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Herrliches Ruhrgebiet – Die Nummer Eins sind wir alle

Für drei Stunden sind alle Rivalitäten vergessen. Bochumer, Essener, Bottroper, Schalker und Oberhausener sitzen schiedlich-friedlich zusammen und freuen sich über sich selbst. Und als alles dann irgendwann zu Ende geht, sind alle auch noch ein bisschen stolzer auf ihre geliebte Region, als sie es sowieso schon immer waren. Das herrlich ehrliche und bodenständige Ruhrgebiet zelebriert sich selbst und man ist froh dazu zu gehören.

Aki Schmidt verpasste mal ein Endspiel...

Aki Schmidt verpasste mal ein Endspiel...

250 Gäste hatten sich in der ehrwürdigen ?Alten Börse? von Bottrop eingefunden, um die Buchpräsentation von ??der Boss spielt im Himmel weiter? zu feiern. Doch schon die Anreise war ein Erlebnis. Vorbei an abgerissenen Zechen und neuen Kulturdenkmälern hatten wir schnell das Ruhrstadion und die Schalker Arena hinter uns gelassen, um in der Bottroper Innenstadt die Auferstehung sämtlicher Bauepochen des letzten Jahrhunderts auf einem Fleck präsentiert zu bekommen. Hier schlägt es also, das Herz des Reviers, und ich muss gestehen, dass mich ansonsten keine zehn Pferde hierher hätten verschleppen können.

Die Menschen im Saal sind festlicher gekleidet, als ich es angenommen hatte. Ein Flair von Großstadt fegt durch das Dorf und die Damen in ihren schwarzen Roben haben nicht selten ein wenig zu tief ins Puderdöschen gegriffen. Und auch der ein oder andere braun gebrannte Herr mit Fokuhila lässt nicht unbedingt im ersten Moment auf einen Leseabend schließen. Aber wir sind ja mitten im Pott und da kann man sich ruhig auch einmal überraschen lassen, überlege ich noch und setze mich an eine lange Tafel.

Gläser klirren und das frisch Gezapfte lässt auf sich warten. Wenn die Kellnerinnen nur die Hälfte aller Biere heile an den Tisch bringen, dann kann das ein staubiger Abend werden, denke ich noch so, als ich bemerke, wie mein Vater langsam unruhig wird. Er sitzt mir gegenüber und deutet mit hoch gezogenen Augenbrauen immer wieder auf meinen Sitznachbarn. Ein älterer Mann mit kurzen, weißen Haaren lächelt mich an. Ich lächele zurück und hebe die Schultern in Richtung meines Vaters, der sich noch immer nicht beruhigen will. Kraftvoll beißt der nette Mann neben mir in eine saftige Frikadelle ? die er uns später als ?Genuss? anpreisen wird, ?die müsst ihr probieren?, wird er sagen ? und ich habe weiterhin keine Ahnung, warum mein Vater fast ausflippt.

Dann startet das Programm, natürlich mit dem vermeintlichen Star des Abends, dem ?Boss? Rahn. Da der allerdings leider schon verstorben ist, müssen alte Weggefährten von früher erzählen und da passiert es dann auch schon. Der nette Mann neben mir wird auf die Bühne gebeten und vorgestellt. Aki Schmidt. Ich bin baff. Habe ich also die ganze Zeit neben diesem alten Dortmunder Recken gesessen und nichts bemerkt? Ich meine, er hätte ja auch mal was sagen können. So nach dem Motto: ?Ich will dich nicht unnötig ansprechen, Junge, aber du weißt schon, wer ich bin, oder??. Ich denke, Kahn hätte das so gemacht. Man muss ja schließlich auch die Fronten klären, um den Respekt zu erhalten, den man verdient. Aki Schmidt saß aber erst einmal nur da und aß Frikadellen.
Günter Preuß in jungen Jahren

Günter Preuß in jungen Jahren



Die Anekdoten von ihm und dem auch auf die Bühne gebetenen alten Haudegen vom Meidericher SV, Günter Preuß, begeisterten wieder aufs Neue. Man hat sie schon das ein oder andere Mal gehört. Aber direkt, live aus dem Mund von wahrhaftigen Altstars kommend, die nur wenige Meter von einem entfernt stehen, machen sie nicht nur mir einen ungeheuren Spaß. Die Männer da oben haben keine Allüren. Die sind froh, dass sie mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht von früher erzählen dürfen. Damals als Aki selbst noch jung war und die Mädels reihenweise mit seinem schicken Auto abschleppte, wie ein ebenfalls älterer Zuhörer später anmerken wird. Aki strahlt für einen Moment und man ist froh direkt neben ihm zu sitzen.

Herrlich dann später der alte Vorsitzende vom VfB Bottrop. Ein Mann, der mit Leib und Seele an diesem Verein hängt. Und der wunderbar sprechen kann. Eine Weisheit nach der anderen hängt er wahllos aneinander und scheut auch nicht den blutigen Vergleich von Amputationen, um die Erfolglosigkeit der letzten Jahre des VfB zu erklären. Mit den Jugendmannschaften geht er gerne ? nach einem ausführlichen Sonntagsbrunch auf seine Kosten - in den Wald, um anhand von Ameisenhaufen aufzuzeigen, was echte Maloche ist. Nur, so gesteht er ehrlich ein, verstehen die meisten Kicker von heute nicht mehr so ganz, was er damit sagen will. Egal, er hält trotzdem an der Jugend fest und wirbt emsig um ehrenamtliche Mitarbeiter. Schade, denke ich, dass diese Menschen langsam aussterben.

Nachdem auch der Entertainer vor dem Herrn, Ex-Schiedsrichter Wolf-Dieter Ahlenfelder, seine Geschichten unter dem Beifall der begeisterten Zuhörer zum Besten gegeben hat, neigt sich der Abend langsam dem Ende zu. Das war Ruhrgebiet pur, werden wir uns auf der Rückfahrt entlang von rauchigen Schloten gegenseitig versichern, und uns alle ein wenig stolz fühlen. Wir sind mal wieder ein Stück enger zusammen gerückt. Vergangenheit verbindet. Und manchmal ist es für einen Abend völlig egal, wer die Nummer Eins im Pott ist. Morgen allerdings zählt wieder nur eins: Das, was auffem Platz is?
 
 , 05.04.06

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