Magazin für Freunde des Fußballs und seiner Kultur

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Was guckst Du?

In der vergangenen Woche gab es für den Fußballfreund manch' Erinnerungswürdiges (Das Kampfspiel von Udine), manch' Fragwürdiges (Das Schnarchspiel von Gelsenkirchen) und manch' Erstaunliches (Die Erfolgsserie von CFR Cluj in der Champions League) Aber es gab auch Zauberhaftes und eines dieser Wunder spielte sich noch nicht einmal in einem Stadion ab, obwohl es erhebliche Auswirkungen auf den Fußball haben dürfte.

Am Donnerstag abend, wohlberechnet nach Schließung der deutschen Börsen, gab die Premiere AG eine Pressemitteilung heraus, in der kaum verhohlen zu lesen war, daß man die Börsenaufsicht, die Aktienbesitzer, die Geschäftspartner und auch die eigenen Kunden seit ziemlich genau drei Jahren in allen wichtigen Fragen an der Nase herumgeführt hat. Keine einzige der seit Mitte 2005 mit viel Brimborium herausgegebenen Quartalsmeldungen stimmte auch nur annähernd mit der Realität überein, keine Bilanz hatte eine wie auch immer geartete Grundlage in der rauhen Wirklichkeit und von den angeblich 3,6 Millionen treuen Abonnenten waren über Nacht und wie durch Zauberhand mehr als eine Million verschwunden, nur noch 2,4 Millionen scheinen tatsächlich vorhanden zu sein und - wichtiger noch- auch zu bezahlen. Bezahlen ist eine Selbstverständlichkeit? Ja, denkste! Einer der Tricks, mit denen die Kundenzahlen aufgepumpt worden waren, bestand nämlich darin, daß Premiere in irgendeiner Zeitung oder einer Illustrierten für 2 Mio. Euro Werbeanzeigen einrücken ließ, diese aber nicht bezahlte, sondern im Gegenzug dem Zeitungsverlag sogenannte "Flex-Cards" im Wert von ebenfalls 2 Mio. zukommen ließ. Das Ganze wurde dann so verbucht, daß auf diese Art und Weise 200.000 neue Abonnenten erschaffen worden waren, obwohl, wie sich jetzt herausgestellt hat, ein Großteil dieser Prepaidkarten gar nicht aktiviert, also nicht benutzt worden ist und vor allem keinerlei Umsatz generiert wurde, weil ja nicht einmal ein müder Euro geflossen ist. Wem das schon sehr merkwürdig vorkommt, der wird beim folgenden Beispiel erst recht die Fragezeichen in die Augen bekommen. Die 1.000-Euro-Runde: Wenn ein Hotelier mit Premiere einen Vertrag abschließt, wonach er das Programm zu einem Pauschalpreis in das Fernsehnetz seines Hauses einspeisen darf, wieviele Kunden sind dann hinzugewonnen? Wie bitte? Einer? I wo, wie kommen Sie denn auf das schmale Brett!! Es sind natürlich soviele, wie das Hotel Zimmer hat, denn schließlich ist es ja sehr wahrscheinlich, daß der Beherbergungsbetrieb immer ausverkauft ist, und alle Gäste rund um die Uhr vor der Glotze kleben, um Koblenz - Ingolstadt oder Sex and the City zu gucken.

Nun könnte man natürlich die Frage stellen, was denn daran so schlimm sein soll, daß die Premis sich ihre Kundenzahlen ein bißchen, vielleicht auch ein bißchen viel aufgehübscht haben. Na, ja, da ist zunächst mal eine Frage der Ehrlichkeit. Die Leistungsfähigkeit und der Erfolg eines Mediums wird seit Anno Badethermometer in seiner Reichweite gemessen, nach der Zahl der Menschen, die es erreicht. Deswegen ist im FreeTV die Quote so wichtig und den Zeitungen die verkaufte Auflage so lieb: Nach ihnen bemißt sich nämlich auch der Wert von Werbeschaltungen, anders gesagt, ist ein Gutteil der Finanzierung von Medienunternehmen davon abhängig. Krombacher darf sich als einer der wichtigsten Werbepartner von Premiere jetzt also richtig verschaukelt fühlen, denn man hat jahrelang viel Geld für die Werbung bezahlt, von der man glaubte, daß sie 3,6 Mio. Haushalte erreichen könne, und in Wirklichkeit waren es nicht einmal 2,5 Mio. Wohnungen. Man muß kein Brauereijurist sein, um in einem solchen Fall sofort an Regreßansprüche und Schadensersatzklagen zu denken.

Und zum zweiten sind natürlich auch alle bisherigen finanziellen Vorhersagen, alle Vorschauen und Forecasts seit Donnerstag abend, 19.19 Uhr, nichts weiter als Makulatur. Hatte man bis 19.18 Uhr noch damit gerechnet, in diesem Jahr etwa 14 Mio. Euro mehr einzunehmen als ausgeben zu müssen, so war eine Minute später klar, daß man zwischen 40 und 70 Mio. Miese machen wird, und zwar vermutlich eher 70 als 40. Daß es natürlich auch keinerlei Aussicht auf Besserung gibt, liegt auf der Hand, denn einzusparen ist bei Premiere schon lange nichts mehr, alles außer dem Bundesligafußball pfeift ja schon aus dem letzten Loch. Also könnten nur viele, viele zahlende Kunden die Rettung bringen, aber genau die gibt es ja nicht; und man wird sie auch nicht gewinnen können mit dem lächerlichen Sportangebot jenseits des deutschen Fußballs und den "Top-Filmen", die jeder, der will, schon lange im Internet gesehen hat, bevor sie in Ismaning zur Sendung kommen. Es steht also zu fürchten, daß das Licht, das man am Ende des Tunnels ausmachen zu können glaubt, wohl nur die Stirnleuchten des Güterzuges sind, der den einzigen deutschen Bezahlsender überrollen wird.

Vermutlich wird jetzt der eine oder andere der verehrten Leserschaft denken: "Ja, schön, Junge, aber warum erzählst Du uns das? 'Die Kirsche' ist doch schließlich keine Medienzeitschrift, sondern ein Magazin für Freunde des Fußballs und seiner Kultur! Gib Deine Weisheiten doch in der 'Hör Zu' zum Besten." Würde ich ja, wenn's so einfach wäre und wir uns einfach nur über die Frechheit oder Großmäuligkeit der Premiere-Macher unterhalten und vielleicht auch lustig machen müßten.

Aber wir dürfen nicht vergessen, daß Premiere der einzig bekannte mögliche Abnehmer für die Übertragungsrechte der DFL war. Dieser Abnehmer aber zeigt sich jetzt als reichlich schwach auf der Brust und im Portemonnaie, wenn man denn die nächsten Wochen überhaupt überstehen sollte. Ganz sicher wird also Premiere keinesfalls die von der DFL ausgeschriebenen 409 Mio. Euro aufbringen können und wollen. Wenn aber die Premis nicht mitbieten, wer dann? Die Privatsender im FreeTV haben schon längst abgewinkt, weil man keine Refinanzierungsmöglichkeit sieht; bleiben also nur die, bei denen man schon seit Jahr und Tag in die ersten Sitze reihert. Natürlich würden die Öffis die Bundesliga gern übernehmen, aber man ist wohl nicht zu konservativ, wenn man vermutet, daß sie wohl nur 200, maximal 250 Mio. Euro zu zahlen bereit wären. Die Argumente, die dann kommen, sind alt, bewährt und klingen etwa so:"Wir sind gebührenfinanziert und müssen mit dem Geld der Bürger sorgsam umgehen." Billige Sprüche für kleines Geld.

Würde man diese Sätze und diese Summe akzeptieren, würden alle Vereine nur die Hälfte des erwarteten Anteils aus den Fernsehrechten erhalten, und da die Wirtschaftspläne aller Profivereine ziemlich auf Saum genäht sind, würden mit Ausnahme von vier oder fünf Clubs, die eine solche Lücke vielleicht verkraften können, die Vereine gewaltig einbrechen. Also ist auch diese Variante keine akzeptable Alternative. Welche aber dann? Normalerweise würde man sich mit dieser Frage ja an den Rechteverwalter, in diesem Falle also die DFL, wenden. Allerdings fürchte ich, daß wir, wenn wir das täten, mehr Fragen zurück bekämen, als wir den Herren Seifert, Hieronymus und Müller stellen würden. Und genau da liegt der Hase, der wohl gut die Größe eines "Belgischen Riesen" haben dürfte, im Pfeffer. Als die ersten Vermarktungsideen vom Bundeskartellamt zurückgepfiffen wurden, wunderte sich die Öffentlichkeit, daß die DFL keine Schublade mit einem Ausweichplan zu besitzen schien. Als jedes Zusammengehen mit Sirius endgültig unmöglich wurde, war immer noch kein Plan B in Sicht und selbst in den letzten Wochen hörte man aus Frankfurt nur den Unsinn über das Verklagen des Kartellamtes.

Woher sollte also jetzt ein Masterplan kommen, mit dem man eine solche Schwierigkeit, mit der niemand rechnen konnte, überwinden könnte, wenn man schon bei absehbareren und kleineren Hürden völlig planlos gescheitert ist? Und wie sollte ein solcher Plan aussehen? Wenn man Senderechte nicht verkaufen kann, dann bleibt praktisch nur die Chance, selbst zu vermarkten, ganz so wie ein Öko-Bauer, der einen Hofladen betreibt. Nun wäre es schon unter normalen Umständen ausgesprochen mutig, binnen zehn Monaten einen Fernsehsender aus dem Boden stampfen zu wollen, aber es wäre möglich, weil ja durch den Ausfall von Premiere auch Fachpersonal frei wird, das man dann übernehmen kann, um möglichst reibungsfrei loslegen zu können. Es wäre, wie gesagt, trotzdem immer noch schwierig, aber wenn man sich ansieht wieviel Flexibilität, Führungsstärke und Managementkompetenz in der Führungsetage der DFL versammelt ist, dann weiß man, daß es vollkommen ausgeschlossen ist. Keiner der "glorreichen Halunken" dort ist auch nur ansatzweise in der Lage, so weitreichende Planungen auch nur im Entferntesten überblicken zu können.

Was bleibt? Natürlich die Hoffnung. Entweder darauf, daß die DFL-Oberen einsehen, daß sie es nicht auf die Reihe kriegen, und freiwillig Platz machen für Leute, die eher in der Lage sind, Entscheidungen begründet zu fällen, oder aber darauf, daß der neue Mehrheitseigner von Premiere, Rupert Murdoch, noch einmal richtig tief in die Tasche greift, um sich im Zuge der Vereinheitlichung der Mediengesetzgebung in Europa auch im Sport ein Standbein in Deutschland zu schaffen. Das ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber immer noch eher möglich als die andere Hoffnung.

Wat war sonz noch? Ach, ja...

...einen besonderen Beweis der Vereinstreue will Joseba Etxeberria antreten, der seit 1995 bei Athletic Bilbao spielt. Mittlerweile ist er 31 Jahre alt, und natürlich immer noch für Athletic am Ball. Der Außenstürmer will seine Karriere in Bilbao beenden. Doch vorher möchte er sich auf ganz besondere Art und Weise bei seinem Klub für die tolle Zeit bedanken. Er wird im letzten Jahr seiner Karriere auf das Gehalt verzichten! Etxe:?Ich habe Bilbao viel zu verdanken. Auch in schweren Zeiten, in denen ich verletzt war, hat man immer an mich geglaubt. Dieses Vertrauen will ich damit zurückzahlen.? Für den Verein seines Lebens ist er übrigens nicht nur als Spieler aktiv ? er arbeitet auch schon als Nachwuchstrainer.

So etwas kann man für kein Geld der Welt kaufen - das ist nämlich Fußball.

... die Altach-Rente wird immer interessanter, jetzt auch in Arabien. Die Scheichs aus dem Wüstenstaat Dubai wollen unbedingt Totti und Raul verpflichten. Wie immer spielt Geld dabei keine Rolle. Sollte Totti tatsächlich zu Al-Ahli wechseln, so winken ihm z.B.18 Millionen Euro jährlich bis 2012.

...90elf. Ich hatte ja versprochen, mal wieder eine Wasserstandsmeldung zur Qualität des Fußballradiosenders zu geben. Journalistisch ist er immer noch bestenfalls Mittelmaß, technisch allerdings etwas besser geworden, was man besonders daran sieht, daß man die Konferenzschaltungen möglichst nicht mehr zwischen Schiri-Pfiff und Elferausführung vornimmt. Was am meisten verwundert, ist, daß es immer noch keinen Ansatz einer Community-Bildung gibt; das ist für einen Sender, der höchstens geschätzte 15 von den 168 Stunden der Woche Interessantes und Neues bringen kann, total bestreuselt. Wenigstens einen Chat und/oder ein Forum sollte ein Sender, der sich nur für Fußball interessiert, den Leuten, die sich nur für Fußball interessieren, zur Verfügung stellen. Also kann man auf 90elf zurückgreifen, wenn man seine Mannschaft und nur die unbedingt während des gesamten Spiels hören will; ansonsten sollte man auf den örtlichen Lokalsender oder -im Internet- auf bundesliga.de zurückgreifen.

, 07.20.2008

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