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Sorry - Langeweile macht sich breit

Wissen Sie schon, wo Sie das Endspiel gucken werden? Public viewing, mit den Kollegen im Garten oder allein mit der Ehefrau auf dem heimischen Sofa? Keine Ahnung? Dann wird es langsam aber sicher mal Zeit, dass Sie sich entscheiden. Lang hin ist das alles nämlich nicht mehr.

Ich kann noch gar nicht richtig glauben, dass eine ganze Saison in wenigen Tagen schon wieder vorbei sein soll. Ich sehe mich noch am Esstisch sitzen, ein Glas Wein in der Hand und ohne Socken barfuß vor mich hinschreibend. Über meinen VfL Bochum und eine Zweitliga-Saison, die vor uns lag und die mich damals im Sommer 2005 nicht so richtig vom Hocker hauen wollte. Welch weise Voraussicht kann ich da - einige Monate später - nur sagen. Mein Gott ging das alles wieder einmal schnell vorbei. Und auch wenn ich nicht den kritischen August raushängen lassen möchte und ja eigentlich auch verdammt viel passiert ist, will bei mir der Eindruck nicht weichen, dass das alles nicht wirklich viel und bedeutend war. Mal so ins Blaue hinein gefragt: Wird man in ein paar Jahren noch über diese Saison reden? Ich glaube nicht und weiß noch nicht einmal, woran das liegt.

Einfach und schön war es mal das Spiel!

Einfach und schön war es mal das Spiel!



Manchmal denke ich, es ist das beschissene Älterwerden. Mit jedem Jahr, das an einem vorbei hechtet, wird alles immer noch schneller. Man kann gar nicht mehr recht innehalten, ausruhen und mal analysieren, was denn nun gut oder schlecht war. Es muss weitergehen und langsam macht sich ein Gefühl breit, dass früher alles besser war. Es ist verflixt, aber ich sehne mich immer öfter in meine Kindheit zurück, als Mannschaften noch Namen und Gesichter hatten und ich noch nicht wissen musste, dass der FIFA eines Tages mal das ganze Spiel gehören wird. Mal ehrlich: Hätte der Fußball nicht ein paar Dinge an sich, die nicht erklärbar sind und uns alle an dieses Spiel fesseln, wie Junkies an ihre Gott verfluchte Nadel, hätten wir dann nicht schon lange Reißaus genommen? Wären wir nicht vernünftig genug, die immerwährende Verteuerung unserer Eintrittskarten, der Merchandising-Artikel und der Biere im Stadion kausal mit den nicht mehr rational zu greifenden Wahnsinnsgehältern der Spieler und Gewinnen der FIFA in Einklang zu bringen?

So ungern Schalker und Dortmunder das auch hören mögen, dieses ständige Hinterhecheln hinter dem großen FC Bayern, seinen sportlichen und vor allem finanziellen Erfolgen hat beide Vereine nicht sympathischer gemacht. Und auch der VfL Bochum hat jahrelang diesen Quatsch erzählt, man wolle auf Augenhöhe mit beiden großen Nachbarn agieren. Erfolgsstreben und das Setzen von Zielen ist ja oke, aber es nervt, wenn Bundesligavereine über ihren Verhältnissen leben. Das halbseidene Geschäft Bundesliga muss in den nächsten Jahren wieder vermehrt in die Hände von Menschen kommen, die es ehrlich mit diesem Spiel meinen. Ansonsten kann es gefährlich werden. Denn die immer weiter um sich greifende gähnende Langeweile, die viele Beobachter schon seit längerem als die größte Bedrohung des Fußballs ansehen, kann auch die Kassenstürze am Ende einer Saison zu einem traurigen Kapitel werden lassen.

Auch die Frage nach der Nummer Eins im Pott war schon einmal spannender. Die Hoffnung bleibt natürlich, dass dies im nächsten Jahr wenigstens im Revier für ein bisschen Unterhaltungsfolklore sorgen wird, auch wenn man die erbärmlich ausgelutschten ?BVB, Hurensöhne?-Gesänge schon lange nicht mehr hören mag. Spiel, Spaß und Spannung wären mal wieder angebracht. Unvergessliche, dramatische Spiele, die einem noch genauso im Kopf hängen bleiben, wie ein schönes 6:1 der Bochumer damals gegen den BVB im heimischen Ruhrstadion. Eike Immels Gesicht ? beobachtet von der Ecke durch einen Spalt im Zaun ? werde ich mein Leben nicht vergessen.
Aber wahrscheinlich ist es eine naive Hoffnung, wenn man glaubt, dass man eines Tages noch einmal so eine Mannschaftsaufstellung herunter beten kann, wie mein Vater die von Westfalia Herne aus Ruhmeszeiten. Oder sich an ein Spiel erinnert, wie die nervenaufreibende Relegation des VfL damals gegen Saarbrücken. Junge, Junge, das waren Zeiten. Doch die Wirklichkeit ist trist und schizophren.

Heute ist man ja schon fast ein wenig fickerig, wenn man kein Match am Abend in der Glotze anschauen kann. Es kommt ja beinahe jeden Tag eines. Und demnächst ist sogar wieder WM. Weniger als 50 Tage nur noch und so langsam kann sich dann auch mal die Vorfreude breit machen, denke ich häufig, aber das legt sich meist schnell wieder, wenn ich durch einen Supermarkt gegangen bin. Fußbälle wohin man schaut. Ich kaufe mittlerweile konsequent nur noch Artikel, wo kein Ball oder ähnliches drauf ist. Man mag mich einen notorischen Quengler nennen, einen Ignoranten und Miesmacher, aber irgendwann ist auch bei mir Schluss. Dann ziehe ich den Stecker vom Fernseher raus, schmeiße meine Dauerkarte ins Klo und ziehe meine Nadel aus der Vene. Keine Macht den Drogen heißt es ja so schön. Und vielleicht kann ich eines (fernes) Tages auch einmal ohne meinen geliebten Fußball leben?      

, 26.04.06

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