie entlassen werden, damit sie einerseits ein bisschen Abfindung kassieren und andererseits mal wieder was Neues sehen. Die Trainerfrauen haben auch immer was zu tun, da sie fast ständig dabei sind Umzugskartons zu packen oder die Kinder in der neuen Schule anzumelden. Kein wirklich schöner Job, möchte man meinen, oder wie es der mittlerweile in Wolfsburg engagierte Trainer Augenthaler in seiner Zeit als Coach der Franken ausdrückte: ?Fußball auf der Bank ist Leidensgeschäft. Ich bin leidender Angestellter hier in Nürnberg.? Und trotzdem gibt es scheinbar für manche Männer fast nichts Schöneres als diesen Beruf auszuüben und so entstehen die wunderbarsten Geschichten in der Regel immer dann, wenn niemand damit rechnet.  

Als Mirko Slomka am 04. Januar diesen Jahres zur Geschäftsstelle des FC Schalke 04 fuhr, hatte er innerlich bereits mit dem Verein abgeschlossen. Das Gespräch, um das Schalke-Manager Müller ihn gebeten hatte, würde sicherlich nett und freundlich geführt werden, dachte er noch bei ein bisschen seichter Autoradio-Musik, doch am Ende würde wieder einmal nur ein feuchter Händedruck und seine Entlassung übrig bleiben. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche und deshalb hatte er vorsorglich schon mal alle seine Siebensachen zusammen gepackt und die Tasche in den Kofferraum seines Wagens gelegt. Nur schnell weg hier gleich?

Nun - über drei Monate später - weicht dem ehemaligen Schalker Co-Trainer unter Rangnick das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. Sportlich elegant und trotz grauer Haare jugendlich wirkend, schreitet er mit seiner Mannschaft von Sieg zu Sieg und die Euphorie um den Mann, dem sie nichts, aber auch rein gar nichts landauf, landab zugetraut hatten, erreicht von Tag zu Tag neue Höhen. Manchem ist dieses Gefühl etwas unheimlich, andere freuen sich einfach mit dem früheren Nobody, dass alles so gut klappt.

Dabei hätte die Stimmung bei seinem Dienstantritt fast nicht ungünstiger sein können. Der seit einigen Wochen scheinbar immer weniger polternde andere graue Wolf bei Schalke, Rudi Assauer, hatte bei der offiziellen Pressekonferenz zu Ehren des neuen Trainers sein Plappermaul das vorerst letzte Mal nicht halten können und den staunenden Journalisten das Futter mal wieder mundgerecht serviert, als er kurz und knapp feststellte: ?Auf die Idee wäre ich nicht gekommen!? Und ?die Idee? bedeutete in diesem Fall nichts anderes als die Besetzung des Trainerpostens mit dem gänzlich unerfahrenen Slomka. Als dieser dann auch noch ein paar Tage später von der Zeitung mit den vier Buchstaben quasi enthauptet wurde ? man hatte ein Bild veröffentlicht, auf dem der frisch engagierte Chefcoach einen Schal mit der Aufschrift ?Scheiß Schalke? grinsend hoch hielt -, glaubten nicht wenige, die Ära Slomka wäre schneller vorbei, als dass sie begonnen hatte. Doch davon will jetzt natürlich niemand mehr etwas wissen und so sagt mein Schwipp-Onkel Norbert, glühender Schalke-Fan und ein unfehlbarer Indikator für königsblaue Befindlichkeiten, dass er hoch zufrieden sei und man diesem Mann doch endlich den neuen Vertrag für die nächste Saison geben solle, damit das Thema ein für alle Mal vom Tisch sei ? und zwar ?rubbel die Katz?, wie er noch hinzufügte. Und so wird es wohl auch kommen, selbst wenn die Bayern am Ende zum 287. Mal die Meisterschale in den Himmel über der roten Arena recken werden. A new Trainer is born ? bis sie ihn auf Schalke ? wie immer und überall - schließlich auch nicht mehr werden sehen können.

Otto Rehagel hat alle Gesetze des Fußballs gebrochen. Respekt!

Otto Rehagel hat alle Gesetze des Fußballs gebrochen. Respekt!


Genau wie übrigens damals in Bochum, wie vorgestern beim DSF-Fußballabend noch süffisant der alte Kollege Ostkurven-Paule erzählte. Zu gerne hätte ein nicht unerheblicher Teil der Bochumer Fans nämlich das nicht bei allen beliebte Schalke-Mitglied Neururer schon in der ruhmreichen Saison mit abschließender UEFA-Cup-Qualifikation in die Entlassung getrieben. Doch im Erfolgsfalle lassen Vereinsfunktionäre nur selten alle Zeichen einer guten Kinderstube vermissen und so reichten auch zum Teil haarsträubende Fehlleistungen im taktischen Bereich nicht aus, den Posten ernsthaft zu gefährden, weil der Erfolg für einen Trainer das höchste Gut zum längerfristigen Überleben an einem Ort bedeutet. Ostkurven-Paule ist sich natürlich noch heute sicher, dass, wenn man denn auf ihn und seine Bedenken gehört hätte, der folgende Absturz in die Zweite Liga hätte vermieden werden können. Wollen wir ihm mal glauben, dem erfahrenen VfL-Kenner, aber im Grunde ist dies natürlich leider eine dieser Fragen, die auf immer unbeantwortet bleiben werden.

Andererseits allerdings konnte die Geschichte eh nicht anders ausgehen, weil sie stets nach dem selbem Muster abläuft. In Bochum, Bayern, Frankfurt oder Berlin. Ob man Neururer, van Marwijk oder auch Slomka heißt. Allein ein Mann im fernen Bremen hat einmal für einen Moment alle Gesetze des Fußballs außer Kraft gesetzt, aber das ist schon eine lange, lange Zeit her?

, 15.03.06

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