Magazin für Freunde des Fußballs und seiner Kultur

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Sehn' se mal an!

Jeder weiß, daß Fußball zumeist mit den Beinen gespielt wird und schon Heinz Erhardt beklagte, daß selten der Kopf eingesetzt würde, obwohl es doch erlaubt sei. Am vergangenen Wochenende jedoch ging's noch spezieller zu, das Wichtigste waren die Augen, war das Sehen.

Am Freitag schon konnte man erstaunt zusehen, wie ein selbsternannter Euro-Kandidat regelrecht eingemacht wurde. Unter den Augen von 22.000 meist hocherfreuten Zuschauern hatte Hannover 96 noch kaum einmal ins Flutlicht geblinzelt, als Leverkusen schon begann, Zielübungen vorzunehmen. Ab der 5. (!) Minute sahen die Niedersachsensöhne überhaupt kein Land mehr und wurde beinhart und eiskalt abserviert. Hoffen wir, daß sie nicht nach Landessitte diese Blamage mit einem zu tiefen Blick in die Kornflasche zu überwinden suchen.

Der FC Bayern hatte nicht vorhergesehen, daß Werder Bremen stärker sein würde als Steaua Bukarest, bei denen unter der Woche allerdings auch nur eine sehr mittelmäßige Bayernleistung zu sehen gewesen war. Hinzu kam, daß Rensing offenbar als die deutsche Antwort auf Ray Charles in die Annalen eingehen wollte, und deshalb derart durch den Strafraum irrte, daß die Bayernbank nur noch die Hände vor die Augen schlagen konnte. Unversehens hatte man sich so im eigenen Stadion fünf Gegentore eingefangen und sah dementsprechend schlecht aus. Die Gesichtsfarbe des Herrn Hoeneß war auch nicht eben schön anzusehen, und jeder Kardiologe hätte unmittelbar nach Spielende blutdrucksenkende Mittel verabreicht. Jürgen Klinsmann wiederum war anzusehen, daß er lieber in der heimischen Backstube oder noch lieber in Kalifornien gewesen wäre, als in den Katakomben des "Gummiboots" (kann ein Gummiboot Katakomben haben, oder bin ich jetzt zu nah an Steffen Simon oder Bela Rethy?) mitleidig guckenden Reportern Rede und Antwort stehen zu müssen. Dementsprechend holzschnittartig waren seine Mimik und seine Aussagen. Das Lob, das die "Sportschau" spenden zu müssen glaubte, er habe wenigstens nichts beschönigt, ist natürlich Unsinn: Nach einer solchen Leistung gibt es nichts schönzureden, nicht einmal auf Schwäbisch, gell! Da kann sich Franz Beckenbauer vor jede erreichbare Kamera hängen, und Klinsmann als seinen legitimen Nachfolger in der Rolle als vereinseigene Lichtgestalt feiern: Acht Punkte aus fünf Spielen ist nicht das, was die Bayern-Zuschauer sehen wollen. Nur gut, daß dieser Verein keine Fans hat.

Der EffZeh muß ja nur in der ersten Liga spielen, schon sehen die Kölner Fans ihn am Saisonende mit der Meisterschale auf dem Rathausbalkon stehen. Der unvoreingenommene Betrachter sieht das naturgemäß etwas anders, und vermutet, daß die Rheinländer vielleicht eher Punktgewinne gegen Mannschaften wie Cottbus, Bochum und Bielefeld anpeilen sollten. Der Besuch in Bielefeld war dran, aber es war ziemlich schnell ersichtlich, daß es keine souveräne Leistung der Domstädter zu sehen gab. Ganz im Gegenteil machte über die gesamte Spielzeit hin die Arminia den besseren Eindruck, war nicht nur optisch überlegen, und traf die Geißböcke zweimal mitten zwischen die Augen. Vielleicht reibt man sich jetzt in Müngersdorf dieselben und kommt dann zu einer klarsichtigeren Beurteilung der Situation: Es sieht bislang auch dieses Jahr nicht danach aus, als wenn der 1. FC Köln erstligareif wäre.

Auch Gladbach sah mal wieder sehr blaß aus, man hatte wohl die Klatsche gegen Hannover noch nicht verdaut. Spielerisch passierte in der Partie gegen Hertha BSC nicht sehr viel, beide Teams schienen entweder nicht zu können, nicht zu wollen, oder beides. Irgendwie wird man bei den Niederrheinern nicht den Eindruck los, daß sie nicht einsehen wollen, daß die "gloriosen" 70-er Jahre vorbei sind, der "Fohlenmythos" nur noch eine Schimäre und Jos Luhukay bestenfalls ein Zweitligatrainer ist. Wer aber vor der Realität die Augen verschließt, den bestraft das Leben ebenso unbarmherzig wie denjenigen, der zu spät kommt. Schauen wir noch auf die "siegreichen" Herthaner. Ich würde wirklich gern einmal etwas anderes sagen, denn diese ewige Wiederholung ist sogar mir mittlerweile peinlich; aber es gibt zu diesem Verein, dieser Mannschaft, diesem Umfeld und dieser Spielweise nicht anderes zu sagen, als daß es sich um den langweiligsten Club der gesamten Fußballbundesliga handelt. Wenn wenigstens Lucien Favre mal mit einer roten Pappnase aus der Kabine käme....

Die Bochumer wissen, daß sie zusehen müssen, ihre Punkte gegen den Abstieg in den Spielen zu holen, bei denen die Gegner auch nicht aus der Bel-etage kommen. Da waren die Cottbusser natürlich geradezu als idealer Aufbaugegner anzusehen, denn die hatten noch kein Spiel gewonnen, ja, noch nicht einmal ein Tor geschossen in dieser Saison. Hätte diese Serie gehalten, wäre Bochum als Sieger anzusehen gewesen; leider sah sich Sörensen, der in der vergangenen Saison auch das letzte Tor für Energie geschossen hatte, außerstande, die Chance in der 13. Minute auszulassen. Allerdings sah das, was Bochum darauf zu antworten hatte, schon wirklich beeindruckend aus. Da wurde guter, zielgerichteter Fußball gearbeitet, man kämpfte, rackerte, gab keinen Grashalm her und versuchte sogar nicht einmal ungeschickt, die Lausitzer in die eigene Hälfte zu nageln. Das gelang auch und jedem Sehenden war schnell klar, daß der Ausgleich nur eine Frage der Zeit sein konnte. Diese Zeit war kurz nach dem Seitenwechsel abgelaufen und da der Druck zusehends größer wurde, hätte der VfL dieses Auswärtsspiel, das er im Stile einer Heimmannschaft führte, eigentlich gewinnen müssen, allein, die Cottbusser brachten das Unentschieden mit Geschick und noch viel, viel mehr Glück über die Zeit. Aber, Bochumer Jungs, mit dieser Leistung hättet ihr mit dem Abstieg sicher nichts zu tun, Ihr müßt sie nur öfter bringen, bitte.

Wie man es macht, war in der Schalker Turnhalle zu sehen. Unter der Woche hatte man Dingenskirchen Nikosia abgefrühstückt, da konnte man wohl nicht erwarten, ein Drama wie am letzten Wochenende zu sehen zu bekommen. Die erste Halbzeit waren die Königsblauen drückendst überlegen, die Querlatte, ein in manchen Situationen sehr gut aussehender Nikolov und die eigene Abschlußschwäche verhinderten, daß sich die Schalker Fans schon nach 20 Minuten beruhigt auf den Weg zur Bierbude machen konnten; Eintracht Frankfurt fand mangels Beteiligung leider nicht statt. Da konnte man es schon verstehen, daß Chris überhaupt keine Lust mehr hatte, diese augenfällige Fußballverweigerung weiter mitzumachen und sich mit Hilfe eines gepflegten Ellenbogenchecks gefühlte sieben Millimeter von Schiri Fandel entfernt, frühzeitig ins Entmüdungsbecken verabschiedete. Schalke kam noch vor der Pause zum Torerfolg, Ochs (auch ein Treter vor dem Herrn) konnte nicht mehr anders, als den Ball ins eigene Netz zu expedieren. Scusi, Patrick, aber angesichts Deiner Spielweise sehe ich das als ausgleichende Gerechtigkeit. Die zweite Halbzeit war größtenteils unansehnlich, Schalke verwaltete den Vorsprung, und Frankfurt brauchte insgesamt ca. 80 Minuten, um herauszufinden, wo denn ungefähr das blau-weiße Tor steht. Wo die Eintracht jetzt steht, ist weitaus schneller herauszufinden: Sehr weit unten. Und Schalke sehr weit oben.

Tja, und dann kam der Sonntag, der Sonntag der klaren Entscheidungen. Ein Blick auf die Paarungen reichte völlig aus, um zu wissen, daß Weichenstellungen zu sehen sein würden. Ba-Wü-Derby im Neckarstadion, Nord-Derby in Wolfsburg und der BVB in Mannheim gegen die reichen Provinzler, also Kohlenpott-Tradition gegen Software-Kohle. Es wurde eine klare Sache, sonnenklar sogar, und wer immer geglaubt hatte, die Schwarz-Gelben in dieser Saison niemals mehr so schlecht spielen zu sehen, wie unter der Woche gegen Udine, der sah sich heftig getäuscht. Es war noch viel schlimmer, noch deutlich hilfloser und noch peinlicher willenlos. Es macht natürlich überhaupt keinen Sinn, jetzt schon wieder Richtung Trainerbank zu schielen, wie es wohl einige tun, denn Jürgen Klopp ist der Wunschtrainer und bitte wer, wenn nicht er, soll denn den BVB trainieren können? "Fischken" Multhaupt steht wohl nicht mehr zur Verfügung, und ob seine Trainingsmethoden heute noch verfangen würden, darf auch füglich bezweifelt werden. Klopp hat in Mainz bewiesen, daß er mit einer Mannschaft und mit den Einzelspielern erfolgreich arbeiten kann; wenn jetzt die alten Fehler aus der Vorsaison wieder einreißen, dann wäre es wirklich an der Zeit, einmal den umgekehrten Weg zu gehen und zur Winterpause die Mannschaft zu entlassen. Notfalls spielt man die Saison dann mit der Zweiten zu Ende, immer noch besser, als wenn sich herausstellen sollte, daß die Vorzeigetruppe wirklich keinen Charakter und keine Moral hat. Vielleicht ist es noch zu früh, so schwarz zu malen, aber die Eindrücke der letzten gespielten 180 Minuten lassen Schlimmes vorhersehen; hoffen wir, daß es nur ein Zwischentief ist. Aber wer möchten denn gern einen Hunni auf einen Sieg am Mittwoch gegen Hertha im Pokal setzen? Na? Eben.

Da tröstet es nur wenig zu sehen, daß auch der ruhmreiche HSV von den Autobauern sang- und klanglos überrollt wurde. Den Wolfsburgern reichten 45 starke erste Minuten, um die Hamburger abzuservieren; es ist trotzdem erstaunlich, daß der HSV so wenig dagegen zu setzen hatte; der von allen vorab hochgelobte niederländische Trainer wird vermutlich morgen die gleichen Fragen zu beantworten haben, wie Jürgen Klopp.

Das Spiel um die Südwestmeisterschaft entschied zu guter Letzt die Vertretung Württembergs für sich; nach offenem Spiel und verteilten Chancen gewann man gegen die Badner mit 3:1. Dennoch muß man sagen, daß der KSC keineswegs wie der Abstiegsaspirant aussah, zu dem ihn mancher vor der Saison stempeln wollte. Die werden noch ganz schön beißen und manchen stärker eingeschätzten Gegner kräftig ärgern.

Wat war sonz noch? Ach, ja...

...die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen hat einen neuen Hauptsponsor. Das ist schön. Es ist der Küchenhersteller ALNO aus dem Schwarzwald. Das ist gut. Ob der gedanklichen Verbindung von Frau und Küche mit einem althergebrachten Rollenklischee hat so ziemlich jedes schlechtere Presseerzeugnis einen hämischen Kommentar zu den "Tränen der Alice Schwarzer" oder einer kartoffelschälenden Nadine Angerer und einer steakbratenden Silvia Neid produziert. Das ist dumm. Das ist mindestens so lange dumm, bis die gleichen Dreckblätter es wagen würden, einen Aufmacher über den FC Hansa Rostock zu verbreiten, in dem die Ostseekicker als ständig besoffene Penner und ihr Trainer Frank Pagelsdorf als irreversibler Delirant dargestellt werden. Hansa Rostock hat nämlich eine Brauerei als Hauptwerbepartner gewinnen können.

...die UEFA hatte mal wieder nichts Vernünftiges zu tun. Da aber Michel Platini untätige Mitarbeiter anzuschnauzen pflegt, wie ein Sergeant der Fremdenlegion einen Haufen Rekruten, setzten sich die Beschäftigungslosen in einen Besprechungsraum, bestellten Berge von Brötchen und Seen von Kaffee und überlegten, ob es nicht noch etwas zu regeln gäbe. Im Erfinden von Regeln war man ja schon immer gut, und einige der Neuregelungen machen ja auch Sinn, wenngleich sich keiner der Anwesenden daran erinnern konnte, welche Bestimmungen es nun genau und im Einzelnen waren. Farbe der Radlerhosen? Schon geregelt! Material der Begrenzungskreide? Längst geklärt! Lichtstärke, bei der das Flutlicht angeschaltet werden muß, in Lux gemessen? Auch schon festgelegt! Tja, da war nun guter Rat teuer, aber nach nur drei Arbeitstagen kam endlich einem Fußballbürokraten die rettende Idee: Schon lange war es ja beinahe jedem Zuschauer aufgefallen, daß die stark beanspruchten Schienbeinschoner der Spieler immer intensiver bandagiert werden müssen, um dem Ansturm gemeingefährlicher Urwaldholzer a la Sami Kuffour oder Maik Franz standhalten zu können. Gegen den Schutz an sich wäre ja nichts zu sagen, aber je mehr Tape geklebt wird, desto weniger Stutzen ist noch zu sehen; und das geht ja mal gar nicht!! Zitat: "Da manche dieser Maßnahmen sehr groß sind und radikal die Farbe der Stutzen ändern, kann es für Schiedsrichter zur Konfusion bei der Beurteilung von Kontaktvergehen mit den Beinen kommen. Aus diesem Grund werden ab sofort bei allen UEFA-Spielen die Unparteiischen darauf achten, dass andersfärbige Tapes entweder unterhalb (z.B. direkt auf der Haut) getragen werden oder in derselben Farbe der Stutzen sein müssen. Die Referees dürfen nur noch einen einzigen weißen Streifen (Tape oder elastisches Band, um die Schienbeinschützer zu fixieren) zulassen, der maximal zwei Zentimeter breit ist." Ende des Zitats.

Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Klebeband wird als "sehr große und radikale (!) Maßnahme" bezeichnet, die gute, alte Blutgrätsche heißt plötzlich "Kontaktvergehen mit den Beinen" und das Schülerlineal, das sowieso jeder Schiri brav bei sich führt, um die Stollenlänge kontrollieren zu können, wird jetzt auch zur Tauglichkeitsprüfung des Klebebandes genutzt. Da bleiben eigentlich nur zwei Fragen offen: Wie sieht es denn mit dem durchsichtigen Tesaband aus? Darf man das wenigstens unbegrenzt um die Stutzen wickeln?

...der Obervorturner des FC Bayern München, Karl-Heinz Rummenigge, hat laut gedacht, und es ist, wie meistens, mal wieder voll daneben gegangen. Rummenigge meinte, man müsse überlegen, ob man nicht das Bundeskartellamt für die entgangenen Mehreinnahmen aus dem verhinderten Kirch-Deal auf Schadenersatz verklagen könne. Ich gebe zu, daß sogar ich die Dämlichkeit dieses Gedankens erst auf den zweiten Blick voll erfaßt habe. Ich wollte nämlich eigentlich wie folgt kommentieren: "Na, sicher, Herr Rummenigge, und nachdem das zuständige Gericht diesen Fall entschieden hat, befaßt es sich dann mit einer Sammelklage ehrbarer Bankräuber, die sich von der Polizei völlig ungerechtfertigter Weise in der Ausübung ihres Berufes beeinträchtigt sehen." Ha, ha, kleiner Lacher zum Schluß. Erst jetzt, als ich diese Schmonzes nochmals durchgelesen habe, ist mir aufgefallen, daß der Lippstädter Junge ja noch ahnungsloser ist, als gedacht. Er will nämlich das mögliche Ergebnis einer öffentlichen Ausschreibung einklagen, das heißt, daß er glaubt, er kenne bereits das finanzielle Ergebnis dieses grundsätzlich ergebnisoffenen Vorgangs. Um das zu können, müßte der Kalle aber entweder Hellseher sein, oder aber bereits Preisabsprachen mit den möglichen Bietern getroffen haben. Die erste Variante darf man bei einem Schlichtdenker seiner Kategorie von vornherein ausschließen, und falls er das Zweite tatsächlich gerichtsordnungsmäßig zu Protokoll geben würde, hätte er noch am selben Tag wieder einmal Staatsanwaltschaft und Bundeskartellamt zur Razzia im Haus. Damit wäre dann der Sitz der DFL das häufigst durchsuchte Gebäude in Hessen, noch vor den Puffs im Frankfurter Bahnhofsviertel und der Staatskanzlei des Roland Koch.

Oder Rummenigge glaubt wirklich daran, daß Kirch 500 Mio. ? gezahlt hätte, egal, wieviel Sirius erlösen hätte können; dann sollte er wieder in den Sandkasten gehen und Kuchen backen. Die großen Jungs spielen woanders.

Andreas Klausmann, 23.09.2008

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