Magazin für Freunde des Fußballs und seiner Kultur

Wir über uns

 | 

Impressum
Home
Gelbfieber
Konferenz
Smalltalk
Abgegrätscht
Freier Raum
Kirsche-Shop
< November 2010 >
Mo Di Mi Do Fr Sa So
1 2 3 4 5 6 7
8 9 10 11 12 13 14
15 16 17 18 19 20 21
22 23 24 25 26 27 28
29 30  

Nationalelf:

Redaktionssitz:

 <<< zurück

Flankenkrise, Bankenkrise und Stagnation

Das vergangene Wochenende brachte für die Fußballfreunde aus dem Ruhrgebiet eigentlich nur ein einziges positives Resultat, und auch das wird die meisten nicht wirklich interessiert haben: In der Zweiten Liga konnte Rot-Weiß Oberhausen zu Hause überraschend gegen den 1. FC Kaiserslautern mit 2:1 gewinnen. Damit war nicht zu rechnen, das wird RWO im Abstiegskampf helfen - hurra, hurra.

Aber was haben die "Vorzeigemannschaften" vorzuzeigen gehabt? Es war nicht viel. Schalke hatte noch unter der Woche eine einigermaßen ansehnliche Leistung im UEFA-Pokal abgeliefert, aber die Herrschaften dachten wohl, daß das für sieben Tage genug Arbeitsnachweis gewesen sei, mehr könnte ja vielleicht den Akkord kaputtmachen. Was man nämlich dann am Samstag gegen die Spitzenelf aus Bielefeld zeigte, war absolut unverständlich. Die Knappen waren neunzig Minuten drückend überlegen, spielten dreißig Minuten davon sogar gegen nur zehn Ostwestfalen, waren ständig auf Powerplay - und das Spiel endete 0:0. Bitte, wer jetzt denkt, daß es sich bei diesem Phänomen um ein Stürmerproblem handelt, vielleicht sogar nur um das Problem eines Stürmers, der in den letzten Wochen im Mittelpunkt des Interesses stand, der möge es gleich wieder vergessen. Schalke hatte weit mehr als einen Stürmer auf dem Feld, am Ende waren es, konservativ geschätzt, deren fünf, die sich auf dem Rasen tummelten, und bei allem Glück, trotz der doppelten Viererkette, die Bielefeld aufgestellt hatte, trotz all' dem muß irgendwann mal einer richtig stehen und den Ball über die so oft beschworene, ominöse Linie bringen. Wenn das aber mit solcher Konstanz, wie auf Schalke, nicht geschieht, dann stimmt irgendetwas in der Psyche der Spieler nicht. Das kann man "winning spirit" nennen, oder auch auf gut Deutsch "Selbstbewußtsein", auf jeden Fall sollte es einer Mannschaft, die in der Bundesliga oben mitspielen will, innewohnen, und davon kann bei Schalke nicht einmal entfernt gesprochen werden. Hier müssen sich die Mannschaftsverantwortlichen, sprich Cheftrainer und Stab, fragen lassen, ob sie das Problem ebenso deutlich sehen, wie die anderen 60.000 in der Turnhalle, und -vor allem- was sie dagegen zu tun gedenken. Denn etwas ändern muß sich ganz sicher, sonst wird das an sich gute Spiel, das die Königsblauen zeigen, durch das Auslassen selbst bester Chancen zunichte gemacht.

Wer nun aber geglaubt hatte, daß der BVB die Steilvorlage aus Gelsenkirchen aufnehmen und mit einem Sieg über die langweiligste Mannschaft der Liga an den Nachbarn vorbeiziehen würde, hatte sich ebenso deutlich getäuscht. In der ersten Halbzeit hatten vermutlich alle Zuschauer den Eindruck, als wolle sich die Klopp-Truppe komplett darauf konzentrieren, nur zu reagieren. Man ließ die Hauptstädter spielen, begleitete sie in respektvollem Abstand über die Weiten des Spielfelds, grätschte ab und zu auch mal dazwischen, damit wenigstens das Trikot schmutzig wurde und verdödelte ohne sonderliche Anstrengung die Zeit. Ich habe keine Ahnung, welches Spiel der Kicker-Redakteur gesehen hat, der den beinahe schon begeisterten Bericht über das Spiel online gestellt hat, dasselbe, das ich geschaut habe, kann es jedenfalls nicht gewesen sein. Der einzige, der mal etwas Schwung in die Partie bringen wollte, war Schiedsrichter Meyer, der nach einer halben Stunde eine Schwalbe von Raffael mit einem Elfmeter belohnte. Vermutlich hatte ihm der künstlerische Eindruck so gut gefallen, daß er einfach mal darüber hinwegsah, daß ja eigentlich kein Foul von Weidenfeller vorgelegen hatte. Leider wurde nach dem durchaus unverdienten 0:1 das Spiel noch öder, Hertha stand hinten drin, der BVB rannte an, aber außer der Benutzung der Brechstange fiel der Heimmannschaft auch jetzt noch nichts ein. Deswegen passierte nach wie vor aus dem Spiel heraus gar nichts, jedoch profilierte sich der Berliner Torhüter Drobny nach ca. 70 Minuten als ein Fliegenfänger der Rensing-Klasse, und erlaubte so den Schwarz-Gelben den Ausgleich nach einer Standardsituation. Alle Hoffnungen, daß damit der Bann gebrochen sei, und dem ersten auch noch wenigstens ein weiterer Treffer folgen würde, waren aber vergebens, ganz im Gegenteil hätten die Herthaner in der Schlußphase sogar noch durch Konter den Sieg erzwingen können. Auch hier sind Fragen an den Trainer im Raum. Die Motivation scheint ja einigermaßen zu stimmen, aber wie kommt es, daß die Mannschaft offenbar mit den taktischen Mitteln einer Verbandsligatruppe und der Abstimmung eines Kreisligisten auftritt? Die Herren beziehen ja immerhin recht ansehnliche Gehälter dafür, daß sie auch für Taktikschulungen etc. zur Verfügung stehen. Warum wird dieses Mittel so wenig genutzt?


Am überzeugendsten trat eigentlich noch der Dritte im Bunde, der VfL Bochum, auf, der den schweren Gang ins Neckarstadion unternehmen mußte. Man hielt kräftig gegen die schwäbischen Angriffsbemühungen, konnte sich das eine oder andere Mal sogar selbst ganz anständig in Szene setzen und hätte sicher einen Punkt verdient gehabt. Leider hatte Gomez etwas dagegen und traf in kurzem Abstand zweimal, sodaß die Partie gelaufen war. Es war wieder eine ansehnliche Leistung der Bochumer, die wieder einmal nicht belohnt wurde. Jetzt muß man an der Castroper Straße nur darauf achten, daß man nicht noch am Saisonende der meistrespektierte Absteiger ist. Das wäre nämlich nicht nötig, die Mannschaft hat genügend Potential für die Bundesliga.

So ist sportlich derzeit im Kohlenpott die totale Stagnation ausgerufen, also muß man sich an andere Dinge halten, wenn man optimistisch bleiben will. Als da wäre die allgegenwärtige Bankenkrise, die jetzt auch in das Fußballgeschäft überzuschwappen droht. Natürlich werden auch in Deutschland Firmen, denen der Allerwerteste mit Grundeis geht, nicht mehr so freigiebig sponsern, wie sie es vielleicht in besseren Zeiten getan haben, und auch in Deutschland wird der Fuppes auf absehbare Zeit mit dem Orangensaft im Supermarkt konkurrieren, also für den Verbraucher nur das Eine oder das Andere in Frage kommen, aber wenigstens sind bei uns keine Clubs akut von der Krise in ihrer Existenz bedroht, auch wenn ein paar Fanschals weniger verkauft werden. Wolfgang Holzhäuser, der Manager von Bayer Leverkusen, führt dies nicht zuletzt darauf zurück, daß es im deutschen Berufsfußball die 50+1-Regel gibt, wonach niemand "Besitzer" eines Fußballclubs werden kann, wie es in England, Italien oder Spanien üblich ist. In diesen Ländern fliegen jetzt schon die Fetzen und ein Ende ist noch nicht absehbar. Absehbar ist hingegen, daß die Übermacht der dort beheimateten Vereine im europäischen Fußball weniger wird, wenn sie nicht ganz verschwinden - die Vereine, nicht nur die Übermacht.

Wieso ein offenbar völliger merkbefreiter Holzroller wie Herr Kind aus Hannover immer noch darauf besteht, notfalls gerichtlich durchsetzen zu wollen, daß irgendwelche Heuschrecken seinen Verein ruinieren dürfen, bleibt völlig unerfindlich. Nicht, daß mir Hannover 96 nun sonderlich fehlen würde, wenn der Insolvenzrichter den Verein schuldenhalber in die Kreisliga C zurückgestuft haben wird, und ich bedauere auch, so deutlich werden zu müssen, aber die Universität zu Hannover soll dem Vernehmen nach über eine vorzügliche Psychiatrie verfügen. Vielleicht sollte man dieses ungezogene und dumme Kind dort einmal gründlich untersuchen.

Jetzt noch etwas aus der Rubrik "Die Kirsche fragt nach" oder auch "Die wunderbare Welt des Fußballs". In der vergangenen Woche war an dieser Stelle darüber berichtet worden, daß der Verband von Samoa wegen der Verschwendung von mehr als 10.000 Euro pro Funktionär von der FIFA suspendiert worden ist. Dabei hatte ich einfach einen Presseartikel zur Grundlage genommen, weil auch ich zu den vielen Menschen gehöre, die nur ungern Protokolle lesen, gleichgültig, ob sie von Sitzungen stammen, bei denen man dabei war, oder nicht. Als nun aber -ebenfalls in der Presse- zu lesen stand, daß bei gleicher Gelegenheit der kuwaitische Verband suspendiert wurde, habe ich dann doch einmal nachsehen wollen, ob die Blatter-Buben nur Großreinemachen angesagt, oder gleich den Weltspartag vorgezogen hatten. Man findet auch die entsprechende Dokumente, wenngleich es schon einiger kriminalistischer Fähigkeiten bedarf, den richtigen Button zwischen all' den sinnlosen Abstimmungen, Tippspielen und Verbandsportraits (heute: Kasachstan, Nr. 131 der FIFA-Rangliste) zu finden. Aber die Suche lohnt sich, denn so erfährt man, daß für Samoa eine "Normalisierungskommission" unter der Leitung eines gewissen David Brand eingesetzt worden ist, die sich binnen der nächsten zwölf Monate der "Wiederherstellung einer angemessenen Fussballverwaltung auf Samoa" widmen soll. Das sieht angesichts von 2.300 aktiven Spielern zunächst mal nach einem Traumjob unter Palmen aus, hat allerdings den Haken, daß Mr. Brand auch "die Tilgung der Schulden an die Hand nehmen" nehmen muß. Na, da nähme man doch vermutlich lieber eine hübsche Samoanerin an die Hand, nicht wahr, Mr. Brand? Aber, was soll's, in Zeiten von Bankenkrisen und Milliardenrettungspaketen kommt's auf die vier oder fünf Millionen Euro, die der samoanische Verband benötigt, ja nun ganz sicher nicht mehr an.

Viel interessanter ist da schon, warum man die Ölscheichs aus dem Rennen genommen hat. Der kuwaitische Verband hätte im September turnusmäßig eine Vorstandssitzung mit Neuwahlen durchführen müssen, um den Regularien der FIFA nachzukommen. Diese Sitzung allerdings wurde verschoben, weil man dem Ramadan ausweichen wollte. Diese offenbar also religiös motivierte Verschiebung quittierte die FIFA prompt mit der Suspendierung.

Da stellen sich doch einige Fragen, so zum Beispiel die, ob man in der FIFA-Zentrale wirklich glaubt, daß der kuwaitische Verband, der zwar nur auf Platz 124 der Rangliste und damit einen Platz hinter Luxemburg liegt (der Sieg gegen die Schweiz hat die Letzebuerger glatte 29 Plätze nach oben katapultiert!!) , der aber im allgemeinen sowohl organisatorisch wie auch finanziell hervorragend aufgestellt ist, durch die Verschiebung einer Wiederwahl der üblichen Prinzen um vierzehn Tage ins Trudeln kommt und ob in einer solchen Situation die Suspendierung wirklich das angemessene Mittel ist.

Vor allem aber fragt man sich, wo denn die ganzen, weltweit tätigen Gutmenschen bleiben, die am liebsten Weihnachten zugunsten von Chanukka aufgeben und das Schweinefleischverbot auch im Schwarzwald durchsetzen würden, damit sich kein "Vertreter der übrigen abrahamitischen Religionen" (was für eine gestelzte Bezeichnung für Juden und Moslems) vor den Kopf gestoßen fühlen kann. Es dürfte ja wohl vollkommen klar und offensichtlich sein, daß dieses Vorgehen der FIFA ganz sicher respektlos gegenüber dem Islam ist, und wenn man sich einmal ansieht, wie wenig Spielbetrieb während des Weihnachtsfestes auch in nicht-christlichen Ländern herrscht, dann weiß man, daß dieses religiöse Fest offenbar anders bewertet wird.

Wohlbemerkt: Es geht überhaupt nicht darum, daß, wie es heute so gern Mode ist, jedem noch so albernen Wunsch Rechnung getragen werden muß, so lange er nur unter dem Deckmantel der Religion und ihrer freien Ausübung geäußert wird. Es geht darum, daß der Weltfußballverband mit seiner Entscheidung einen sehr erheblichen Mangel an Feingefühl hat erkennen lassen - und niemanden scheint es zu stören. Schon komisch...

Wat war sonz noch? Ach, ja...

... ein marokkanischer Schüler sollte die Devise seines Heimatlandes ?Gott, Vaterland, König? an die Tafel schreiben, doch der Barcelona-Fan änderte den Spruch ein wenig. Der 18-jährige schrieb ?Gott, Vaterland, Barça? und wurde umgehend von der Schulleitung der Staatsanwaltschaft übergeben. In einem Eilverfahren wurde der Schüler wegen Majestätsbeleidigung zu 18 Monaten Haft verurteilt.

Bloß gut, daß der Vatikan schon längere Zeit keine Scheiterhaufen mehr aufschichten ließ, als der an eine Kirchentüre geheftete Glaubenssatz "Keiner kommt an Jesus vorbei" von einem Schalker in den sechzigern Jahren mit einem lakonischen "Außer Libuda" kommentiert wurde....

...nachdem man ihm nach seinem Abschied vom Rasenrechteck anno 2004 schon eine Statue vor das Stadion seines Heimatklubs gestellt hatte, bedachte die Universität Magdalena aus Santa Marta die "kolumbianische Klobürste", Carlos Valderrama, nun mit der Ehrendoktorwürde.

Freilich nicht ob seiner hairlichen Fähigkeiten, sondern wegen seiner Verdienste um den südamerikanischen Fußball, oder wie es der Sprecher der Universität formulierte:

?Wir wollen das Leben Valderramas abseits des grünen Rasens würdigen. Er war und ist ein Vorbild für unsere Studenten.?

Zum Leben Valderramas abseits des grünen Rasens lässt sich bei dieser Gelegenheit gewiß dessen schier unglaubliche Fähigkeit der Metamorphose vom sterbenden zum wild flatternden Schwan an der Seitenlinie des Mailänder Meazza-Stadions an jenem 19. Juni 1990 im Vorrundenkick der WM in Italien gegen Deutschland subsumieren, oder? Dennoch wird die Dickel'sche Charakterisierung ?mit allen Abwässern gewaschen? in der entsprechenden Laudatio der Universität wohl eher nicht auftauchen.

...der spanische Rangers-Stürmer Nacho Novo bringt sich für die schottische Nationalmannschaft ins Gespräch: Er würde gerne für die Briten spielen, wenn Verbandstrainer Burley ihn haben will. Der schottische Verband sagt: Wenn er einen britischen Pass hätte, würde nichts dagegen sprechen - wenn Burley ihn haben will.

Na, gut, die Schotten können sicher etwas frisches Blut gebrauchen, denn wenn man sich deren Spiel und seine Ergebnisse ansieht, dann können einem schon die Karos vor den Augen tanzen. Wie hoch aber wird die Identifikation der Tartan Army mit diesem "Neuschotten" sein? Selbst, wenn er seinen Namen in McNovo änderte, wären da wohl trotzdem erhebliche Vorbehalte. So wünscht sich z.B. der Trainer des schottischen PremierLeague-Aufsteigers Hamilton Academical schon die Zeiten zurück, als man nur für sein Geburtsland spielberechtigt war?

Aber das ist noch nicht einmal das Ende der Fahnenstange, auch, wenn es manchem nationalstolzen Untertanen der Queen so scheinen mag. Es ist kein schlechter Witz, sondern eine im Internet nachzulesende BBC-Meldung, daß der englische Verbandstrainer, Fabio Capello, angeblich gerne Manuel Almunia (Arsenal) und Mikel Arteta (Everton) ins englische Nationalteam berufen würde. Gut, die Torwartnot auf der Insel ist groß und Almunia ist, wie wir ja wissen, immerhin besser als Jens Lehmann, dennoch sollte man auch auf der Insel noch einmal sehr genau überlegen, ob man wirklich auch auf Nationalmannschaftsniveau darangehen will, eine erfolgreiche Elf schlichtweg zusammenzukaufen. Es ist kaum vorstellbar, daß man damit Welt- oder Europameister wird; und schon gar nicht glücklich.

, 28.10.2008

 <<< zurück

Kirsche-Forum
BVB-Forum

Aktuelle Infos:

Medienkolumne:

Fan-Kolumne:

Fotos: